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GRAVITATIONSWELLEN
Besondere Kollision zweier Schwarzer Löcher
Redaktion / Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik 
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21. April 2020

In den Daten der Gravitationswellendetektoren wurden erstmals die Signale der Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher mit deutlich verschiedener Masse nachgewiesen. Der Fund erlaubt nicht nur einen neuen Test von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie, sondern gewährt auch einen tieferen Einblick auf die Natur der beteiligten Objekte.

Simulation

Numerische Simulation der Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher mit sehr unterschiedlichen Massen und präzidierender Bahnebene. Bild: N. Fischer, H. Pfeiffer, A. Buonanno (Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik), Simulating eXtreme Spacetimes project [Großansicht]

Die Erwartungen der Gravitationswellen-Forscherinnen und -Forscher haben sich erfüllt: Die Entdeckung von Gravitationswellen gehört inzwischen fast zu ihrer täglichen Arbeit. Allein im vergangenen Beobachtungslauf O3 identifizierten die Forschenden etwa einmal pro Woche neue Gravitationswellen-Kandidaten. Aber jetzt haben sie ein Signal veröffentlicht, wie sie es noch nie zuvor gesehen haben: GW190412 zeigt erstmalig, wie zwei Schwarzer Löcher mit sehr unterschiedlichen Massen miteinander verschmelzen: Ein kleineres Schwarzes Loch mit etwa der 8-fachen Masse unserer Sonne wird von einem großen Schwarzen Loch mit etwa der 30-fachen Sonnenmasse verschlungen.

Diese Beobachtung ermöglicht nicht nur genauere Messungen der astrophysikalischen Eigenschaften des Systems, sondern erlaubt es dem LIGO/Virgo-Team auch, eine bisher ungetestete Vorhersage der Einsteinschen Allgemeinen Relativitätstheorie zu verifizieren. "Zum allerersten Mal haben wir in GW190412 das unverkennbare Gravitationswellen-Brummen einer höheren Harmonischen 'gehört', – ähnlich der Obertöne von Musikinstrumenten", erklärt Frank Ohme, Leiter der unabhängigen Max-Planck-Forschungsgruppe "Beobachtung und Simulation von kollidierenden Binärsystemen" am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut; AEI) in Hannover. "In Systemen mit ungleichen Massen wie GW190412 – unserer ersten Beobachtung dieser Art – sind diese Obertöne im Gravitationswellensignal viel lauter als in unseren üblichen Signalen. Vor O3 konnten wir diese nicht hören, aber jetzt, bei GW190412, hat es endlich geklappt".

Die Beobachtung bestätigt einmal mehr Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie. Die sagt die Existenz dieser höheren Harmonischen, d. h. Gravitationswellen beispielsweise beim Doppelten oder Dreifachen der bisher stets gemessenen Grundfrequenz, vorher. "Die Schwarzen Löcher von GW190412 haben die 8- bzw. 30-fache Masse unserer Sonne. Dies ist das erste Doppelsystem Schwarzer Löcher bei dem wir einen so großen Unterschied zwischen den Massen beobachtet haben", sagt Roberto Cotesta, Doktorand in der Abteilung "Astrophysikalische und Kosmologische Relativitätstheorie" am AEI in Potsdam. "Dieser große Massenunterschied bewirkt, dass wir mehrere Eigenschaften des Systems genauer messen können: seinen Abstand zu uns, den Winkel, in dem wir es betrachten, und wie schnell sich das schwere Schwarze Loch um seine Achse dreht."

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GW190412 wurde sowohl von den LIGO-Detektoren als auch vom Virgo-Detektor am 12. April 2019 beobachtet, früh im dritten Beobachtungslaufs O3 der Detektoren. Die Analysen zeigen, dass die Verschmelzung in einer Entfernung von 1,9 bis 2,9 Milliarden Lichtjahren von der Erde stattfand. Das neue System mit ungleichen Massen ist eine einzigartige Entdeckung, da alle bisher von den LIGO- und Virgo-Detektoren beobachteten Doppelsysteme aus zwei ungefähr gleichen Massen bestanden.

Ungleiche Massen hinterlassen ihre Spuren im beobachteten Gravitationswellensignal, was wiederum den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erlaubt, bestimmte astrophysikalische Eigenschaften des Systems genauer zu messen. Das Vorhandensein höherer Harmonischer macht es möglich, eine Uneindeutigkeit zwischen dem Abstand zum System und dem Winkel, in dem wir auf die Bahnebene schauen, aufzulösen; daher können diese Eigenschaften mit höherer Präzision gemessen werden als in Systemen mit gleicher Masse ohne höhere Harmonische.

"Während O1 und O2 haben wir die Spitze des Eisbergs der Population von Doppelsystemen Schwarzer Löcher mit stellarer Masse beobachtet", sagt Alessandra Buonanno, Direktorin der Abteilung "Astrophysikalische und Kosmologische Relativitätstheorie" am AEI in Potsdam und College-Park-Professorin an der University of Maryland. "Dank der verbesserten Empfindlichkeit unserer Detektoren haben wir GW190412 entdeckt. Das Signal zeigt uns, dass es eine vielfältigere, verborgene Population gibt; diese zeichnet sich durch eine Massenasymmetrie von rund 4 aus und durch Schwarze Löcher, die sich mit etwa 40% des von der Allgemeinen Relativitätstheorie erlaubten Maximalwertes um die eigene Achse drehen", fügt sie hinzu.

AEI-Forscherinnen und - Forscher trugen zum Nachweis und zur Analyse von GW190412 bei. Sie haben präzise Modelle der Gravitationswellen von verschmelzenden Schwarzen Löchern geliefert, die zum ersten Mal sowohl die Präzession der Eigendrehimpulse (Spins) der Schwarzen Löcher als auch Multipolmomente jenseits des dominanten Quadrupols beinhalten. Diese in die Wellenform eingeprägten Merkmale waren entscheidend, um einzigartige Informationen über die Eigenschaften der Quelle zu gewinnen und Tests der allgemeinen Relativitätstheorie durchzuführen. Die Großrechner "Minerva" und "Hypatia" am AEI Potsdam sowie "Holodeck" am AEI Hannover trugen wesentlich zur Analyse des Signals bei.

LIGO/Virgo-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler nutzten GW190412 auch, um nach Abweichungen des Signals von den Vorhersagen von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie zu suchen. Obwohl das Signal Eigenschaften aufweist, die sich von allen anderen bisher gefundenen unterscheiden, konnten die Forscher keine signifikante Abweichung von den allgemein-relativistischen Vorhersagen feststellen.

Diese Entdeckung ist die zweite, die aus dem dritten Beobachtungslauf (O3) des internationalen Netzwerks der Gravitationswellen-Detektoren veröffentlicht wird. Das Detektornetzwerk hat Beobachtungshinweise für 56 mögliche Gravitationswellen-Ereignisse (Kandidaten) in O3 ausgegeben. Von diesen 56 Kandidaten wurde bereits ein weiteres bestätigtes Signal, GW190425, veröffentlicht. Die Teammitglieder von LIGO und Virgo prüfen die verbleibenden 54 Kandidaten und werden all diejenigen veröffentlichen, für die detaillierte Folgeanalysen ihren astrophysikalischen Ursprung bestätigen.

Die Beobachtung von GW190412 bedeutet, dass ähnliche Systeme wahrscheinlich nicht so selten sind, wie von einigen Modellen vorhergesagt. Mit zusätzlichen Gravitationswellen-Beobachtungen und wachsenden Ereigniskatalogen in der Zukunft sind daher weitere solcher Signale wahrscheinlich. Jedes von ihnen könnte der Astronomie helfen, besser zu verstehen, wie Schwarze Löcher und ihre Doppelsysteme entstehen, und neue Einblicke in die physikalischen Grundlagen der Raumzeit geben.

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siehe auch
Gravitationswellen: Erfolgreiche Suche in öffentlichen Daten - 17. März 2020
Gravitationswellen: Dritter Beobachtungslauf fortgesetzt - 12. November 2019
Gravitationswellen: Verschmelzung von Neutronenstern und Schwarzem Loch? - 3. Mai 2019
Gravitationswellen: Weiteres Signal von Neutronensternen? - 1. März 2019
Gravitationswellen: Neuer Beobachtungslauf beginnt - 1. April 2019
Links im WWW
Preprint des Fachartikels bei arXiv.org
Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik
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