Ein Doppelsystem mit Besonderheiten
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Bern astronews.com
17. Dezember 2020
Astronominnen und Astronomen haben ein exotisches System
entdeckt, das aus zwei jungen Braunen Zwergen besteht, die sich in sehr großer
Entfernung umkreisen. Obwohl sie wie riesige Exoplaneten aussehen, bildeten sie
sich auf die gleiche Weise wie Sterne. Dies zeigt, dass die Mechanismen, die die
Sternentstehung antreiben, offenbar auch ungewöhnliche Systeme ohne Sonne
hervorbringen können.
Künstlerische Darstellung der zwei Braunen
Zwerge, im Vordergrund Oph 98B in lila, im
Hintergrund Oph 98A in rot. Die beiden Objekte
sind von den Molekülwolken umgeben, in denen sie
entstanden sind.
Bild: Thibaut Roger / Universität Bern [Großansicht] |
Sternentstehungsprozesse erzeugen manchmal mysteriöse astronomische Objekte,
sogenannte Braune Zwerge. Diese sind nicht groß oder heiß genug um als Sterne zu
gelten, und in den extremsten Fällen ist ihre Masse so klein und ihre Temperatur
so tief wie die von Planeten. Genau wie Sterne wandern Braune Zwerge oft allein
durch den Weltraum, können aber auch in Paaren auftreten. Sie sind dann
gemeinsam in der Galaxie unterwegs und umkreisen sich gegenseitig.
Forschende unter der Leitung von Clémence Fontanive vom Center for Space
and Habitability (CSH) und des Nationalen Forschungsschwerpunkts PlanetS
haben nun ein solches merkwürdiges, sternenloses Doppelsystem von Braunen
Zwergen entdeckt: Das System CFHTWIR-Oph 98 (oder kurz Oph 98), das aus den zwei
sehr massearmen Objekten Oph 98 A und Oph 98 B besteht. Es befindet sich 450
Lichtjahre von der Erde entfernt im Sternbild Schlangenträger. Die Forschenden
waren überrascht, dass sich die beiden Objekte in einer auffallend großen
Entfernung umkreisen, nämlich etwa der fünffachen Entfernung von Pluto und der
Sonne, was der 200-fachen Entfernung der Erde von der Sonne entspricht.
Das Paar ist ein seltenes Beispiel für zwei Objekte, die in vielerlei
Hinsicht extrasolaren Riesenplaneten ähneln, die ohne Mutterstern umeinander
kreisen. Das massereichere der beiden Objekte, Oph 98 A, ist ein junger Brauner
Zwerg mit der 15-fachen Masse des Jupiter, der damit ziemlich genau auf der
Grenze liegt, die Braune Zwerge von Planeten trennt. Sein Begleiter, Oph 98 B,
ist nur 8-mal schwerer als Jupiter. Astronomische Objekte in solchen
Doppelsystemen sind durch ihre gravitative Anziehungskraft miteinander
verbunden. Diese Verbindung wird stärker, wenn die Objekte massereicher sind
oder wenn sie näher beieinander liegen. Mit den extrem niedrigen Massen und dem
sehr großen Abstand hat Oph 98 die schwächste Bindungsenergie aller bisher
bekannten binären Systeme.
Fontanive und ihre Kolleginnen und Kollegen entdeckten Oph 98 B anhand von
Bildern des Hubble-Weltraumteleskops. "Massenarme Braune Zwerge sind
sehr kalt und geben nur sehr wenig Licht ab, nämlich nur durch infrarote
Wärmestrahlung. Diese Wärmestrahlung ist extrem schwach und rot, und Braune
Zwerge sind daher nur im Infrarotlicht sichtbar", erklärt Fontantive. Außerdem
sei diese Region im Schlangenträger in eine dichte, staubige Wolke eingebettet,
die sichtbares Licht streut. "Infrarotbeobachtungen sind die einzige
Möglichkeit, durch diesen Staub hindurchzusehen", unterstreicht Fontanive. "Die
Detektion eines Systems wie Oph 98 erfordert zudem eine Kamera mit sehr hoher
Auflösung, da der Winkel zwischen den beiden Objekten tausendmal kleiner ist als
die Größe des Mondes am Himmel."
Das Hubble-Weltraumteleskop gehört zu den wenigen Teleskopen, die in
der Lage sind, so schwer erkennbare Objekte wie diese Braunen Zwerge zu
beobachten und solch enge Winkel aufzulösen. Weil Braune Zwerge kalt genug sind,
bildet sich in ihrer Atmosphäre Wasserdampf, der im Infraroten markante Merkmale
erzeugt, die üblicherweise zur Identifizierung Brauner Zwerge verwendet werden.
Diese Wassersignaturen können jedoch von der Erdoberfläche aus nur schwer
erkannt werden. Da sich Hubble im Vakuum des Weltalls befindet, eignet
sich das Teleskop bestens dafür, die Existenz von Wasserdampf bei astronomischen
Objekten zu untersuchen.
"Beide Objekte sahen sehr rötlich aus und zeigten deutliche Anzeichen von
Wassermolekülen. Dies bestätigte, dass es sich auch bei Oph 98 B
höchstwahrscheinlich um einen Braunen Zwerg handelte und nicht um irgendeinen
Stern, der zufällig neben Oph 98 A am Himmel steht," erläutert Fontanive. Das
Team untersuchte auch Bilder, die vor 14 Jahren mit dem Canada-France-Hawaii
Telescope (CFHT) auf Hawaii aufgenommen worden waren. Auch auf diesen
Aufnahmen waren die beiden Braunen Zwerge sichtbar.
"Diesen Sommer haben wir das System erneut von einem anderen hawaiianischen
Observatorium aus beobachtet, dem United Kingdom Infra-Red Telescope.
Anhand dieser Daten konnten wir bestätigen, dass sich Oph 98 A und B relativ zu
anderen Sternen, die sich hinter ihnen befinden, gemeinsam über den Himmel
bewegen, also aneinandergebunden sind", so Fontanive.
Das Oph 98-Binärsystem bildete sich im Sternentstehungsgebiet Ophiuchus vor
nur drei Millionen Jahren und ist damit auf astronomischen Zeitskalen extrem
jung. Das Alter des Systems ist viel geringer als die typische Zeit, die für die
Entstehung von Planeten benötigt wird. Braune Zwerge wie Oph 98 A entstehen
durch die gleichen Mechanismen wie Sterne. Zwar hat sein Begleiter Oph 98 B die
Größe eines Planeten. Allerdings verfügt sein Wirt Oph 98 A über zu wenig
Materialreserven, um einen Planeten dieser Größe hervorzubringen.
"Dies lässt den Schluss zu, dass sich auch Oph 98 B, wie sein Wirt, durch die
gleichen Mechanismen gebildet haben muss, welche Sterne erzeugen und es zeigt,
dass die Prozesse, die Doppelsterne erzeugen, auf verkleinerten Versionen bis
hinunter zu diesen Planetenmassen funktionieren", kommentiert Fontanive. "Mit
der Entdeckung dieser planetenähnlichen Welten – die selbst bereits
ungewöhnliche Produkte der Sternentstehung sind –, die in einer so extremen
Konfiguration aneinandergebunden sind, sind wir Zeugen eines unglaublich
seltenen Ausgangs von Sternentstehungsprozessen."
Über ihre Entdeckung berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift The Astrophysical Journal Letters erschienen ist.
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