Höherer Wert für die Hubble-Konstante
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astrophysik astronews.com
13. September 2019
Der Wert der Hubble-Konstante, also die aktuelle
Expansionsrate des Universums, galt eigentlich schon als sicher bestimmt. Doch
dann zeigten sich signifikante Unterschiede zwischen Messverfahren, die
eigentlich das gleiche Ergebnis liefern sollten. Auch eine neue Bestimmung
mithilfe von Gravitationslinsen lieferte jetzt einen Wert, der höher ist als aus
der Hintergrundstrahlung zu erwarten wäre.
Bild von einer der in der Studie
verwendeten Gravitationslinsen.
Bild: MPA [Großansicht] |
Die heutige Expansionsrate des Universums wird durch die sogenannte
Hubble-Konstante beschrieben; allerdings liefern verschiedene Techniken
inkonsistente Ergebnisse, wie schnell sich unser Universum tatsächlich ausdehnt.
Ein internationales Team unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für
Astrophysik (MPA) hat nun zwei Gravitationslinsen als neue Werkzeuge eingesetzt,
um die Entfernungen zu Hunderten von beobachteten Supernovae zu kalibrieren, und
damit einen relativ hohen Wert für die Hubble-Konstante gemessen. Während die
Unsicherheit noch relativ groß ist, ist dieser Wert höher als der auf Basis des
kosmischen Mikrowellenhintergrundes.
Gravitationslinsen erklären sich durch den Sachverhalt, dass Licht von großen
Massen im Universum abgelenkt wird, so wie eine Glaslinse auf der Erde
Lichtstrahlen biegt. In den letzten Jahren haben Kosmologen diesen Effekt
zunehmend genutzt, um Entfernungen zu messen. Sie nutzten dabei die Tatsache
aus, dass ein Beobachter bei einem Mehrfachbildsystem die Photonen der
verschiedenen Bilder aus verschiedenen Richtungen aufgrund der unterschiedlichen
optischen Weglängen zu unterschiedlichen Zeiten sieht. Diese Messung ergibt eine
physikalische Größe der Linse, und der Vergleich mit der beobachteten Größe am
Himmel ergibt eine geometrische Entfernungsschätzung, die als
"Winkelabstandsmessung" bezeichnet wird.
Solche Entfernungsmessungen in der Astronomie sind die Grundlage für die
Messung der Hubble-Konstante, benannt nach dem Astronomen Edwin Hubble, der eine
lineare Beziehung zwischen den Rotverschiebungen (und damit der
Expansionsgeschwindigkeit des Universums) und den Entfernungen von Galaxien fand
(ein Zusammenhang, der auch von Georges Lemaître unabhängig entdeckt wurde). "Es
gibt mehrere Möglichkeiten, Entfernungen im Universum zu messen, basierend auf
unserem Wissen über das Objekt, dessen Entfernung gemessen wird", erklärt Sherry
Suyu vom MPA und der Technischen Universität München, eine Expertin für die
Nutzung von Gravitationslinsen zur Bestimmung der Hubble-Konstante. "Eine
bekannte Technik ist die Bestimmung der Entfernung aufgrund der Leuchtkraft von
Supernova-Explosionen, allerdings brauchen diese eine externe Kalibrierung der
absoluten Entfernungsskala. Mit unserer Analyse von Gravitationslinsensystemen
können wir einen völlig neuen, unabhängigen Anker für diese Methode liefern."
Das Team verwendete für die jetzt vorgestellte Untersuchung zwei starke
Gravitationslinsensysteme B1608+656 und RXJ1131. In jedem dieser Systeme gibt es
vier Bilder einer Hintergrundgalaxie, wobei eine oder zwei Vordergrundgalaxien
als Linsen dienen. Diese relativ einfache Konfiguration ermöglichte es den
Wissenschaftlern, ein genaues Linsenmodell zu erstellen und so die
Winkelabstände mit einer Genauigkeit von 12 bis 20 Prozent pro System zu messen.
Diese Abstände wurden dann als Anker für 740 Supernovae in einem öffentlichen
Katalog (der Datensatz der Joint Light-curve Analysis) verwendet.
"Aufgrund ihres Aufbaus ist unsere Methode unempfindlich gegenüber den
Details des angenommenen kosmologischen Modells", sagt Inh Jee vom MPA, die die
statistische Analyse durchgeführt und die Supernova-Daten mit den
Linsenabständen kombiniert hat. "Wir erhalten ein ziemlich hohes Ergebnis für
die Hubble-Konstante, aber auch wenn unsere Messung noch eine größere
Unsicherheit hat als andere direkte Methoden, wird dies von der statistischen
Unsicherheit dominiert, da wir nur zwei Linsensysteme verwenden."
Der Wert für die Hubble-Konstante basierend auf dieser neuen Analyse liegt
bei 82 plusminus 8 km/s/Mpc. Dies steht im Einklang mit Werten, die mit der
Entfernungs-Leiter-Methode und Supernova-Daten bestimmt wurden, sowie mit Werten
auf Basis anderer Gravitationslinsen-Systeme, welche direkt aus der sogenannten
Zeitverzögerungsentfernung weiterer Gravitationslinsen-Systeme bestimmt wurden.
"Diese neue Messung bestätigt, dass es einen systematischen Unterschied
zwischen den direkt aus dem Abstand zu lokalen oder mittelweiten Quellen
gewonnenen und den indirekt aus der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung
abgeleiteten Werten für die Hubble-Konstante zu geben scheint", erklärt Eiichiro
Komatsu, Direktor am MPA, der dieses Projekt leitete. "Wenn weitere Messungen
dies bestätigen, würde diese Diskrepanz eine Revision des Standardmodells der
Kosmologie erfordern."
Über ihr Untersuchung berichten die Forscher in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Science erschienen ist.
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