Der Radiohimmel über der Eifel
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
18. Dezember 2009
Bonner Astronomen stellten jetzt die ersten Himmelskarten im Frequenzbereich
zwischen 110 und 190 MHz vor, die auf Beobachtungen mit den erst im Herbst
2009 aufgebauten "High-Band"-Antennen der deutschen LOFAR-Station in
Effelsberg basieren. Es waren die ersten wissenschaftlichen Resultate
überhaupt, die mit LOFAR-"High-Band"-Antennen gewonnen wurden.
Radiohimmel über Effelsberg, aufgenommen am
10. November 2009 mit der neu aufgebauten LOFAR-"Highband"-Station
in Effelsberg. Norden oben und Osten links.
Das Bild wurde bei einer Frequenz von 120 MHz
(bzw. 2,5 m Wellenlänge) aufgenommen. [Großansicht]
Filmsequenz, die die Änderungen im Bild des
Himmel über Effelsberg im Frequenzbereich von 35
bis 190 MHz zeigt.
Bilder: James Anderson, MPIfR |
Die jetzt vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn
vorgestellten Aufnahmen zeigen ein Bild des gesamten Himmels über der
Eifel am Nachmittag des 10. November 2009 von Effelsberg aus. Die zwei
hellen im Bild gelblich erscheinenden Flecke zeigen die beiden stärksten
Radioquellen am Himmel. Fast im Zentrum des Bildes liegt Cygnus A, eine
ausgedehnte Radiogalaxie, deren gewaltige Strahlung aus der direkten
Umgebung eines extrem massereichen Schwarzen Lochs im Zentrum der
Galaxie stammt, weiter oben links sieht man Cassiopeia A, den Überrest
einer Supernova-Explosion, die vor gut 300 Jahren in unserer Milchstraße
stattgefunden hat.
Die Ebene unser Milchstraße ist ebenfalls auf dem Bild zu sehen, als
schwachleuchtendes Band, das sich entlang der beiden starken Einzelquellen bis
über den unteren Bildrand hinaus erstreckt. Und bereits an der Grenze der
Sichtbarkeit liegt der "nordpolare Sporn", der Überrest einer lange vergangenen
Supernova-Explosion, der als ausgedehnte Radiowolke innerhalb unserer
Milchstraße erscheint. Man findet ihn im unteren rechten Teil des Bildes, vom
Band der Milchstraße aus Richtung westlicher Horizont.
"Wir haben dieses Bild aus einer einzigen "Belichtung" des Himmels von 60
Sekunden Dauer bei einer Frequenz von 120 MHz mit unseren
High-Band-LOFAR-Antennen in Effelsberg erhalten", sagt James Anderson,
Projektleiter der Effelsberger LOFAR-Station. "Die Fähigkeit, Karten des
gesamten Himmels innerhalb von Sekunden messen zu können, ist einzigartig und
stellt einen gewaltigen Fortschritt dar gegenüber vorhandenen Radioteleskopen,
die oftmals Wochen oder gar Monate benötigen, um eine Karte des gesamten Himmels
zu erstellen." Das Verfahren eröffnet aufregende Perspektiven zur Entdeckung und
Untersuchung von sehr schnell veränderlichen Phänomenen im Universum.
LOFAR, das "LOw Frequency ARray", ist ein neuartiges Radioteleskop-Netzwerk
mit einzelnen Stationen, die über zahlreiche Länder Europas verteilt sind. Es
arbeitet bei relativ niedrigen Radiofrequenzen, in einem Bereich zwischen 10 und
240 MHz. LOFAR benötigt keine beweglichen Teile mehr, um Objekte auf ihrer Bahn
am Himmel zu verfolgen. Es wird vielmehr digitale Elektronik dazu benutzt, die
aufgenommenen Signale zahlreicher kleiner Antennen derart miteinander zu
kombinieren, dass es einer elektronischen Nachführung der Quelle am Himmel
entspricht.
In einem bestimmten Beobachtungsprogramm können die Signale von allen
Einzelantennen auch zu Bildern des gesamten über dem Horizont sichtbaren Himmels
verbunden werden. Im Rahmen von LOFAR kommen zwei unterschiedlich konstruierte
Antennentypen zum Einsatz, die zur Beobachtung in zwei verschiedenen
Radio-Frequenzbändern optimiert sind, dem unteren Band ("low-band") von 10 bis
80 MHz und dem oberen Band ("high-band") von 110 bis 240 MHz. Kartierungen des
gesamten Himmels im unteren Frequenzband wurden bereits im Jahr 2007 aufgenommen
(astronews.com berichtete).
Die Forscher haben zusätzlich zu diesem ersten Bild mit der LOFAR-Station
Effelsberg bei 120 MHz eine ganze Reihe von Himmelsaufnahmen in
unterschiedlichen Frequenzen erzeugt. Sie erstrecken sich über einen größeren
Frequenzbereich im unteren und oberen Frequenzband von LOFAR und wurden zu einer
Filmsequenz zusammengestellt. Die Bildserie beginnt bei einer Frequenz von 35
MHz, wobei das nächste Bild jeweils bei 4 MHz höherer Frequenz liegt, bis zu
einer oberen Grenze von 190 MHz. Die Winkelauflösung des LOFAR-Teleskops
Effelsberg ändert sich mit zunehmender Frequenz. Sie beträgt 10 Grad bei 35 MHz,
und geht über 3,4 Grad bei 110 MHz bis zu 1,9 Grad bei 190 MHz (letzteres
entspricht dem vierfachen Durchmesser des Vollmonds am Himmel). Die Filmsequenz
zeigt diese Änderung sehr schön in der unterschiedlichen Ausdehnung der beiden
hellen Strahlungsquellen Cygnus A und Cassiopeia A.
Wissenschaftler vom MPIfR und von anderen Forschungsinstituten in Europa
werden solche Beobachtungen des gesamten Himmels dazu nutzen, die großräumige
Verteilung interstellarer Materie in unserer Milchstraße zu untersuchen. Der
niedrige Frequenzbereich, in dem LOFAR arbeitet, eignet sich ausgezeichnet zum
Nachweis niederenergetischer Elektronen in der kosmischen Strahlung der
Milchstraße, die über die Synchrotronstrahlung Stärke und Ausrichtung des
Magnetfelds der Milchstraße widerspiegeln.
Für eine Reihe von ausgedehnten Strukturen am Himmel, wie
Supernova-Überreste, Sternentstehungsregionen und sogar einige nahegelegene
Galaxien ermöglichen es die Messungen mit den Einzelantennen von individuellen
LOFAR-Stationen, genauere Information über die großräumige Strahlungsverteilung
in diesen Objekten zu erhalten. "Wir möchten die Fähigkeit von LOFAR, den
gesamten Himmel sehr schnell abbilden zu können, dazu nutzen, nach sehr schnell
veränderlichen Radioquellen, sogenannten 'transients', zu suchen", sagt Michael
Kramer, Direktor am MPIfR in Bonn. "Der Nachweis von weiteren Objekten dieser
Art könnte zu aufregenden Entdeckungen von neuen Arten astronomischer Objekte
führen, ähnlich wie bereits bei der Entdeckung der Pulsare und der Gammastrahl-Burster
in den vergangenen Jahrzehnten."
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