Die ersten Momente des Universums
von Stefan Deiters astronews.com
12. Juli 2013
Die Kosmologen Viatcheslav Mukhanov und Alexei Starobinsky
erhalten den diesjährigen Gruber Cosmology Prize. Mit der mit 500.000
US-Dollar dotierten Auszeichnung sollen die Verdienste der Wissenschaftler um
die Entwicklung des Inflationsmodells der modernen Kosmologie gewürdigt werden,
das für das heutige Verständnis des Universums elementar ist.
Die Grundlagen für das heutige Aussehen des
Universums wurden schon direkt nach dem Urknall
gelegt.
Bild: STScI / NASA |
Die Preisträger des diesjährigen Gruber-Kosmologie-Preises wurden gestern von
der Gruber Foundation und der Internationalen Astronomischen Union
(IAU) bekannt gegeben, die die Gruber Foundation bei der Auswahl der
Preisträger unterstützt. Viatcheslav Mukhanov und Alexei Starobinsky erhalten
den Gruber Cosmology Prize für ihre theoretischen Arbeiten, die "unser
Bild über die Anfänge des Universum und die Prozesse der Strukturbildung
entscheidend verändert haben", so die Würdigung der Preiskomitees.
Die beiden Wissenschaftler hätten "bedeutende Beiträge zum Inflationsmodell
der Kosmologie und der Theorie über kleinste Störungen im Gewebe der Raumzeit in
der inflationären Phase geliefert. Diese Theorie, die den Quantenursprung der
Struktur des Universums erklärt, stellt einer der spektakulärsten
Manifestationen der Gesetze der Quantenmechanik auf großen kosmologischen Skalen
dar."
Dank der Arbeiten der beiden Wissenschaftler, so die IAU in einer
Pressemitteilung, würde es heute überzeugende Antworten auf zwei entscheidende
Fragestellungen der Kosmologie geben: Warum ist die Struktur des Universum auf
großen Skalen so gleichförmig und wie konnte es zu den Abweichungen von dieser
Gleichförmigkeit kommen, die zur Entstehung von Galaxien, Sternen und Planeten
führten?
Mukhanov ist heute Lehrstuhlinhaber für Kosmologie an der
Ludwig-Maximilians-Universität München, Starobinsky arbeitet am Landau-Institut
für theoretische Physik in Moskau. Offiziell überreicht wird der Preis am 3.
September 2013 während der Konferenz COSMO 2013 am Stephen Hawking Centre
for Theoretical Cosmology im englischen Cambridge. Das Preisgeld von
500.000 US-Dollar werden sich beiden Wissenschaftler teilen.
Die Arbeit, die jetzt ausgezeichnet wurde, hat ihren Ursprung Ende der 1970er
und in den frühen 1980er Jahren. Die Entdeckung des kosmischen
Mikrowellenhintergrunds - eine Art "Echo des Urknalls" - im Jahr 1965 hatte das
Urknallmodell bestätigt und eine ganze Generation von Theoretikern inspiriert.
Zu diesen gehörte auch Starobinsky, der mithilfe der Quantenmechanik und der
allgemeinen Relativitätstheorie versuchte, hinter den Ursprung eines
expandierenden Universums zu kommen. Zwar gelang es ihm nicht, diese Frage zu
klären, doch deuteten seine Rechnungen aus den Jahren 1979 und 1980 darauf hin,
dass das Universum unmittelbar nach dem Urknall eine Phase mit einer extrem
schnellen Ausdehnung durchlaufen haben könnte.
Kurze Zeit später begann man sich an anderer Stelle mit den Auswirkungen von
Quantenfluktuationen in Starobinskys Modell zu beschäftigen. Einer der daran
beteiligten Forscher war Mukhanov. Solche winzigen Fluktuationen sollte es nach
Heisenbergs Unschärferelation überall im All geben. Die Wissenschaftler stellten
1981 fest, dass die von Starobinsky vorgeschlagene enorm schnelle Expansion des
Universum dafür sorgen könnte, dass diese winzigen Fluktuationen so gestreckt
werden, dass sie als "Saatkörner" für die großräumige Struktur dienen könnten,
die wir heute beobachten.
Für viele wirkten diese Ideen zunächst wie reine Science Fiction.
Niemand konnte sich vorstellen, dass winzige Quantenfluktuationen für riesige
Galaxien verantwortlich sein sollten. Doch bald entwickelte der amerikanische
Physiker Alan Guth eine Theorie, durch die er die beobachtete Gleichförmigkeit
des Universums erklären wollte. Kernpunkt war eine extrem schnelle Expansion des
jungen Universums während einer Phase, die er als "Inflation" bezeichnete.
Dank weiterer Arbeiten, etwa durch Andrei Linde, der zusammen mit Guth 2004
den Gruber Cosmology Prize erhielt, entwickelte sich das
Inflationsmodell zur inzwischen bevorzugten Beschreibung des jungen Universums.
Und obwohl Starobinsky ursprünglich ganz andere Ziele mit seiner Arbeit
verfolgte, lieferte er damit doch ein mathematisches Fundament für diese neue
Inflationstheorie, an deren Weiterentwicklung er sich - genauso wie Mukhanov -
in den folgenden Jahren auch selbst beteiligte.
Dank moderner Raumsonden lassen sich die kosmologischen Modelle heute mit
immer besseren Beobachtungsdaten vergleichen. Eine Vorhersage, die Starobinsky
bereits 1979 machte, ließ sich allerdings bis heute nicht verifizieren: Bei
einer extrem schnellen Ausdehnung des Universums sollten nämlich auch
Gravitationswellen entstehen, also jene Kräuselungen in der Raumzeit, deren
direkte Beobachtung noch immer nicht gelungen ist.
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