Hubble-Konstante mit neuer Genauigkeit
von Stefan Deiters astronews.com
8. Mai 2009
Eine der wichtigsten kosmologischen Parameter ist die
aktuelle Ausdehnungsrate des Universums, die sogenannte Hubble-Konstante. Die
möglichst genau Messung war eines der Ziele des Hubble-Weltraumteleskops. Dank
neuer Beobachtungen konnten Astronomen den Wert nun genauer als bisher
festlegen, nämlich auf 74,2 Kilometer pro Sekunde pro Megaparsec. Der neue Wert
grenzt auch die Möglichkeiten weiter ein, um was es sich bei der mysteriösen
Dunklen Energie handeln könnte.

Eine der
beobachteten Galaxien: NGC 3021.
Bild: NASA, ESA und A. Riess (STScI/JHU)
[Großansicht] |
Die neuen Hubble-Messungen unter Leitung von Adam Riess vom
Space Telescope Science Institute und der Johns Hopkins University verschafften den
Astronomen eine genauere kosmische Entfernungsskala, mit deren Hilfe sie
Entfernungen auf einer Länge von einer Milliarde Lichtjahren präziser als zuvor
bestimmen können und damit auch die Expansionsrate des Universums.
Entfernungen im All ermitteln Astronomen mit Hilfe verschiedener Indikatoren.
Eine der wichtigsten Entfernungsindikatoren sind sogenannte Cepheiden,
pulsierende Sterne mit einer ganz besonderen Eigenschaft: Die Periode mit der
sie pulsieren hängt mit ihrer maximalen Leuchtkraft zusammen, so dass man daraus leicht
ihre Entfernung bestimmen kann. Außerdem nutzen Astronomen noch bestimmte Supernova-Explosionen
zur Entfernungsbestimmung. Diese sind meist noch in
größerer Entfernung zu entdecken und werden daher für die Abschätzung großer
Distanzen verwendet.
Durch die Beobachtung von Cepheiden in der Galaxie NGC 4258 konnte das Team
nun diese beiden wichtigen Entfernungsindikatoren gegeneinander abgleichen. Das
Team hat diese Sterne nämlich nicht nur in NGC 4258 beobachtet, sondern auch in
sechs anderen Galaxien, in denen sich in jüngsten Zeit Supernovae vom Typ Ia
ereignet hatten. Die Entfernung von NGC 4258 aber war bereits durch
Radiobeobachtungen recht genau bekannt.
Durch die Hubble-Messungen konnten nun systematische Fehler, die immer
passieren, wenn man mit verschiedenen Instrumenten beobachtet,
ausgebügelt werden. "In etwa ist das jetzt vergleichbar mit dem Messen der Höhe
eines Gebäudes mit einem sehr langen Maßband", erklärt Riess. "Das ist erheblich
genauer, als wenn man ein kurzes Lineal immer wieder neu anlegt. Je höher dabei
das Gebäude ist, desto größer wird der Fehler."
"Cepheiden sind das Rückgrat der Entfernungsskala, weil ihre leicht zu
beobachtende Pulsationsperiode direkt mit ihrer Helligkeit zusammenhängt",
ergänzt Lucas Macri, Professor für Physik und Astronomie an der Texas A&M
University. "Außerdem haben wir bei unseren Messungen die Cepheiden auch im
nahen Infraroten des Spektrums beobachtet, wo diese veränderlichen Sterne noch
bessere Entfernungsindikatoren sind. Das hat die Skala weiter verbessert."
Kenntnisse über die Geschichte der Expansion des Universums seit kurz nach
dem Urknall sind von entscheidender Bedeutung, um mehr über die Natur der
Dunklen Energie zu erfahren, die nach Ansicht der Astronomen für eine
beschleunigte Ausdehnung des Universums verantwortlich ist. Die frühesten Werte
liegen aus Messungen von Variationen im kosmischen Mikrowellenhintergrund vor.
Dank der neuen Hubble-Messungen konnte die Wissenschaftler nun neue Aussagen
über die Natur der Dunklen Energie machen: Sie ähnelt der von Einstein eingeführten, später
aber verworfenen kosmologischen Konstante.
"Wenn man alle Möglichkeiten, wie sich die Dunkle Energie von der
kosmologischen Konstante unterscheiden kann, in einen Kiste packt, dann wäre die
Kiste jetzt etwa dreimal kleiner als zuvor", vergleicht Riess. "Das ist schon
einmal ein Fortschritt, aber wir haben immer noch viel zu tun, bis wir die Natur
der Dunklen Energie entschlüsseln können."
Die kosmologische Konstante war erstmals von Einstein eingeführt worden, um
mit seinen Gleichungen ein statisches Universum zu erhalten, was damals Stand
der Forschung war. Mit Hubbles Entdeckung, dass das Weltall expandiert, war diese
Idee aber vom Tisch und Einstein bezeichnete die Einführung der Konstante als
seine größte Eselei. Sie erlebte allerdings eine unerwartete Renaissance als
man vor etwas mehr als einem Jahrzehnt entdeckte, dass sich das Universum durch
eine Dunkle Energie beschleunigt ausdehnt. Dies könnte man durch eine statische
kosmologische Konstante erklären - oder aber durch ein dynamisches Feld. Riess
und sein Team haben nun versucht, durch eine bessere Bestimmung der
Entwicklung der Expansionsrate des Universums auch einschränkende Kriterien für
die Natur der Dunklen Energie zu finden.
Noch bis in die 1990er Jahre gab es
zwei Lager, die ganz unterschiedliche Werte für die Hubble-Konstante vertraten:
Ein Lager favorisierte einen Wert um die 50 Kilometer pro Sekunde und Megaparsec,
das andere einen Wert von um die 80 und mehr. Ein Megaparsec sind eine Millionen Parsec, eine in der professionellen
Astronomie hauptsächlich verwendete Entfernungseinheit. Ein Parsec sind 3,26
Lichtjahre.
Durch das Hubble-Teleskop konnte dann zum Ende des Jahrhunderts der
Wert auf 72 festgelegt werden - mit einem Fehler von plus/minus 8. Der neue Wert
liegt bei 74,2 und ist mit einem Fehler von nur noch plus/minus 3,6 doppelt so
genau. Riess hofft für die Zukunft auf einen Wert mit einem Fehler von nicht
mehr als einem Prozent.
|