Teleskop-Netzwerk hat Pulsare im Blick
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
15. April 2011
Astronomen haben mit dem neuen Radioteleskop-Netzwerk LOFAR die bislang
empfindlichsten Radiobeobachtungen von Pulsaren bei niedrigen Frequenzen
gemacht. Der Teleskopverbund erlaubt eine sehr detaillierte Untersuchung dieser
rotierenden Neutronensterne und knüpft in gewisser Weise an die ersten
Pulsarbeobachtungen in den 1960er Jahren an.
Die LOFAR-Station Effelsberg. Vorne das
Dipolfeld für niedrige Frequenzen (30-80 MHz oder
3.8-10 Meter Wellenlänge), hinten das
"Kachel"-Feld für höhere Frequenzen (110-240 MHz
oder 1.3-2.7 Meter Wellenlänge).
Bild:
MPIfR / Wolfgang Reich
Durch sein einzigartiges Design ermöglicht LOFAR
die gleichzeitige Erfassung der Radiostrahlung
aus unterschiedlichen Himmelsrichtungen. Für
dieses Bild wurden fünf über den ganzen Himmel
verteilte Pulsare mit LOFAR gleichzeitig
beobachtet. Bild:
Tom Hassall / U.Man. / ASTRON [Großansicht] |
Einem internationalen Astronomenteam unter Beteiligung von deutschen
Wissenschaftlern ist es gelungen, die bisher empfindlichsten
Radiobeobachtungen von Pulsaren bei niedriger Frequenz mit dem
europäischen Radioteleskop-Netzwerk LOFAR aufzunehmen. Bei Pulsaren
handelt es sich um extrem schnell rotierende Neutronensterne, die bei
der Explosion von sehr massereichen Sternen als Supernovae entstehen.
An diesem Projekt sind eine Reihe von Wissenschaftlern beteiligt, die im
deutschen Konsortium GLOW (German LOng Wavelength) organisiert sind.
Die Forschungsgruppe von Prof. Michael Kramer vom Bonner Max-Planck-Institut für
Radioastronomie beschäftigt sich dabei speziell mit der Untersuchung von
Pulsaren. Die Pulsarbeobachtungen stellen das erste Resultat von Studien mit
LOFAR dar, das jetzt in einer Fachzeitschrift, dem europäischen Journal
Astronomy & Astrophysics, erscheint.
Das europäische Niederfrequenz-Radioteleskop LOFAR ist das erste einer ganzen
Reihe neuartiger Radioteleskope, zur Erforschung des Universums bei den
niedrigsten Frequenzen, die überhaupt vom Erdboden aus zugänglich sind. Das
Auffinden von neuen Pulsaren und deren Erforschung bei niedrigen Frequenzen
stellen ein Schlüsselprojekt für die Wissenschaft mit LOFAR dar. "Wir kehren
hier zu den Radiofrequenzen zurück, bei denen die Pulsare ursprünglich in den
1960er Jahren entdeckt worden sind", erklärt Ben Stappers von der Universität
Manchester, der Erstautor der Veröffentlichung. "Jetzt verfügen wir aber mit
LOFAR über ein Teleskop, von dessen Möglichkeiten man sich damals nicht hätte
träumen lassen."
Die zufällige Auffindung des ersten Pulsars im Jahr 1967 ist eine der großen
Entdeckungen der Astronomie. Die Astronomen fanden die ersten Pulsarsignale mit
einem Radioteleskop bei der niedrigen Frequenz von 81 MHz, recht nahe zu den
Radiofrequenzen im UKW-Bereich. Mit LOFAR sind die Astronomen nun zum
Frequenzbereich der ersten Pulsarmessungen zurückgekehrt, dies jedoch mit
moderner Computertechnik, die eine Verbindung der Einzelteleskope über
Hochgeschwindigkeits-Glasfaserleitungen erlaubt, wodurch die Leistungsfähigkeit
der Teleskope um ein Vielfaches gesteigert wird.
So wird es mit LOFAR möglich, die Radiopulse im Detail zu untersuchen und
darüber hinaus Effekte der Gravitationsphysik und Eigenschaften des
interstellaren Mediums in unserer Milchstraße zu erforschen. "Auch wenn das erst
frühe Testergebnisse sind, so zeigen sie doch bereits die spektakulären
Möglichkeiten mit LOFAR auf", freut sich Stappers.
LOFAR besteht aus Tausenden kleinen Antennen, die über verschiedene Länder
Europas verteilt und mit Hochgeschwindigkeits-Internetleitungen miteinander
verbunden sind. Die Auswertung erfolgt über einen leistungsstarken Supercomputer
nahe der zentralen LOFAR-Station bei ASTRON in den Niederlanden. Die
LOFAR-Teleskope verfügen über keine beweglichen Teile; vielmehr erfolgt die
Ausrichtung am Himmel über digitale Zeitverzögerungsbausteine. Dadurch wird eine
wesentlich höhere Flexibilität in der Datenanalyse möglich, zum Beispiel können
ganz unterschiedliche Richtungen am Himmel gleichzeitig erfasst werden. Die
Möglichkeiten sind dabei nur durch die Rechenkapazität des Computers begrenzt.
Bei der Suche nach neuen Pulsaren wird dadurch ein wesentlich schnellere
Kartierung des Himmels möglich. "Die Abbildungsverfahren mit LOFAR unterscheiden
sich deutlich von denen mit klassischen Radioteleskopen", sagt Ralf-Jürgen
Dettmar, Professor an der Ruhr-Universität Bochum und Vorsitzender des deutschen
GLOW-Konsortiums. "Mit den klassischen Teleskopen können in kurzer Zeit nur
recht kleine Felder am Himmel erfasst werden, während LOFAR in gleicher Zeit
Schnappschüsse von ausgedehnten Regionen des Himmels ermöglicht und so die
Überwachung dieser Regionen zur Entdeckung von neuen Pulsaren und eventuell
anderer seltener Phänomene am Himmel gestattet."
Für die nächsten Schritte bei der Untersuchung von Pulsaren mit LOFAR möchte
das Forschungsteam die speziellen Fähigkeiten dieses Radioteleskops nutzen, um
dem Strahlungsmechanismus der Pulsare zu Leibe zu rücken und weiterhin auch
Pulsare zu entdecken, die bisherigen Suchprogrammen entgangen sind. "LOFAR ist
ein phantastisches Teleskop, um unsere bisherigen Beobachtungsinstrumente zur
Erforschung von Pulsaren bei langen Wellenlängen zu ergänzen", so Michael
Kramer, Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn. "LOFAR
verfügt über das Potential, eine große Anzahl bisher unentdeckter Pulsare in der
Nachbarschaft unserer Sonne aufzufinden, mit deren Hilfe wir den Nachweis von
Gravitationswellen erbringen möchten."
Mit LOFAR können Radiowellen über einen sehr ausgedehnten Frequenzbereich
erforscht werden, über mehr als eine Größenordnung von 10 bis 240 Megahertz.
Neben der Suche nach Pulsaren wird LOFAR zur Himmelskartierung im langwelligen
Radiobereich eingesetzt werden, weiterhin für kosmologische Fragestellungen, zur
Überwachung der Sonnenaktivität und zur Untersuchung von Planeten. LOFAR
fungiert darüber hinaus auch als Vorläuferprojekt für das Square Kilometre
Array (SKA), das geplante globale Radioteleskop der nächsten Generation.
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