Produktivste Kooperation in der Kosmologie
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astrophysik astronews.com
7. Mai 2020
Kosmologische Simulationen lassen ganze Universen im
Computer entstehen. Sie sind die einzige Möglichkeit, Annahmen über die
Prozesse, die zur Entstehung der heute sichtbaren Strukturen führten, zu
überprüfen. Nun sind zwei entscheidende Pioniere auf diesem Gebiet mit dem
Gruber-Kosmologiepreis ausgezeichnet worden. Er ist mit einer halben Million
US-Dollar dotiert.
Die diesjährigen Preisträger des Gruber-Kosmologiepreises:
Volker Springel (links) und Lars Hernquist. Im
Hintergrund ein Ausschnitt aus der Illustris-Simulation.
Bild: The Gruber Foundation / Dr. Anna N.
Zytkow / Illustris
Simulation [Großansicht] |
Am 6. Mai 2020 gab die Gruber-Stiftung bekannt, dass Volker Springel,
geschäftsführender Direktor am Max-Planck-Institut für Astrophysik, zusammen mit
Lars Hernquist vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics, den
Gruber-Kosmologiepreis 2020 für prägende Beiträge zu kosmologischen Simulationen
erhält. Diese Methode testet bestehende Theorien über die Entstehung von
Strukturen auf Skalen von Sternen über Galaxien bis hin zum Universum selbst und
eröffnet neue Forschungsideen. Der Preis würdigt ihre transformativen Arbeiten
zur Strukturbildung im Universum sowie die Entwicklung von numerischen
Algorithmen und frei verfügbaren Codes, die von vielen anderen Forschern weiter
verwendet werden, um das Feld wesentlich voranzubringen.
Computersimulationen in der Kosmologie beginnen mit der traditionellen Quelle
astronomischer Daten: Beobachtungen des Universums. Dann, durch eine Kombination
von Theorie und bekannter Physik, werden Anfangsbedingungen gewählt und die
darauf folgenden Prozesse nachgebildet, die zu der gegenwärtigen Struktur
geführt hätten. Durch einen Vergleich der Eigenschaften des so entstehenden
simulierten Universums und der Galaxien mit Beobachtungen kann die Gültigkeit
des zugrunde liegenden kosmologischen Modells getestet werden.
Mit diesem Werkzeug zeigten Hernquist und Springel, einzeln oder zusammen,
dass Informationen aus dem kosmischen Mikrowellenhintergrund (die
Reliktstrahlung des Urknalls) und Lichtspektren von Quasaren zuverlässige
Hinweisgeber für heutige galaktische Strukturen sind. Mithilfe von
Computersimulationen haben sie auch Theorien über die kalte Dunkle Materie (die
unsichtbare Materie, die etwa vier Fünftel der Materie des Universums ausmacht)
und die Dunkle Energie (eine geheimnisvolle Kraft, die eine beschleunigte späte
Expansion des Universums verursacht) getestet, sowie darüber hinaus untersucht,
wie sie im Zusammenspiel mit gewöhnlichen Baryonen die heutigen sichtbaren
Strukturen entstehen lassen.
Zusätzlich zu ihren eigenen Entdeckungen haben Hernquist und Springel anderen
Forschern die Mittel zur Verfügung gestellt, um die Kosmologie zu
transformieren. So betonten sie zum Beispiel die Notwendigkeit von Simulationen,
die Rückkopplungen einbeziehen - den Teil von ausströmender Materie (z. B. Gas)
und Energie, der in Enwicklungsprozesse zurückfließt. Im Jahr 2005 zeigten sie
in Zusammenarbeit mit ihrer Mitarbeiterin Tiziana Di Matteo, dass die
Rückkopplung von Schwarzen Löchern die Wachstumsbeziehung zwischen
supermassereichen Schwarzen Löchern und ihren Wirtsgalaxien bestimmt.
Dank ihres Beispiels ist die Rückkopplung heute ein Standardbestandteil
kosmologischer Simulationen auf praktisch jeder Skala, von der Sternentwicklung,
protoplanetaren Scheiben, supermassiven Schwarzen Löchern, der Gasphysik in
Galaxien und Galaxienverschmelzungen bis hin zur Physik der Dunklen Materie, die
die Verteilung von Superhaufen von Galaxien in netzartigen Strukturen bestimmt.
Hernquist und Springel haben auch mehrere Codes geschrieben, die für
Kosmologen heute unverzichtbar geworden sind. Hernquist (zusammen mit Neal Katz)
schuf TreeSPH, mit dessen Hilfe Hernquist und später auch andere Forscher
großräumige Strukturen untersuchen konnten. Springel schrieb zwei Codes, die
heute die kosmologische Forschung dominieren. Im Jahr 2001 stellte er (zusammen
mit Naoki Yoshida und Simon White) GADGET vor, das er bei der Erstellung der
Millennium-Simulation verwendete, der ersten reinen Simulation mit Dunkler
Materie, die ein repräsentatives Volumen des Universums umfasste. Die daraus
resultierende Bilderserie lieferte eine aufschlussreiche und überzeugende
Darstellung der Strukturen, die dazu beitrug, die Idee eines "kosmischen Netzes"
zu popularisieren.
Springel leitete auch die Entwicklung von AREPO, einem Simulationsprogramm
für bewegliche Gitter, das er und Hernquist (und ein Team von Mitarbeitern)
anschließend bei der Erstellung von "Illustris" verwendeten, einer Simulation
der Entstehung der Galaxienverteilung in einem weiten Bereich des Universums im
Jahr 2014. Die Probleme der kosmischen Strukturbildung und der Entstehung und
Entwicklung von Galaxien sind äußerst komplex, so dass numerische Simulationen
derzeit die einzige praktische Möglichkeit sind, ein vollständiges theoretisches
Modell zu erstellen.
Der bemerkenswerte Erfolg zeitgenössischer Modelle wie Illustris, die die
Eigenschaften des Universums von seinen größten Strukturen bis hin zu einzelnen
Galaxien über nahezu die gesamte Geschichte der kosmischen Zeit hinweg
reproduzieren können, ist das Ergebnis einer triumphalen Verbindung zwischen
modernsten Berechnungen und tiefen astrophysikalischen Erkenntnissen. Der
diesjährige Gruber-Kosmologiepreis würdigt die führende Rolle, die Lars
Hernquist und Volker Springel bei diesem Durchbruch gespielt haben. Die beiden
Preisträger teilen sich die mit 500.000 Dollar dotierte Auszeichnung und
erhalten bei einer Zeremonie, die noch in diesem Jahr stattfinden wird, jeweils
eine goldene Anstecknadel.
Hernquist war ein Pionier auf dem Gebiet der kosmologischen Simulationen, als
er Ende der 1980er Jahre in das noch junge Feld eintrat, und ist seither zu
einer der einflussreichsten Persönlichkeiten auf diesem Gebiet geworden.
Springel, der sich seit 1998 mit diesem Bereich beschäftigt und Anfang der
2000er Jahre erstmals eine Zusammenarbeit mit Hernquist einging, hat mehrere der
in der kosmologischen Forschung am weitesten verbreiteten Codes geschrieben und
angewendet. Zusammen bilden Hernquist und Springel, in den Worten eines
Gruber-Preis-Nominierten, "eine der produktivsten Kooperationen in der
Kosmologie überhaupt".
Der Gruber-Kosmologiepreis ehrt einen führenden Kosmologen, Astronomen,
Astrophysiker oder wissenschaftlichen Philosophen für theoretische, analytische,
konzeptuelle oder beobachtende Entdeckungen, die zu grundlegenden Fortschritten
in unserem Verständnis des Universums führen. Das internationale
Gruber-Preisprogramm ehrt Persönlichkeiten aus den Bereichen Kosmologie, Genetik
und Neurowissenschaften, deren bahnbrechende Arbeiten neue Modelle liefern, die
grundlegende Veränderungen in Wissen und Kultur inspirieren und ermöglichen.
Die Auswahlbeiräte wählen Persönlichkeiten aus, deren Beiträge in ihrem
jeweiligen Fachgebiet unser Wissen voranbringen und potenziell einen
tiefgreifenden Einfluss auf unser Leben haben. Die Gruber-Stiftung wurde 1993
von dem verstorbenen Peter Gruber und seiner Frau Patricia Gruber gegründet. Die
Stiftung begann ihr internationales Preisprogramm im Jahr 2000 mit dem erstmals
vergebenen Kosmologiepreis.
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