Kosmologisches Standardmodell bestätigt
von Stefan Deiters astronews.com
19. Juli 2018
Das Team der ESA-Mission Planck hat in dieser Woche
das finale Ergebnis der Messungen des Weltraumteleskops vorgestellt. Planck
hatte von 2009 bis 2013 äußerst präzise die kosmische Hintergrundstrahlung
erfasst. Die detaillierte Auswertung bestätigte nun die hohe Übereinstimmung der
Daten mit dem Standardmodell der Kosmologen. Kleine Ungereimtheiten bleiben
allerdings.
![Planck](../../../bilder/2018/1807-028.jpg)
Dieses Bild der winzigen
Temperaturunterschiede in der kosmischen
Hintergrundstrahlung basiert auf den finalen
Daten der Planck-Mission, die jetzt vorgestellt
wurden.
Bild: ESA / Planck Collaboration [Gesamtansicht] |
Das Weltraumteleskop Planck der europäischen Weltraumagentur ESA hat
von 2009 bis 2013 mit hoher Genauigkeit die kosmische Hintergrundstrahlung
vermessen - also jene Strahlung, die uns aus einer Zeit erreicht, in der das
Universum gerade einmal rund 380.000 Jahre alt war. Es handelt sich um eine
Strahlung im Mikrowellenbereich, die sich in jede Richtung messen lässt und sehr
gleichförmig ist.
Allerdings lassen sich, wenn man genau hinschaut, doch winzige Temperaturunterschiede
erkennen und genau diese erlauben Rückschlüsse auf die Entwicklung des
Universums - genauer: Aus ihnen lässt sich ablesen, ob die bisherigen
Vorstellungen der Kosmologen über die Entwicklung unseres Universums richtig
oder kompletter Blödsinn sind.
2013 wurden erste Ergebnisse der Mission präsentiert und schon damals sah es
gut aus für das kosmologische Standardmodell: Das Team sprach von einem fast
perfekten Universum - nur "fast perfekt", weil die Daten auf einige kleinere
Anomalien hinwiesen, die sich nicht mit dem Standardmodell vertrugen und die es
weiter zu erforschen galt.
Nun haben die an der Planck-Mission beteiligten Wissenschaftler ihre
endgültigen Schlussfolgerungen aus den Daten veröffentlicht; vorausgegangen war
eine gründliche Analyse der Messwerte. Das Ergebnis bestätigt das vorläufige
Resultat aus dem Jahr 2013, ist allerdings noch überzeugender: "Das ist das
wichtigste Erbe der Planck-Mission", unterstreicht Jan Tauber,
Planck-Projektwissenschaftler bei der ESA. "Bislang hat das Standardmodell
der Kosmologie alle Tests bestanden und Planck hat die Messungen
gemacht, die dies demonstrieren."
Das Standardmodell der Kosmologen basiert auf der Allgemeinen
Relativitätstheorie und beinhaltet zwei recht exotische Komponenten: Die Dunkle
Materie, die man nicht direkt beobachten kann und die sich nur durch ihre
Anziehungskraft auf sichtbare Materie bemerkbar macht und die Dunkle Energie,
die für eine beschleunigte Ausdehnung des Universums sorgt. Bislang weiß man
nicht, um was es sich bei diesen beiden Komponenten handelt.
Außerdem geht das Standardmodell davon aus, dass sich das Universum im ersten
Bruchteil einer Sekunde seiner Existenz mit extrem hoher Geschwindigkeit
ausgedehnt hat. Die Wissenschaftler nennen diese Phase "Inflation" und auch sie
wurde durch die Planck-Daten eindrucksvoll belegt. Während der
Inflation wurden bereits die Saatkörner für die großräumigen Strukturen gelegt,
die wir heute beobachten.
Planck hat nicht nur die Temperatur der kosmischen
Hintergrundstrahlung mit hoher Genauigkeit vermessen, sondern auch ihre
Polarisation, also praktisch die Schwingungsrichtung dieser Strahlung. Sie
verrät etwas über die letzten Wechselwirkungen zwischen Strahlung und Materie im
frühen Universum. Als man im Jahr 2015 eine weitere Auswertung der Daten
vorstellte, war die Analyse der Polarisationsdaten noch nicht so weit
fortgeschritten, dass man damit sichere kosmologische Aussagen machen konnte.
Das hat sich nun geändert: Sowohl die Temperatur als auch die Polarisation
der Strahlung ist nun präzise bestimmt. "Wir sind nun sicher, dass wir ein
kosmologisches Modell nur auf Grundlage der Temperaturdaten, der
Polarisationsdaten oder aus einer Kombination von Temperatur und Polarisation
bestimmen können", erklärt Reno Mandolesi, Mitglied des Planck-Teams
von der Universität im italienischen Ferrara. "Und sie passen alle zusammen."
Doch die Daten beinhalten ein Rätsel, für das es bislang noch keine
zufriedenstellende Lösung gibt - und dieses betrifft die sogenannte
Hubble-Konstante, die die Ausdehnungsrate des Universums angibt. Ihre möglichst
exakte Bestimmung war eine Hauptaufgabe des Weltraumteleskops Hubble.
Beobachtungen mit Hubble und anderen Teleskope liefern inzwischen einen
Wert von 73,5 km/s/Mpc mit einer Unsicherheit von nur zwei Prozent.
Die Hubble-Konstante lässt sich aber auch anders bestimmen, nämlich indem man
ein kosmologisches Modell an die gemessenen Werte der kosmischen
Hintergrundstrahlung anpasst und daraus die heutige zu messende Hubble-Konstante
ableitet. Mithilfe der Planck-Daten wurde eine solche Berechnung
vorgenommen - das Ergebnis: 67,4 km/s/Mpc mit einer Ungenauigkeit von weniger
als einem Prozent.
Die Werte liegen zwar recht nahe beieinander, jedoch nicht innerhalb der
jeweiligen Fehlergrenzen - und genau dies bereitet den Wissenschaftlern ein
Problem: Irgendwo muss in den Auswertungen ein unerkannter Fehler stecken - oder
aber die Diskrepanz ist ein Hinweis auf eine "neue Physik", die es noch zu
entdecken gilt. Leicht dürfte dies allerdings nicht werden, denn diese "neue
Physik" muss nicht nur die Diskrepanz bei den Werten der Hubble-Konstante
erklären, sondern auch mindestens genauso gut mit den übrigen Messungen von
Planck in Einklang zu bringen sein, die das Standardmodell ansonsten so
hervorragend bestätigen.
Die neuen Ergebnisse sind in einer Reihe von Artikeln in der Fachzeitschrift
Astronomy & Astrophysics veröffentlicht worden.
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