Erste wissenschaftliche Ergebnisse vorgestellt
Redaktion
/ Pressemitteilung der ESA astronews.com
12. Januar 2011
Auf einer Pressekonferenz in Paris wurden gestern die ersten wissenschaftlichen
Ergebnisse der ESA-Mission Planck vorgestellt. Im Fokus standen dabei
die kältesten Objekte im Universum, die sowohl in der Milchstraße als auch in
den weiten Fernen des Weltalls zu finden sind. Von zukünftigen Beobachtungen und
Auswertungen erhoffen sich die Forscher einen noch besseren Blick auf die
Anfangszeit des Universums.
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PLCK G214.6+37.0, einer der neu entdeckten
Galaxien-Superhaufen, die von Planck entdeckt
wurden (oben). Unten der Haufen in einer Aufnahme
des Röntgenteleskops XMM-Newton.
Bild: ESA/Planck Collaboration
(Planck), ESA (XMM-Newton)
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Wäre William Shakespeare ein zeitgenössischer Himmelsforscher, könnte
folgender Satz aus seiner Feder stammen: "Das ganze Universum ist Bühne
und alle Galaxien bloße Spieler." Der im Mai 2009 gestartete
ESA-Satellit Planck bietet den Astronomen neue Blickwinkel auf
Bühne und Darsteller und enthüllt das Schauspiel der Entwicklung unseres
Universums. Nach der ersten Publikation der von Planck
erstellten Gesamtaufnahme des Himmels durch die ESA im Juli letzten
Jahres (astronews.com berichtete) wurden nun die ersten
wissenschaftlichen Ergebnisse der Mission veröffentlicht - in insgesamt
25 bei der Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics
eingereichten Artikeln, die in dieser Woche auf einer Konferenz in Paris
vom Planck-Konsortium vorgestellt wurden.
Ein Großteil dieser Ergebnisse basiert auf dem Early Release Compact
Source Catalogue der Mission. Der Katalog umfasst Tausende von
Planck im Millimeter- und Submillimeterwellenlängenbereich
entdeckte extrem kalte Einzelquellen, die nun von den Wissenschaftlern
erforscht werden können. "Dies ist ein wichtiger Moment für Planck.
Bis jetzt drehte sich alles um das Sammeln von Daten und das Aufzeigen
ihres Potenzials. Jetzt endlich beginnen die Entdeckungen", so Jan
Tauber, ESA-Projektwissenschaftler für Planck.
Stellt man sich das Universum als eine Bühne vor, auf der das große
kosmische Schauspiel in drei Akten aufgeführt wird, können Teleskope im
sichtbaren Bereich des Lichts lediglich den letzten Akt sehen: das
komplexe Bild der uns umgebenden Galaxien. Aber durch Messungen in
Wellenlängen zwischen Infrarotstrahlung und Radiowellen ist Planck
in der Lage, die Zeit zurückzudrehen und uns die beiden ersten Akte zu
zeigen.
Die jetzt publizierten Ergebnisse enthalten bedeutende neue
Informationen über den "zweiten Akt", in dem sich die Galaxien
zusammenfügten. Planck fand Beweise für eine ansonsten
unsichtbare, vor Milliarden von Jahren in Staub gehüllte
Galaxienpopulation, die zehn- bis 1.000-mal schneller Sterne bildete,
als dies heute in unserer Galaxie der Fall ist. Zuvor waren noch nie
Messungen dieser Population in diesen Wellenlängen vorgenommen worden.
"Dies ist ein erster Schritt. Wir lernen gerade erst, wie wir diese
Daten verarbeiten müssen, um die meisten Informationen aus ihnen zu
gewinnen", so Jean-Loup Puget vom französischen Forschungszentrum (CNRS)
der Universität Paris Sud in Orsay.
Die Astronomen hoffen aber auch, dass ihnen Planck eines Tages
auch Einblicke in den ersten Akt der Entstehung des Universums erlauben
wird: die Bildung seiner ersten großen Strukturen, aus denen später die
Galaxien entstanden. Diese Strukturen werden mithilfe der kosmischen
Mikrowellen-Hintergrundstrahlung rekonstruiert, die 380.000 Jahre nach
dem Urknall emittiert wurde, als sich das Universum abkühlte. Um dies
richtig erkennen zu können, muss jedoch zuerst die Fülle an Emissionen
vordergründiger Quellen beseitigt werden, die das Gesamtbild
"verschmutzen". Dies umfasst die einzelnen Objekte, die in der
Erstveröffentlichung des Katalogs kompakter Quellen enthalten sind,
sowie verschiedene diffuse Emissionsquellen.
Das Team konnte aber bereits eine wichtige Etappe bei der Entfernung
dieser "Verschmutzung" bekanntgegeben. Die "anormale
Mikrowellenemission", ein diffuser Schein, der offenbar mit den
dichten, staubigen Regionen unserer Galaxie in Zusammenhang steht, gab
den Astronomen seit Jahrzehnten Rätsel auf. Die von Plancks
gelieferten Daten erhärten aber jetzt die Theorie, dass die Emission von
winzigen Staubpartikeln stammt, die sich durch Kollisionen mit sich
rasch bewegenden Atomen oder ultravioletter Strahlung Milliarden Male
pro Sekunden um sich selbst drehen. Diese neuen Erkenntnisse helfen, die
Planck-Daten mit größerer Genauigkeit von dem lokalen
"Mikrowellennebel" zu unterscheiden, so dass der kosmische
Mikrowellenhintergrund deutlicher sichtbar wird. "Dieses hervorragende
Ergebnis ist dank der außergewöhnlichen Qualität der Planck-Daten
möglich", so Clive Dickinson von der Universität Manchester in
Großbritannien.
Neben den zahlreichen anderen jetzt vorgestellten Ergebnissen hat
Planck auch neue Details über andere "Darsteller" auf der
kosmischen Bühne, die entfernten Galaxienhaufen, enthüllt. Diese sind in
den Planck-Daten als kompakte Silhouetten vor dem kosmischen
Mikrowellenhintergrund zu erkennen. Das Planck-Konsortium
konnte bisher 189 dieser Galaxienhaufen identifizieren, von denen 20
zuvor nicht bekannt waren. Ihre Existenz wurde durch das
Röntgenobservatorium der ESA, XMM-Newton, bestätigt.
Durch die Beobachtung des gesamten Himmels stehen die Chancen gut, dass
Planck die größten dieser Galaxienhaufen aufspürt. Sie sind
selten und ihre Anzahl ist ein Hinweis darauf, wie unser Universum
aufgebaut ist, wie schnell es expandiert und wie viel Materie in ihm
vorhanden ist. "Plancks Beobachtungen sind Wissensbausteine für
unser Verständnis des Universums", so Nabila Aghanim vom CNRS.
"Die aktuellen Ergebnisse sind nur die Spitze des Eisbergs. Dank des
Einsatzes aller Projektbeteiligten übertrifft Planck alle
Erwartungen", so David Southwood, ESA-Direktor für Wissenschaft und
robotische Exploration. "Zudem enthält der Katalog außer den heute
bekanntgegebenen Entdeckungen das Rohmaterial für zahlreiche weitere.
Und dabei sind wir noch nicht zum echten Schatz, dem kosmischen
Mikrowellenhintergrund selbst, vorgedrungen."
Planck wird das Universum auch weiter beobachten. Die nächste
Datenveröffentlichung ist für Januar 2013 geplant und wird den
kosmischen Mikrowellenhintergrund in bisher unerreichter
Detailgenauigkeit enthüllen – und damit den ersten Akt des kosmischen
Dramas und eine Abbildung der Geburtsstunde unseres Universums.
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