Expansion des Universums neu vermessen
von Stefan Deiters astronews.com
4. Oktober 2012
Astronomen haben mit Hilfe des Infrarotweltraumteleskops
Spitzer den bislang besten Wert für die Hubble-Konstante bestimmt. Sie ist
ein Maß für die Rate, mit der sich unser Universum ausdehnt. Die Genauigkeit des
Wertes hat sich - im Vergleich zu einer vorherigen Studie mit dem Weltraumteleskop Hubble
- um einen Faktor 3 verbessert.
Dank Spitzer ist die kosmologische
"Entfernungsleiter" wieder etwas genauer
geworden. Bild:
NASA / JPL-Caltech |
Die Hubble-Konstante ist nach Edwin Hubble benannt und damit nach dem Mann,
der in den 1920er Jahren mit seinen Beobachtungen ganz erheblich dazu
beitrug, dass sich unser Bild vom Universum entscheidend verändert hat:
Das Weltall ist nämlich nicht etwa statisch, sondern dehnt sich seit dem Urknall
vor rund 13,7 Milliarden Jahren beständig aus. Inzwischen hat man festgestellt, dass diese Expansion sich sogar beschleunigt. Für Kosmologen ist
die Messung der Expansionsrate somit von großer Bedeutung, um etwas über das Alter und
die Größe des Universums aussagen zu können.
Die heutige Expansionsrate des Universums wird durch die Hubble-Konstante
beschrieben. Um ihren Wert exakt bestimmen zu können, benötigt man vor allem
möglichst präzise Entfernungsangaben. Eine der primären wissenschaftlichen
Aufgaben des Weltraumteleskops Hubble war dann auch die
Entfernungsmessung von entfernten Galaxien, um so die Hubble-Konstante genauer
ermitteln zu können.
Das Weltraumteleskop Spitzer, das im Gegensatz zu Hubble im Infraroten
empfindlich ist, hat nun neue Daten geliefert, mit denen die Hubble-Konstante im
Vergleich zur entsprechenden Hubble-Studie noch einmal um einen Faktor 3 genauer bestimmt
werden konnte. Der neue Wert hat nur noch eine Unsicherheit von drei Prozent und
beträgt 74,3 plus/minus 2,1 Kilometer pro Sekunde pro Megaparsec. Ein Megaparsec
sind 3,26 Millionen Lichtjahre.
"Spitzer hat wieder einmal wissenschaftliche Untersuchungen gemacht, für die
das Teleskop eigentlich gar nicht konstruiert war", freut sich Michael Werner,
ein Projektwissenschaftler am Jet Propulsion Laboratory der NASA, der schon
seit über 30 Jahren mit Planung, Entwicklung und Betrieb des Infrarotteleskops
beschäftigt ist. "Erst hat uns Spitzer durch Untersuchungen der Atmosphären von
extrasolaren Planeten überrascht und jetzt wird das Teleskop auch noch zu einem
wichtigen Instrument für Kosmologie."
Die Wissenschaftler kombinierten ihren neuen Befund außerdem mit Daten
der Wilkinson Microwave Anisotropy Probe, um so die Dunkle Energie unabhängig
bestimmen zu können. Die Dunkle Energie wird von den Astronomen für die
beschleunigte Ausdehnung des Universums verantwortlich gemacht. Ihre Entdeckung
wurde im vergangenen Jahr mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.
"Das ist ein großes Rätsel", so Wendy Freedman von den Observatories of the
Carnegie Institution for Science, die Leiterin der jetzt vorgestellten Studie,
die auch in einem Fachartikel im Astrophysical Journal beschrieben wird. "Es ist
faszinierend, dass wir Spitzer nutzen konnten, um so fundamentale Probleme der
Kosmologie anzugehen: die präzise Rate, mit der sich das Universum gegenwärtig
ausdehnt und die Messung des Anteils der Dunklen Energie." Freedman war auch
Leiterin eines Teams, das zuvor die Hubble-Konstante mit dem Weltraumteleskop
Hubble bestimmt hatte.
Entscheidend für den Erfolg der Wissenschaftler war, dass Spitzer einen
besseren Blick auf eine bestimmte Art von veränderlichen Sternen, sogenannten Cepheiden, erlaubte, da Infrarotbeobachtungen nicht so sehr durch kosmischen
Staub beeinträchtigt werden. "Diese pulsierenden Sterne sind entscheidende
Sprossen auf der kosmischen Entfernungsleiter", erklärt Glenn Wahlgren,
Spitzer-Programmwissenschaftler am NASA-Hauptquartier in Washington.
Bei dieser "Entfernungsleiter" handelt es
sich im Prinzip um eine Reihe von Objekten, "deren Entfernung man genau kennt. Wenn
man diese mit der Geschwindigkeit kombiniert, mit der sie sich von uns
entfernen, erhält man die Expansionsrate des Universums."
Das Besondere an den Cepheiden ist, dass sich aus der Rate ihrer Pulsationen
direkt auf ihre Helligkeit schließen lässt. Kennt man aber die tatsächliche
Helligkeit eines Objektes, kann man aus seiner auf der Erde beobachteten
Helligkeit seine Entfernung errechnen. Mit Spitzer haben die Astronomen zehn Cepheiden in der Milchstraße und 80 in der Großen Magellanschen Wolke,
einer Satellitengalaxie der Milchstraße, beobachtet und konnten - ohne
Behinderung durch Staub - ihre Helligkeit sehr genau bestimmen.
Diese neuen Werte ermöglichten dann eine noch präzisere Berechnung der auf
Cepheidenbeobachtungen basierenden
Expansionsrate des Universums. "Noch vor etwas mehr als einem Jahrzehnt konnte
man die Worte 'Genauigkeit' und 'Kosmologie' nicht in einem Satz verwenden und
Größe und Alter des Universums waren nur bis auf einen Faktor zwei genau
bekannt", so Freedman. "Jetzt reden wir hier über eine Genauigkeit von wenigen
Prozent. Das ist schon recht beeindruckend."
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