Universum expandiert schneller als erwartet
von Stefan Deiters astronews.com
3. Juni 2016
Die Entfernungsbestimmung im All ist noch immer ein
schwieriges Unterfangen: Mithilfe des Weltraumteleskops Hubble haben
Astronomen nun die Entfernung zu zahlreichen Galaxien mit bislang unerreichter
Genauigkeit ermittelt. So stellten sie fest, dass das Universum gegenwärtig
offenbar schneller expandiert als eigentlich erwartet.
UGC 9391 in etwa 130 Millionen Lichtjahren
Entfernung war eine der Galaxien, die die
Astronomen für ihre Studie nutzten: Mit Kreisen
markiert sind Cepheiden, das Kreuz zeigt die
Position einer Supernova vom Typ Ia.
Bild: NASA, ESA und A. Riess (STScI/JHU) [Großansicht] |
Das Universum dehnt sich offenbar fünf bis neun Prozent schneller aus, als
man zuvor berechnet hatte. Das ist das Ergebnis von neuen Beobachtungen mit dem
Weltraumteleskop Hubble, durch die die Entfernung zu zahlreichen
Galaxien genauer bestimmt werden konnte, als jemals zuvor.
"Dieser überraschende Fund könnte uns einen wichtigen Hinweis darauf geben,
um was es sich bei den mysteriösen Bestandteilen des Universums handelt, die 95
Prozent von allem ausmachen und kein Licht aussenden - wie Dunkle Energie,
Dunkle Materie und Dunkle Strahlung", so Adam Riess vom Space Telescope
Science Institute und der Johns Hopkins University. Riess, der die
aktuelle Untersuchung leitete, erhielt 2011 den Physik-Nobelpreis für die
Entdeckung der Dunklen Energie.
Eine mögliche Erklärung für die unerwartet schnelle Expansion des Universums
könnte, so die Forscher, eine neue Art von subatomaren Teilchen sein, die die
Energiebilanz im jungen Universum beeinflusst - die Dunkle Strahlung.
Die
Entdeckung machte das Team bei einer genauen Bestimmung der Hubble-Konstante,
die ein Maß für die Expansionsgeschwindigkeit des Universums darstellt. Diese
Hubble-Konstante bestimmten sie mit einer Ungenauigkeit von nur 2,4 Prozent -
auf 73,02 Kilometer pro Sekunde pro Megaparsec. Ein Megaparsec sind 3,26
Millionen Lichtjahre.
Das Problem ist nicht der neue Wert an sich, sondern die Tatsache, dass er
nicht zu der Expansionsgeschwindigkeit passt, die man für die Zeit direkt nach
dem Urknall ermittelt hat. Solche Messungen wurden etwa mithilfe der
Wilkinson Microwave Anisotropy Probe (WMAP) und dem Satelliten Planck
gemacht, die die Mikrowellen-Hintergrundstrahlung, also eine Art "Echo des
Urknalls", mit großer Präzision kartiert haben.
Der Vergleich der Werte nach dem Urknall mit den von Hubble für
unser aktuelles Universum bestimmten Werten lässt sich, so Riess, mit dem Bau
einer Brücke vergleichen: "Man beginnt an zwei Enden und in der Mitte, wenn alle
Konstruktionszeichnungen und Messungen korrekt waren, sollte man sich treffen.
Jetzt stellt sich heraus, dass sich beide Ende nicht wirklich in der Mitte
treffen und wir wollen wissen, warum das so ist."
Entfernungen im All ermitteln Astronomen mit Hilfe verschiedener
Entfernungsindikatoren, aus denen sich die sogenannte Entfernungsleiter bildet.
Eine der wichtigsten Entfernungsindikatoren sind Cepheiden,
pulsierende Sterne mit einer ganz besonderen Eigenschaft: Die Periode, mit der
sie pulsieren, hängt mit ihrer maximalen Leuchtkraft zusammen, so dass man daraus
leicht ihre Entfernung bestimmen kann. Außerdem nutzen Astronomen noch bestimmte
Supernova-Explosionen zur Entfernungsbestimmung. Diese sind meist noch in
größerer Entfernung zu entdecken und werden daher für die Abschätzung großer
Distanzen verwendet.
Für nahegelegene Objekte lässt sich die Entfernung zudem geometrisch mithilfe
ihrer Parallaxe bestimmen. Dank der Wide Field Camera 3 von Hubble
gelang es nun, die Entfernung von Cepheiden bis in eine bislang unerreichte
Distanz direkt durch ihre Parallaxe zu messen und auf diese Weise die Cepheiden als Entfernungsindikatoren noch gründlicher zu eichen.
In Galaxien, in denen sich sowohl Supernovae als auch Cepheiden finden
lassen, glichen die Astronomen dann diese beiden Entfernungsindikatoren
aneinander ab und bestimmten schließlich mit dieser so verbesserten
Entfernungsleiter die Entfernung von 300 entfernteren Supernova-Explosionen. Aus der
zugehörigen Rotverschiebung der entfernten Systeme, die sich durch die Expansion
des Universums erklärt, konnte dann die Hubble-Konstante neu berechnet werden.
Das Team hofft, die Hubble-Konstante bald mit einer Ungenauigkeit von nur
noch einem Prozent bestimmen zu können. Über ihre aktuellen Messungen berichten
sie in einem Fachartikel, der in der Zeitschrift The Astrophysical Journal
erschienen ist.
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