C-Klasse-Asteroiden poröser als angenommen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
16. Juli 2019
Ryugu und andere Asteroiden der häufig vorkommenden
"C-Klasse" bestehen aus poröserem Material als bisher angenommen. Kleine
Bruchstücke ihres Materials sind deshalb zu fragil, um bei einer Kollision mit
der Erde den Eintritt in die Atmosphäre zu überstehen. Die Forscher folgerten
dies aus Messungen, die der Lander MASCOT auf dem Asteroiden Ryugu gemacht hat.
Nahaufnahme des von MASCOT untersuchten
Steins auf Ryugu: Der gelbe Pfeil zeigt die
Beleuchtungsrichtung, die gepunktete Linie trennt
den beobachteten Stein vom Hintergrund. Das rot
eingefärbte Gebiet zeigt den Teil des Steins, in
dem vom Radiometer MARA die Oberflächentemperatur
gemessen wurde, die gestrichelte Line zeigt einen
Vorsprung im Stein. Der Maßstab in der Mitte des
Bildes zeigt die Dimensionen in dieser Entfernung
von der Kamera. Aufgenommen hat das Bild die
DLR-Kamera MASCAM auf MASCOT.
Bild: MASCOT / DLR / JAXA [Großansicht] |
Am 3. Oktober 2018 landete MASCOT (Mobile Asteroid Surface Scout) im Rahmen
der japanischen Hayabusa2-Mission auf dem knapp einen Kilometer großen
Asteroiden Ryugu und sendete spektakuläre Bilder und physikalische Messungen von
der Asteroidenoberfläche zur Erde. "Ryugu hat uns überrascht", sagt Dr. Matthias
Grott, wissenschaftlicher Leiter des Radiometerexperiments MARA vom DLR-Institut
für Planetenforschung in Berlin und Erstautor der Studie. "Wir sehen auf dem
Asteroiden ausschließlich größere Brocken, die hochporös und wahrscheinlich sehr
fragil sind."
Frühere teleskopische Infrarot-Aufnahmen solch kohlenstoffreicher Asteroiden
von der Erde aus interpretierten die Forscher in Hinblick auf ihre thermischen
Eigenschaften als Körper, die von sand- bis kieselgroßen Partikeln bedeckt sind.
Insgesamt haben neben den internationalen Partnern 21 DLR-Wissenschaftler aus
verschiedenen Instituten in Berlin, Bremen und Köln an der Studie mitgewirkt.
"MASCOT hat die breiten Kompetenzen des DLR in der Raumfahrtforschung
zusammengebracht von der Entwicklung, Erprobung und zuverlässigen Integration
bis zur Expertise in der wissenschaftlichen Erkundung des Sonnensystems", sagt
Prof. Hansjörg Dittus, DLR-Vorstand für Raumfahrtforschung und -technologie.
"Die ersten veröffentlichten Ergebnisse stellen dies eindrucksvoll unter
Beweis."
Bisher wurden auf der Erde nur wenige sogenannte chondritische Meteorite
gefunden, die als Bruchstücke zu den sehr häufig im Sonnensystem vorkommenden
C-Typ Asteroiden passen (das "C" steht für das chemische Symbol für das Element
Kohlenstoff). Chondren sind kleine, millimetergroße Gesteinskügelchen, die sich
im solaren Urnebel vor 4,5 Milliarden Jahren gebildet haben und als Urbausteine
der Planetenentstehung gelten. "Wir können nun bestätigen, dass Bruchstücke
dieser Asteroiden sehr wahrscheinlich beim Eintritt in die Erdatmosphäre weiter
zerfallen und in der Folge meist vollständig verglühen, so dass es nur die
größten Bruchstücke heil bis auf die Erdoberfläche schaffen", erklärt Grott.
"Das ist der Grund, warum Meteoritenfunde als Zeugen dieses Asteroidentyps auf
der Erde so selten sind."
Die ausgesprochen gute Nachricht: Dies bedeutet auch, dass die Erdatmosphäre
einen erhöhten Schutz der Erde vor den häufig vorkommenden C-Typ-Asteroiden
bietet, die immerhin 75 Prozent aller Asteroiden stellen. Ryugu selbst ist ein
C-Klasse-Asteroid, ein als kohlenstoffreich eingeschätzter Vertreter der
ältesten Körper des viereinhalb Milliarden Jahre alten Sonnensystems: ein
"Urbaustein" der Planetenentstehung und in diesem Falle auch einer von 17.000
bekannten erdbahnkreuzenden Asteroiden. Bis zu welcher Asteroidengröße dieser
Schutz wirksam ist, müssten aber weitere Forschungsarbeiten erst noch zeigen.
Das internationale Forscherteam um Dr. Matthias Grott hatte auf Ryugu während
dessen etwa siebeneinhalbstündigen Tagesganges das Ansteigen und Abfallen der
Oberflächentemperatur bestimmt, indem die von der Oberfläche bei Tag und Nacht
abgestrahlte Infrarotstrahlung mit dem Radiometer MARA gemessen wurde. Aus den
MARA-Messungen ließen sich die thermischen Eigenschaften sowie die Festigkeit
des Materials schlussfolgern. Die Daten von MASCOT wurden zur japanischen
Raumsonde Hayabusa2 übertragen. Dabei befand sich die Sonde in einer
Beobachterposition drei Kilometer über dem Asteroiden. Von dort wurden alle
Messungen und Betriebsdaten von MASCOT zur Erde übermittelt.
MASCOT landete am 3. Oktober 2018 im freien Fall mit Schrittgeschwindigkeit
auf Ryugu. Sechs Minuten nach dem Abtrennen von Hayabusa2 in 42 Meter
Höhe berührte das Landemodul am Ende einer ballistischen Flugbahn zum ersten Mal
den Boden des Asteroiden Ryugu und hüpfte mehrere Meter weiter, ehe das zehn
Kilogramm schwere Experimentenpaket zur Ruhe kam. Auf der Oberfläche bewegte
sich MASCOT mithilfe eines rotierenden Schwungarms fort. So konnte MASCOT auf
die "richtige" Seite gedreht werden und sogar Sprünge auf der
Asteroidenoberfläche vollführen. Insgesamt war MASCOT 17 Stunden auf Ryugu
aktiv, eine Stunde mehr, als vorausberechnet.
Ryugu hat nur ein 66.500stel der Anziehungskraft der Erde, sodass der kleine
Schwung hierfür ausreichte: Eine technische Innovation für eine ungewöhnliche
Form der Mobilität auf einer Asteroidenoberfläche. Aktuell dauert die Mission
Hayabusa2 am Asteroiden Ryugu noch bis Ende dieses Jahres an, mit dem
Ziel, Proben des Asteroidenmaterials bis Ende 2020 zur Erde zurück zu bringen.
Vor wenigen Tagen hatte Hayabusa2 zum zweiten Mal erfolgreich Proben
des Asteroiden genommen.
Hayabusa2 ist eine Weltraummission der japanischen Raumfahrtagentur JAXA zum
erdnahen Asteroiden Ryugu. Der deutsch-französische Lander MASCOT an Bord von
Hayabusa2 wurde vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in
enger Kooperation mit der französischen Raumfahrtagentur CNES (Centre National
d'Études Spatiales) entwickelt und gebaut. Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler in einem Fachartikel, der
jetzt in Nature Astronomy erschienen ist.
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