Erster direkter Beweis für Inflation?
von Stefan Deiters astronews.com
18. März 2014
Schon die Tatsache, dass unser Universum durch einen Urknall
entstanden sein soll, ist für viele Menschen kaum vorstellbar. Doch das Bild der
Kosmologen ist noch komplizierter: Innerhalb kürzester Zeit soll sich der Kosmos
nämlich während einer sogenannten Inflationsphase enorm ausgebreitet haben.
Jetzt glauben Astronomen, erstmals auf einen direkten Beweis für diese Inflation
gestoßen zu sein.
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Das von
Gravitationswellen während der Inflationsphase
erzeugte Muster in der Polarisation der
kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung.
Bild: BICEP2 Collaboration
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Schon die Entstehung des Universums aus einem singulären Punkt erscheint
vielen Menschen äußerst rätselhaft und unverständlich. Als die Theorie
erstmals präsentiert wurde, waren selbst manche Wissenschaftler skeptisch - eine
Tatsache, die sich bis heute in dem Fachbegriff widerspiegelt, der für den
Anfang des Kosmos noch immer verwendet wird: So prägte der Urknall-Skeptiker Sir
Fred Hoyle die Bezeichnung "Big Bang" oder "Urknall", um sich über die damals
diskutierte Theorie lustig zu machen.
Die Big-Bang-Theorie konnte sich jedoch - auch dank zahlreicher Beobachtungen
- durchsetzen und gilt inzwischen als Standardmodell über die Entstehung des
Kosmos. Doch mit dem Urknall waren nicht alle Probleme der Astronomen gelöst.
Einige beobachtete Grundeigenschaften des Universums, wie etwa seine Homogenität
und nicht nachweisbare Krümmung, waren mit der reinen Urknall-Theorie nicht so
einfach in Einklang zu bringen.
Als Lösung schlug der amerikanische Physiker Alan Guth im Jahr 1980 ein
Konzept vor, das auf den ersten Blick willkürlich erscheinen mag, jedoch gleich
mehrere Probleme des Urknall-Modells elegant löste: Guth postulierte, dass sich
das Universum innerhalb der ersten Bruchteile einer Sekunde nach dem Urknall
ungeheuer schnell ausgedehnt hat - mit einer Geschwindigkeit, die die des Lichts
bei weitem übersteigt. Er nannte diese Phase "Inflation".
Die Inflation wurde bald zum festen Bestandteil der kosmologischen Modelle. Allerdings fehlte bislang der
direkte Beweis dafür, dass es diese Inflationsphase auch tatsächlich gegeben
hat. Und genau einen solchen Beleg könnten Astronomen nun in der kosmischen
Mikrowellenhintergrundstrahlung entdeckt haben. Die Beobachtungen liefern zudem
einen Hinweis auf Spuren von Gravitationswellen in diesem "Echo des Urknalls".
"Die Entdeckung dieses Signals ist eines der wichtigsten Ziele der
aktuellen kosmologischen Forschung. Es hat eine Menge Arbeit von vielen Menschen
erfordert, zu diesem Punkt zu gelangen", so John Kovac vom Harvard-Smithsonian
Center for Astrophysics, einer von vier Leitern der BICEP2-Kollaboration.
BICEP steht für "Background Imaging of Cosmic Extragalactic Polarization".
Das Team nutzt für die Beobachtungen der kosmischen Hintergrundstrahlung ein Teleskop am Südpol und erfasst damit einen Bereich am
Himmel, der etwa dem zwei- bis zehnfachen des Vollmonddurchmessers entspricht.
In der Antarktis gibt es dank der kalten und trockenen Luft ideale
Beobachtungsbedingungen. "Der Südpol ist der Ort auf der Erde, der dem Weltraum
am ähnlichsten ist", so Kovac. "Es ist einer der trockensten und klarsten
Regionen auf der Welt und damit perfekt geeignet, um die schwachen Mikrowellen
vom Urknall zu beobachten."
Die detaillierte Untersuchung der kosmischen Hintergrundstrahlung, die etwa
380.000 Jahre nach dem Urknall entstand, erlaubt den Wissenschaftlern
Rückschlüsse auf die frühste Entwicklung des Kosmos. So konnte man in ihr etwa
winzige Temperaturschwankungen feststellen, die sich wiederum mit minimalen
Dichtefluktuationen in Verbindung bringen lassen. Diese dürften die Keimzellen
von späteren Galaxien und Galaxienhaufen gewesen sein.
Die Hintergrundstrahlung weist, genau wie das uns vertraute Licht, eine
weitere, für die Untersuchung der Forscher sehr wichtige Eigenschaft auf: Sie
kann polarisiert sein. Das Sonnenlicht beispielsweise wird durch Streuung in der
Erdatmosphäre polarisiert, weshalb bestimmte Sonnenbrillen oder
Polarisationsfilter den grellen Schein der Sonne reduzieren. Die Polarisation
beschreibt im Prinzip die Ebene, in der eine Lichtwelle schwingt.
Auch die kosmische Mikrowellenhintergrundstrahlung wurde durch Streuung
polarisiert: "Unser Team hat nach einer bestimmten Art der Polarisation gesucht,
die man als 'B-Moden' bezeichnet. Dies macht sich durch ein verschlungenes oder kräuseliges Muster in der Ausrichtung der Polarisation in diesem urzeitlichen
Licht bemerkbar", erläutert Jamie Bock vom California Institute of
Technology und dem Jet Propulsion Laboratory der NASA, ein
weiterer Leiter des Teams.
Gravitationswellen wurden erstmals von Albert Einstein vorhergesagt.
Es handelt sich dabei um sich wellenartig ausbreitende Stauchungen und Streckungen des
Raums, die bislang nur indirekt nachgewiesen werden konnten. Gravitationswellen
können über zwei verschiedene Polarisationszustände verfügen. Die jetzt in der
Hintergrundstrahlung entdeckten gekräuselten B-Moden seien, so die Forscher,
daher eine eindeutige Signatur von Gravitationswellen aus der Inflationsphase. "Dies
ist das erste direkte Bild von Gravitationswellen am primordialen Himmel", so
Chao-Lin Kuo vom Stanford Linear Accelerator Center der Standord
University, ein weiterer Leiter der Kollaboration.
Das Signal der B-Moden-Polarisation in den Daten ist deutlich stärker, als
von vielen Kosmologen erwartet worden war. Insgesamt drei Jahre haben die
Forscher die Daten ausgewertet, um mögliche Fehlerquellen sicher ausschließen zu
können. Sie überprüften auch, ob Staub in unserer Galaxie für die Resultate
verantwortlich sein könnte, halten dies aber für sehr unwahrscheinlich. "Es war
so, als würde man nach einer Nadel im Heuhaufen suchen, dann aber eine
Brechstange finden", vergleicht der vierte Teamleiter Clem Pryke von der
University of Minnesota.
Die gestern vorgestellten Ergebnisse stießen natürlich auch bei
Wissenschaftlern in Deutschland auf großes Interesse, insbesondere bei
Gravitationswellenforschern. "Vorausgesetzt, dass die Ergebnisse noch von
anderen Experimenten bestätigt werden, sind die BICEP-Beobachtungen eine tolle
Nachricht", urteilt etwa Professor Karsten Danzmann, der Direktor des
Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut). "Mit der
Messung der Signatur von Gravitationswellen in der kosmischen
Mikrowellenhintergrundstrahlung haben unsere Kollegen den noch fehlenden Beweis
für die Inflation des Universums gefunden. Die Beobachtungen zeigen, dass uns
Gravitationswellen Informationen über das Universum liefern können, die auf
anderem Weg nicht zu bekommen sind."
Das Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik betreibt mit GEO600 einen
eigenen Gravitationswellendetektor und ist an den Planungen für ein
weltraumgestütztes Gravitationswellenobservatorium beteiligt. Trotz enormer
Anstrengungen ist es den Forschern nämlich bislang nicht gelungen, eine
Gravitationswelle auch direkt nachzuweisen.
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BICEP2, Hintergrundmaterial zu
den jetzt vorgestellten Ergebnissen
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