Hubble-Konstante unabhängig gemessen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astrophysik astronews.com
27. Januar 2017
Mithilfe von Gravitationslinsen haben Astronomen die
Expansionsrate des Universums neu und unabhängig vermessen. Der ermittelte Wert
steht dabei im Einklang mit früheren Messungen, passt allerdings nicht für das frühe
Universum. Dies könnte auf ein grundsätzliches Problem bei unserem Verständnis
des Kosmos hindeuten.
Das System HE0435-1223 befindet sich in der
Mitte dieser Aufnahme. Es gehört zu den fünf
besten Linsenquasaren, die bisher entdeckt
wurden. Die Vordergrundgalaxie erzeugt vier
nahezu gleichmäßig verteilte Bilder des
entfernten Quasars.
Bild: ESA/Hubble, NASA, Suyu et al. [Großansicht] |
Die Hubble-Konstante, also die Geschwindigkeit mit der das Universum
expandiert, ist eine der grundlegenden Größen, die unser Universum beschreiben.
Eine Gruppe von Astronomen aus der sogenannten H0LiCOW-Kooperation nutzte das
Weltraumteleskop Hubble und weitere Teleskope im All und auf der Erde,
um fünf Galaxien zu beobachten und diese für eine unabhängige Messung der
Hubble-Konstante zu nutzen.
Die neue Messung ist völlig unabhängig von - aber in ausgezeichneter
Übereinstimmung mit - anderen Messungen der Hubble-Konstante im lokalen
Universum, die sogenannte Cepheiden und Supernovae als Referenzpunkte
verwendeten. Angeführt wird das Konsortium von Sherry Suyu, die kürzlich vom
Institute of Astronomy and Astrophysics der Academia Sinica in
Taipeh an das Max-Planck-Institut für Astrophysik nach Garching und die
Technischen Universität München wechselte.
Der von Suyu und ihrem Team gemessene Wert sowie die mit Cepheiden und
Supernovae gemessenen Werte unterscheiden sich jedoch von der Messung des
Planck-Satelliten. Dieser allerdings hat die Hubble-Konstante für das frühe Universum durch Beobachtung des
kosmischen Mikrowellenhintergrunds gemessen. Während der Planck-Wert für die
Hubble-Konstante mit unserem gegenwärtigen Verständnis des Kosmos übereinstimmt,
stehen die Werte, die die Astronomen für das lokale Universum erhalten haben, im
Widerspruch zum akzeptierten theoretischen Modell des Universums.
"Wir schaffen es inzwischen, die Expansionsrate des Universums in
unterschiedlicher Weise mit einer solch hohen Genauigkeit zu messen, dass dabei
auftretende Diskrepanzen möglicherweise auf eine neue Physik hinweisen, die über
unsere gegenwärtige Kenntnis des Universums hinausgeht", erläutert Suyu.
Die Ziele der Studie waren massereiche Galaxien zwischen den Beobachtern auf der
Erde und sehr entfernten Quasaren - unglaublich leuchtkräftigen Galaxienkernen.
Das Licht der Quasare wird durch die als starke Gravitationslinse wirkende,
riesige Masse der Galaxie gebeugt - ein Vorgang, den der Schweizer Astronom
Fritz Zwicky bereits vor 80 Jahren vorhersagte. Dies erzeugt mehrere Bilder des
Hintergrund-Quasars, einige werden zu Bögen verzerrt.
Da die Galaxien aber keine perfekt sphärischen Verzerrungen im Raum erzeugen und
außerdem die Linsengalaxien und Quasare nicht perfekt hintereinander
ausgerichtet sind, legt das Licht der verschiedenen Bilder des
Hintergrundquasars etwas unterschiedliche Wege zurück, die auch unterschiedliche
Längen aufweisen. Die Helligkeit von Quasaren ändert sich mit der Zeit und so
können die Astronomen sehen, dass die verschiedenen Bilder zu unterschiedlichen
Zeiten aufflackern. Die Verzögerungen dazwischen sind dabei abhängig von der
zurückgelegten Weglänge des Lichts und stehen in direktem Zusammenhang mit dem
Wert der Hubble-Konstante.
"Unsere Methode ist die einfachste und direkteste Methode, um die
Hubble-Konstante zu messen, da sie nur Geometrie und Relativitätstheorie
verwendet, keine weiteren Annahmen", erklärt Frédéric Courbin von der École polytechnique fédérale de Lausanne. Die genauen Messungen der Zeitverzögerungen zwischen den einzelnen
Bildern sowie Computermodelle erlaubten es dem Team die Hubble-Konstante mit
beeindruckend hoher Präzision zu ermitteln: 3,8 Prozent.
"Dafür mussten wir in unserer
Analyse auch die Lichtablenkung durch alle anderen Galaxien in der Nähe der
Linsengalaxie einbeziehen," erklärt Stefan Hilbert vom Exzellenzcluster Universe.
"Eine genaue Messung der Hubble-Konstante ist heutzutage einer der begehrtesten
Preise in der kosmologischen Forschung", betont Teammitglied Vivien Bonvin aus
Lausanne. Und Suyu fügt hinzu: "Die Hubble-Konstante ist für die
moderne Astronomie von entscheidender Bedeutung, da sie bei der Beantwortung der
Frage hilft, ob unser Bild des Universums - bestehend aus Dunkler Energie, Dunkler Materie und normaler Materie - korrekt ist oder ob wir etwas
Grundsätzliches übersehen haben."
Der vom H0LiCOW-Team bestimmte Wert für
die Hubble-Konstante beträgt 71,9 plus/minus 2,7 Kilometer pro Sekunde pro Megaparsec.
Wissenschaftler konnten im Jahr 2016 mit dem Hubble-Weltraumteleskop einen Wert
von 73,24 plus/minus 1,74 Kilometer pro Sekunde pro Megaparsec messen. Der Planck-Satellit
bestimmte 2015 die Konstante mit der bisher höchsten Präzision und einem Wert
von 66,93 plus/minus 0,62 Kilometer pro Sekunde pro Megaparsec.
Über ihre Resultate berichten die Astronomen in mehreren Fachartikeln, die in
der Zeitschrift Monthly Notices of the Royal Astronomical Society
erschienen sind.
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