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Schon die Tatsache, dass unser Universum durch einen Urknall entstanden sein soll, ist für viele Menschen kaum vorstellbar. Doch das Bild der Kosmologen ist noch komplizierter: Innerhalb kürzester Zeit soll sich der Kosmos nämlich während einer sogenannten Inflationsphase enorm ausgebreitet haben. Jetzt glauben Astronomen, erstmals auf einen direkten Beweis für diese Inflation gestoßen zu sein.
Schon die Entstehung des Universums aus einem singulären Punkt erscheint vielen Menschen äußerst rätselhaft und unverständlich. Als die Theorie erstmals präsentiert wurde, waren selbst manche Wissenschaftler skeptisch - eine Tatsache, die sich bis heute in dem Fachbegriff widerspiegelt, der für den Anfang des Kosmos noch immer verwendet wird: So prägte der Urknall-Skeptiker Sir Fred Hoyle die Bezeichnung "Big Bang" oder "Urknall", um sich über die damals diskutierte Theorie lustig zu machen. Die Big-Bang-Theorie konnte sich jedoch - auch dank zahlreicher Beobachtungen - durchsetzen und gilt inzwischen als Standardmodell über die Entstehung des Kosmos. Doch mit dem Urknall waren nicht alle Probleme der Astronomen gelöst. Einige beobachtete Grundeigenschaften des Universums, wie etwa seine Homogenität und nicht nachweisbare Krümmung, waren mit der reinen Urknall-Theorie nicht so einfach in Einklang zu bringen. Als Lösung schlug der amerikanische Physiker Alan Guth im Jahr 1980 ein Konzept vor, das auf den ersten Blick willkürlich erscheinen mag, jedoch gleich mehrere Probleme des Urknall-Modells elegant löste: Guth postulierte, dass sich das Universum innerhalb der ersten Bruchteile einer Sekunde nach dem Urknall ungeheuer schnell ausgedehnt hat - mit einer Geschwindigkeit, die die des Lichts bei weitem übersteigt. Er nannte diese Phase "Inflation". Die Inflation wurde bald zum festen Bestandteil der kosmologischen Modelle. Allerdings fehlte bislang der direkte Beweis dafür, dass es diese Inflationsphase auch tatsächlich gegeben hat. Und genau einen solchen Beleg könnten Astronomen nun in der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung entdeckt haben. Die Beobachtungen liefern zudem einen Hinweis auf Spuren von Gravitationswellen in diesem "Echo des Urknalls".
"Die Entdeckung dieses Signals ist eines der wichtigsten Ziele der aktuellen kosmologischen Forschung. Es hat eine Menge Arbeit von vielen Menschen erfordert, zu diesem Punkt zu gelangen", so John Kovac vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics, einer von vier Leitern der BICEP2-Kollaboration. BICEP steht für "Background Imaging of Cosmic Extragalactic Polarization". Das Team nutzt für die Beobachtungen der kosmischen Hintergrundstrahlung ein Teleskop am Südpol und erfasst damit einen Bereich am Himmel, der etwa dem zwei- bis zehnfachen des Vollmonddurchmessers entspricht. In der Antarktis gibt es dank der kalten und trockenen Luft ideale Beobachtungsbedingungen. "Der Südpol ist der Ort auf der Erde, der dem Weltraum am ähnlichsten ist", so Kovac. "Es ist einer der trockensten und klarsten Regionen auf der Welt und damit perfekt geeignet, um die schwachen Mikrowellen vom Urknall zu beobachten." Die detaillierte Untersuchung der kosmischen Hintergrundstrahlung, die etwa 380.000 Jahre nach dem Urknall entstand, erlaubt den Wissenschaftlern Rückschlüsse auf die frühste Entwicklung des Kosmos. So konnte man in ihr etwa winzige Temperaturschwankungen feststellen, die sich wiederum mit minimalen Dichtefluktuationen in Verbindung bringen lassen. Diese dürften die Keimzellen von späteren Galaxien und Galaxienhaufen gewesen sein. Die Hintergrundstrahlung weist, genau wie das uns vertraute Licht, eine weitere, für die Untersuchung der Forscher sehr wichtige Eigenschaft auf: Sie kann polarisiert sein. Das Sonnenlicht beispielsweise wird durch Streuung in der Erdatmosphäre polarisiert, weshalb bestimmte Sonnenbrillen oder Polarisationsfilter den grellen Schein der Sonne reduzieren. Die Polarisation beschreibt im Prinzip die Ebene, in der eine Lichtwelle schwingt. Auch die kosmische Mikrowellenhintergrundstrahlung wurde durch Streuung polarisiert: "Unser Team hat nach einer bestimmten Art der Polarisation gesucht, die man als 'B-Moden' bezeichnet. Dies macht sich durch ein verschlungenes oder kräuseliges Muster in der Ausrichtung der Polarisation in diesem urzeitlichen Licht bemerkbar", erläutert Jamie Bock vom California Institute of Technology und dem Jet Propulsion Laboratory der NASA, ein weiterer Leiter des Teams. Gravitationswellen wurden erstmals von Albert Einstein vorhergesagt. Es handelt sich dabei um sich wellenartig ausbreitende Stauchungen und Streckungen des Raums, die bislang nur indirekt nachgewiesen werden konnten. Gravitationswellen können über zwei verschiedene Polarisationszustände verfügen. Die jetzt in der Hintergrundstrahlung entdeckten gekräuselten B-Moden seien, so die Forscher, daher eine eindeutige Signatur von Gravitationswellen aus der Inflationsphase. "Dies ist das erste direkte Bild von Gravitationswellen am primordialen Himmel", so Chao-Lin Kuo vom Stanford Linear Accelerator Center der Standord University, ein weiterer Leiter der Kollaboration. Das Signal der B-Moden-Polarisation in den Daten ist deutlich stärker, als von vielen Kosmologen erwartet worden war. Insgesamt drei Jahre haben die Forscher die Daten ausgewertet, um mögliche Fehlerquellen sicher ausschließen zu können. Sie überprüften auch, ob Staub in unserer Galaxie für die Resultate verantwortlich sein könnte, halten dies aber für sehr unwahrscheinlich. "Es war so, als würde man nach einer Nadel im Heuhaufen suchen, dann aber eine Brechstange finden", vergleicht der vierte Teamleiter Clem Pryke von der University of Minnesota. Die gestern vorgestellten Ergebnisse stießen natürlich auch bei Wissenschaftlern in Deutschland auf großes Interesse, insbesondere bei Gravitationswellenforschern. "Vorausgesetzt, dass die Ergebnisse noch von anderen Experimenten bestätigt werden, sind die BICEP-Beobachtungen eine tolle Nachricht", urteilt etwa Professor Karsten Danzmann, der Direktor des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut). "Mit der Messung der Signatur von Gravitationswellen in der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung haben unsere Kollegen den noch fehlenden Beweis für die Inflation des Universums gefunden. Die Beobachtungen zeigen, dass uns Gravitationswellen Informationen über das Universum liefern können, die auf anderem Weg nicht zu bekommen sind." Das Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik betreibt mit GEO600 einen eigenen Gravitationswellendetektor und ist an den Planungen für ein weltraumgestütztes Gravitationswellenobservatorium beteiligt. Trotz enormer Anstrengungen ist es den Forschern nämlich bislang nicht gelungen, eine Gravitationswelle auch direkt nachzuweisen.
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