Einsteins Gravitationstheorie auf die Probe gestellt
Redaktion
/ Pressemitteilung der Universität Heidelberg astronews.com
5. März 2015
Die Auswertung der Daten des Satelliten Planck hat
gezeigt, dass das Standardmodell der Kosmologie noch immer eine sehr gute
Beschreibung des Universums ist. Kombiniert man die Daten jedoch mit anderen
astronomischen Beobachtungen, ergeben sich allerdings Abweichungen. Unklar ist,
ob diese auf eine neue Physik hindeuten könnten oder aber ob es sich um
Messfehler handelt.
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Planck hat den kosmischen
Mikrowellenhintergrund von 2009 bis 2013 exakt
vermessen. Bild:
ESA und die Planck-Kollaboration - D. Ducros [Gesamtansicht] |
Bei der Auswertung von Daten der Planck-Mission der europäischen
Raumfahrtagentur (ESA) haben Forscher unter Beteiligung von Physikern der
Universität Heidelberg neue Erkenntnisse zur Dunklen Energie und der
Gravitationstheorie gewonnen. Ihre Ergebnisse zeigen, dass das Standardmodell
der Kosmologie immer noch eine sehr gute Beschreibung des Universums ist.
Kombiniert man die von Planck gelieferten Daten jedoch mit anderen
astronomischen Beobachtungen, so ergeben sich einige Abweichungen. Ob diese
durch Messunsicherheiten oder durch bisher unentdeckte physikalische
Zusammenhänge zu erklären sind, die auch Einsteins Gravitationstheorie infrage
stellen würden, müssen weitere Untersuchungen zeigen. Die Auswertung der
Planck-Daten gibt somit wichtige Impulse für die Schwerpunkte zukünftiger
Weltraummissionen.
Der Satellit Planck hat von 2009 bis 2013 Messungen des
sogenannten kosmischen Mikrowellenhintergrundes durchgeführt. Dabei handelt es
sich um eine Strahlung, die vor etwa 13 Milliarden Jahren entstanden ist - etwa
380.000 Jahre nach dem Urknall. Aufgrund der Expansion des Universums ist dieses
Licht heute über den gesamten Himmel verteilt auf Mikrowellenlängen zu sehen.
Im Verlauf der Mission hat Planck mehrere komplette Himmelskarten
dieses urzeitlichen Lichtes in bisher unerreichter Genauigkeit erstellt. "Wenn
man die kosmische Mikrowellenstrahlung präzise misst, so finden sich in ihr
winzige Temperaturunterschiede. Auf einer Himmelskarte sehen diese
Temperaturschwankungen wie kleine Flecken aus: Jeder Fleck ist ein Gebiet mit
etwas höherer oder niedrigerer Temperatur", erklärt Dr. Valeria Pettorino aus
der Forschungsgruppe Kosmologie am Institut für Theoretische Physik der
Universität Heidelberg, die an einer jetzt veröffentlichten Studie zu den
Planck-Daten beteiligt war.
Nach bisherigen Erkenntnissen lässt sich das Universum in seiner Entwicklung
seit dem Urknall mit nur sechs Parametern relativ präzise beschreiben - mit dem
sogenannten Standardmodell der Kosmologie. Mit Hilfe der Temperaturdifferenzen
des kosmischen Mikrowellenhintergrundes können Wissenschaftler diese Parameter
recht genau bestimmen. Einer von ihnen beschreibt die sogenannte Dunkle Energie,
die rund 70 Prozent der Gesamtenergie des Universums ausmacht und für seine
beschleunigte Ausdehnung verantwortlich ist.
Die Erforschung der Dunklen Energie steht noch am Anfang - zwar zeigen die
Daten des kosmischen Mikrowellenhintergrundes, dass sie erforderlich ist, doch
es ist bisher noch unklar, woraus sie besteht. Die Planck-Forscher
haben mit den neuesten Daten des Satelliten nun verschiedene Theorien auf den
Prüfstand gestellt, die die Dunkle Energie einbeziehen und von einer
modifizierten Gravitation ausgehen – und damit von der Gravitationstheorie, wie
sie in Albert Einsteins Relativitätstheorie formuliert ist, abweichen.
Sie nutzten dazu ein breites Methodenspektrum und bezogen auch Daten aus
anderen Messungen ein. Diese umfassten unter anderem Baryonische Akustische
Oszillationen, das sind Dichtewellen aus dem frühen Universum, lokale Messungen
der Hubble-Konstante, die die Ausbreitungsrate des Universums zum heutigen
Zeitpunkt beschreibt, sowie eine bestimmte Gruppe von Supernovae, also explosiv
aufleuchtenden Sternen.
Aus den Planck-Daten konnten die Wissenschaftler ermitteln, wie viel
Dunkle Energie es in der Vergangenheit gegeben haben muss. "Überraschenderweise
war die Menge dieser 'Frühen Dunklen Energie' deutlich geringer, als wir
erwartet hatten: Bisher hat man angenommen, dass die Dunkle Energie maximal ein
Prozent der gesamten Energie zum Zeitpunkt der Freisetzung der
Mikrowellenhintergrundstrahlung ausmacht. Die neuen Planck-Ergebnisse zeigen
jedoch, dass es höchstens 0,4 Prozent gewesen sein können", erklärt Pettorino.
"Für die theoretischen Modelle der Dunklen Energie, die eine deutlich größere
Energiemenge für das frühe Universum vorhergesagt haben, ist das ein großes
Problem", ergänzt der Heidelberger Kollege Dr. Matteo Martinelli.
Darüber hinaus hat die Analyse der Planck-Daten gezeigt, dass sich
auch kleine Störungen der Schwerkraft selbst zeigen, die sich nicht ganz mit dem
Standardmodell der Kosmologie vereinbaren lassen. Auch wenn diese Abweichungen
nur gering sind und mit dem jeweils untersuchten Datensatz variieren, machen sie
weitere Tests und Untersuchungen mit anderen Datensätzen erforderlich.
"So könnten wir herausfinden, ob es sich tatsächlich um Abweichungen von
Einsteins Gravitationsgesetz handelt, die eine Neuformulierung erforderlich
machen würden", so Pettorino. Die Auswertungen seien damit richtungsweisend für
die kosmologische Forschung zu Dunkler Energie und Gravitation. Auch im Hinblick
auf kommende Satelliten-Missionen, etwa die von ESA und NASA für 2020 geplante
Mission Euclid, können sie wichtige Impulse geben. An dieser Mission
sind die astronomischen Institute der Universität Heidelberg ebenfalls wieder
maßgeblich beteiligt.
Über ihre Resultate berichten die Astronomen in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erscheinen soll.
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