Bewölkt und manchmal Ammoniakregen
von
Stefan Deiters astronews.com
11. Mai 2020
Das System Luhman 16 ist eines der uns am nächsten gelegenen
Sternsysteme: Es besteht aus zwei Braunen Zwergen, die sich umkreisen und ist
nur 6,5 Lichtjahre von der Erde entfernt. Neue Beobachtungen mit dem Very
Large Telescope der europäischen Südsternwarte ESO haben nun gezeigt, dass
einer der beiden Braunen Zwerge offenbar Wolkenbänder wie unser Jupiter
aufweist.
So wie in dieser künstlerischen Darstellung könnte der Braune
Zwerg Luhman 16A aussehen.
Bild: Caltech/R. Hurt (IPAC) [Großansicht] |
Das System Luhman 16 im südlichen Sternbild Segel des Schiffs zählt zu den
uns am nächsten gelegenen Sternsystemen. Allerdings besteht es nicht aus
"richtigen" Sternen, sondern aus zwei Braunen Zwergen, die sich gegenseitig
umkreisen. Braune Zwerge sind, so die Einordnung der Wissenschaft, Objekte, die
massereicher sind als Planeten, aber noch nicht über ausreichend Masse verfügen,
um die nuklearen Fusionsprozesse in ihrem Inneren dauerhaft zu zünden. Das
System ist 6,5 Lichtjahre von der Erde entfernt.
Erstmals hat das Team bei der Beobachtung der beiden Braunen Zwerge die
Polarimetrie zur Untersuchung von atmosphärischen Wolkenstrukturen bei
extrasolaren Objekten eingesetzt. Dazu verwendeten sie das Instrument NACO des
Very Large Telescope der europäischen Südsternwarte ESO in Chile. Die
beiden Braunen Zwerge dürften ähnliche Massen und auch Temperaturen aufweisen -
man schätzt etwa 1000 Grad Celsius -, doch scheint es auf ihnen sehr
unterschiedliches Wetter zu geben.
"Wie Erde und Venus sind auch diese Objekte Zwillinge mit sehr verschiedenem
Wetter", unterstreicht Julien Girard vom Space Telescope Science Institute
in Baltimore im US-Bundesstaat Maryland. "Hier kann es Dinge wie Ammoniak oder
Silikate regnen. Das Wetter ist also wirklich scheußlich."
Bei der Polarimetrie untersucht man die Polarisation des Lichts eines
Objektes. Diese Eigenschaften von Lichtwellen lassen sich beispielsweise
erkennen, wenn man Polarisationsfilter - etwa in Sonnenbrillen - verwendet, um
Licht mit einer bestimmten Polarisationsrichtung auszublenden und so seine
Helligkeit zu reduzieren. "Anstatt jedoch die Helligkeit auszublenden, haben wir
versucht, sie zu messen", beschreibt Max Millar-Blanchaer vom California
Institute of Technology im kalifornischen Pasadena das Prinzip des
Verfahrens.
Wird Licht von einem Partikel, wie etwa einem Flüssigkeitsteilchen in einer
Wolke, reflektiert, erhält es dadurch vorzugsweise eine bestimmte
Polarisationsrichtung. Durch Messung der Polarisation des Lichts von einem
entfernten Objekt kann man also etwas über das Vorhandensein von Wolken
erfahren, ohne die Wolkenstruktur in der Atmosphäre direkt auflösen zu müssen.
"Sogar in vielen Lichtjahren Entfernung können wir die Polarisation nutzen, um
herauszufinden, was mit dem Licht auf seinem Weg zu uns passiert ist", so
Girard.
Hierfür benötigten die Astronominnen und Astronomen dann Modelle, die die
Vorgänge in den Atmosphären der beiden Braunen Zwerge beschreiben: "Um
herauszufinden, was dem Licht auf seinem Weg zu uns passiert ist, haben wir die
Beobachtungen mit Modellen mit verschiedenen Eigenschaften verglichen",
erläutert Theodora Karalidi von der University of Central Florida in
Orlando. Die Modelle beschrieben dabei Braune Zwerge mit ganz unterschiedlichen
Eigenschaften, etwa einer Atmosphäre mit geschlossener Wolkendecke oder mit
Wolkenbändern. "Nur Atmosphärenmodelle mit Wolkenbändern konnten unsere
Beobachtungen von Luhman 16A reproduzieren."
Das Verfahren lässt sich nicht nur bei Braunen Zwergen einsetzen, sondern
auch etwa bei extrasolaren Planeten. Allerdings kommt hier als zusätzliche
Schwierigkeit die Helligkeit des Zentralsterns hinzu, der das schwache Licht
eines in geringem Abstand umlaufenden Planeten leicht überstrahlen kann. Künftige
Weltraumteleskope könnten im Infraroten zudem direkt nach
Helligkeitsschwankungen bei Systemen wie Luhman 16 suchen, die sich auf
Wolkenstrukturen zurückführen lassen.
Über die Beobachtungen berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift The Astrophysical Journal erschienen ist.
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