Wie entstehen Magnetare?
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astrophysik astronews.com
20. März 2020
Magnetare sind Neutronensterne mit den stärksten
Magnetfeldern, die im Universum gemessen werden. Doch wie entstehen sie? Neue
Simulationen zeigen, dass sich diese gigantischen Felder durch Verstärkung
anfänglich vorhandener, schwacher Felder erklären lassen, wenn die
Neutronensterne schnell rotieren. Die Ergebnisse könnten auch helfen, gewaltige
Sternexplosionen besser zu verstehen.
Magnetare, hier ein künstlerische
Darstellung, sind Neutronensterne mit einem
extremen Magnetfeld.
Bild: NASA/Goddard Space Flight Center
Conceptual Image Lab [Großansicht] |
Neutronensterne sind extrem kompakte und extrem dichte "Sternleichen", die
zwischen einer und zwei Sonnenmassen in einem Radius von etwa zwölf Kilometern
vereinen. Magnetare bilden eine spezielle Klasse dieser Sterne, die sich durch
starke Ausbrüche von Röntgen- und Gammastrahlen auszeichnen. Die Energie für
diese Strahlungsausbrüche stammt wahrscheinlich von ultrastarken Magnetfeldern.
Aufgrund einer starken magnetischen Abbremsung sollten Magnetare ihre
Rotation deutlich schneller verlangsamen als andere Neutronensterne; Messungen
der Veränderung ihrer Rotationsperiode bestätigen dieses Szenario. Man kann
deshalb schlussfolgern, dass Magnetare ein Dipol-Magnetfeld in der Größenordnung
von 1015 Gauss haben, d. h. bis zu 1000 Mal stärker als typische
Neutronensterne.
Doch auch wenn die Existenz dieser enormen Magnetfelder inzwischen gut
bekannt ist, bleibt ihr Ursprung umstritten. Wie entstehen sie? Neutronensterne
bilden sich normalerweise, wenn der Eisenkern eines massereichen Sterns mit mehr
als neun Sonnenmassen kollabiert - die äußeren Schichten des Sterns werden dabei
in einer gigantischen Explosion, einer sogenannten Kernkollaps-Supernova, in den
interstellaren Raum ausgestoßen. Einige Theorien gehen daher davon aus, dass
Neutronensterne und Magnetare ihre Magnetfelder von ihren Vorgängersternen
vererbt bekommen und somit die Felder vollständig durch die Magnetisierung des
Eisenkerns vor dem Kollaps bestimmt sein könnten.
Das Problem bei dieser Hypothese ist jedoch, dass starke Magnetfelder in den
Sternen die Rotation des Sternkerns stark verlangsamen können und die daraus
entstandenen Neutronensterne dann nur langsam rotieren würden. "Wir könnten
damit die enormen Energien von Hypernova-Explosionen und von langen
Gammastrahlenblitzen nicht erklären, bei denen schnell rotierende
Neutronensterne oder schnell rotierende Schwarze Löcher als zentrale Quellen der
riesigen Energiemengen gelten", erklärt Teammitglied H.-Thomas Janka vom
Max-Planck-Institut für Astrophysik. Ein alternativer Mechanismus, bei dem die
extremen Magnetfelder während der Entstehung des Neutronensterns selbst erzeugt
werden können, erscheint daher wahrscheinlicher.
In den ersten Sekunden nach dem Kernkollaps des Sterns kühlt der neugeborene,
heiße Neutronenstern ab, indem er Neutrinos emittiert. Diese Kühlung löst im
Innern starke konvektive Massenströme aus, ähnlich dem Sprudeln von kochendem
Wasser. Solche heftigen Bewegungen der Materie könnten ein bereits bestehendes,
schwaches Magnetfeld verstärken. Dieser Feld-verstärkende Effekt ist
beispielsweise aus dem flüssigen Eisenkern der Erde oder der konvektiven Hülle
der Sonne bekannt und wird als "Dynamo"-Effekt bezeichnet.
Um diese Möglichkeit für Neutronensterne zu testen, simulierte das
Forscherteam die Konvektion in einem neugeborenen, sehr heißen und schnell
rotierenden Neutronenstern mit der Hilfe von Supercomputern. Tatsächlich fanden
die Wissenschaftler durch ihren neuen Modellierungsansatz, der detaillierter und
genauer ist als alle früheren, dass anfangs schwache Magnetfelder bis zu Werten
von 1016 Gauss verstärkt werden können, wenn die Rotation des
Neutronensterns ausreichend schnell ist. "Unsere Modelle zeigen, dass
Rotationsperioden unter etwa acht Millisekunden entscheidend für die Erzeugung
solch enormer Feldstärken sind", bestätigt Raphaël Raynaud vom CEA in Saclay.
"Wir sehen dann eine zweite Phase der Feldverstärkung, die nicht auftritt, wenn
sich die Neutronensterne langsamer drehen."
Zusätzlich zu den neuen Einsichten in die Entstehung von Magnetaren in
unserer Galaxie, öffnen diese Ergebnisse auch neue Wege, um die stärksten und
leuchtkräftigsten Explosionen massereicher Sterne im Universum besser zu
verstehen. So strahlen beispielsweise sogenannte "superhelle Supernovae"
hundertmal mehr Licht aus als gewöhnliche Supernovae, und die als Hypernovae
bezeichneten Sternexplosionen besitzen eine zehnfach höhere kinetische Energie
und gehen manchmal auch mit einem Gammastrahlenblitz von mehreren zehn Sekunden
Dauer einher.
Für diese außergewöhnlichen Explosionen muss man sich Prozesse vorstellen,
die weit extremer als die normalen Vorgänge sind und einer "zentralen Maschine"
enorme Energiemengen entziehen müssen. Das "Millisekunden-Magnetar"-Szenario ist
derzeit eines der vielversprechendsten Modelle für die zentrale Maschine solcher
Extremereignisse. Dabei liefert die Rotationsenergie des schnell rotierenden
Neutronensterns das zusätzliche Energiereservoir, das die Leistung der Explosion
erhöht. Durch das gigantisch starke magnetische Dipolfeld kann die
Rotationsenergie des Neutronensterns sehr effizient auf die Explosion übertragen
werden.
"Damit dieser Mechanismus so funktioniert, muss die Feldstärke in der
Größenordnung von 1015 Gauss liegen", erklärt Jerome Guilet vom CEA
in Saclay. "Dies entspricht den Werten, die von konvektiven Dynamos für
Rotationsperioden im Millisekundenbereich erreicht werden". Die größte Schwäche
des Millisekunden-Magnetar-Szenarios war bisher die Ad-hoc-Annahme eines extrem
starken Magnetfeldes, unabhängig von der schnellen Rotation des Neutronensterns.
Die jetzt erzielten Ergebnisse liefern somit theoretischen Rückenwind für das
Szenario einer zentralen Maschine als Antrieb der stärksten Sternexplosionen,
die im Universum beobachtet werden.
Die Ergebnisse werden in der Fachzeitschrift Science Advances veröffentlicht.
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