Torpedo für Tauchfahrt auf Europa
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz
GmbH astronews.com
24. Mai 2016
Unter der eisigen Oberfläche des Jupitermonds Europa wird
ein Ozean aus Wasser vermutet, in dem es theoretisch lebensfreundliche
Bedingungen geben könnte. Doch wie soll man diese geheimnisvolle Welt unter dem
Eis erforschen? Im Rahmen des Projekts Europa-Explorer haben sich Experten
darüber Gedanken gemacht und nun das Ergebnis präsentiert.
Das Missionsszenario: Das IceShuttle bohrt
sich mit dem Unterwasserfahrzeug an Bord durch
die Eisdecke.
Bild: DFKI GmbH / Meltem Yilmaz[Großansicht] |
Unter einer mehrere Kilometer dicken Eisdecke wird auf dem Jupitermond Europa
ein tiefer Ozean vermutet, der die Grundlage für extraterrestrisches Leben
bieten könnte. Wie sich dieser Ozean erreichen und erforschen ließe, hat das
Robotics Innovation Center des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche
Intelligenz (DFKI) jetzt untersucht. Dafür entwickelten die Experten ein
autonomes Unterwasserfahrzeug, das durch eine Vielzahl unterschiedlicher
Sensoren sicher im Wasser navigieren kann, sowie ein "IceShuttle", das dem
Unterwasserfahrzeug als Transportmittel durch das Eis und Basisstation dient.
Ziel des Projekts Europa-Explorer war es, im Rahmen terrestrischer
Szenarien zu zeigen, dass ein "Roboterteam" Europa, den eisigen Mond des
Gasriesen Jupiter, autonom erkunden kann. Um sich ein Bild von den
Umgebungsbedingungen zu machen, wie sie auf, aber vor allem unter der lunaren
Oberfläche herrschen, griffen die DFKI- Wissenschaftler auf Daten des Göttinger
Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung unter anderem zu Temperatur,
Gravitation und Strömungen zurück.
Mutmaßlich befinden sich unter der Eisdecke des Mondes in rund 100 Kilometern
Wassertiefe Hydrothermalquellen, die durch das Spenden von Wärme und Mineralien
selbst an dunklen und kalten Orten Leben ermöglichen könnten. Um diese
aufzuspüren, muss ein Forschungsfahrzeug den Grund des Meeres erreichen und
zuvor den mächtigen Eispanzer auf der Oberfläche des Ozeans durchdringen.
Dies gelingt mit Hilfe eines Trägersystems, das sich durch die äußere
Eiskruste bohrt, und dem Fahrzeug anschließend als Basisstation und
Schnittstelle zu den Wissenschaftlern auf der Erde dient. Für dieses Szenario
haben die DFKI-Wissenschaftler das autonome Unterwasserfahrzeug Leng
und das "IceShuttle" Toredo entwickelt.
Leng wurde als Langstrecken-Explorationsfahrzeug konzipiert. Seine
Form ist speziell auf die Missionsanforderungen angepasst: ein möglichst
geringer Durchmesser, um in das "IceShuttle" zu passen, sowie eine
hydrodynamische Strömungshülle, um mit wenig Energieaufwand lange Strecken
zurücklegen zu können.
Beim "IceShuttle" Toredo handelt es sich um eine Schmelzsonde, die
das torpedoförmige Unterwasserfahrzeug mithilfe eines thermalen Bohrmechanismus
durch die Eisdecke transportiert. Um den Energieaufwand beim Bohren zu
minimieren, wird ein Bohrloch mit einem möglichst geringen Querschnitt
angestrebt, folglich muss auch das "IceShuttle" möglichst schmal sein.
Im Fokus des Projekts stand insbesondere die Navigationsfähigkeit des
Unterwasserfahrzeugs: Um sich präzise selbst lokalisieren zu können, ist
Leng mit einer Vielzahl unterschiedlicher Navigationssensoren ausgestattet.
Diese senden etwa Schallsignale aus, über die das Fahrzeug seine Position
ähnlich der GPS-Methode bestimmen kann.
Anhand seines Abstands und Blickwinkels auf einen bestimmten Punkt errechnet
das System seine Position und findet nach seinem Tauchgang eigenständig zur
Basisstation zurück, um die gesammelten Informationen über eine Schnittstelle an
das "IceShuttle" zu übermitteln und seine Energie aufzuladen. Dabei muss das
Roboterduo komplett ohne Steuerung von der Erde auskommen. Denn ein von dort
gesendetes Signal kommt mit 33 bis 53 Minuten Zeitverzögerung an – zu lang, um
spontan auf neue Situationen reagieren zu können.
Die einzigartige Laborlandschaft des DFKI mit seiner europaweit einmaligen
maritimen Explorationshalle ermöglichte es den Wissenschaftlern, die Systeme
komplett vor Ort zu entwickeln und zu testen. Missionsszenarien konnten in den
Testbecken unter realitätsnahen und kontrollierbaren Bedingungen simuliert und
Komponenten in der Druckkammer auf ihre Tiefseetauglichkeit überprüft werden.
Das Projekt, das am 30. April 2016 endete, wurde mit rund 1,5 Millionen Euro
vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit Mitteln des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie über eine Laufzeit von drei Jahren
und vier Monaten gefördert. In möglichen Folgeprojekten wollen die
Wissenschaftler die Funktionsfähigkeit der in Europa-Explorer
entwickelten Systeme auch jenseits der Labore in noch realistischeren
Umgebungen, wie der Arktis, testen.
Die Systeme werden vom 1. bis 4. Juni 2016
auf der ILA Berlin AIR Show im DLR Space Pavillon, Halle 4, ausgestellt.
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