Kollidierende Galaxienhaufen entdeckt
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Jacobs University Bremen astronews.com
27. September 2010
Anhand von Radioteleskop-Daten entdeckte ein Forscherteam jetzt eine
gigantische Kollision zwischen zwei Galaxienhaufen. Die durch die
Kollision erzeugte Stoßwelle ist rund hundertmal so lang wie unsere
Milchstraße. In dieser Stoßwelle werden Teilchen auf extreme Energien
beschleunigt. Die Messung der Radiostrahlung, die in der Stoßwelle
erzeugt wird, beweist erstmals eine 30 Jahre alte theoretische
Vorhersage derartiger Prozesse.
Lichtbogen als Indiz für die gigantische
Kollision von zwei Galaxienhaufen im All:
Radioteleskopdaten zeigen die von dem mehrere
Millionen Grad heißen Gas des Galaxienhaufens
CIZAJ2242.8 5301 gebildete Röntgenstrahlung
(blau) und die von der Kollisionsstoßwelle
erzeugte Radioemission (rot).
Bild: idw / Jacobys University |
In neuen Beobachtungen mit Radioteleskopen in den Niederlanden, den USA
und Indien haben die Astronomen eine riesige, bogenförmige Radioquelle
in einem relativ unbekannten Galaxienhaufen mit dem Namen CIZAJ2242.8
5301 gefunden. "Als wir die bogenförmige Struktur sahen, war uns sofort
klar, dass wir auf etwas Besonderes gestoßen waren", sagt Marcus
Brüggen, Professor für Astrophysik an der Bremer Jacobs University.
Die Bilder zeigen, dass sich der Bogen über eine riesige Distanz von
sechs Millionen Lichtjahren erstreckt. "Der Bogen, der ist so hell, dass
er eigentlich schon früher hätte entdeckt werden müssen", kommentiert Reinout van Weeren, Erstautor der Studie und Doktorand an der
Universität Leiden, die spektakuläre Entdeckung. Ältere
Himmelskartierungen hatten diese Strahlenquelle zwar schon erfasst, aber
bis heute war sie niemandem aufgefallen. Die Beobachtungsergebnisse
erscheinen demnächst in der Fachzeitschrift Science.
Galaxienhaufen sind die größten Strukturen im Universum. Neben Galaxien
beinhalten sie eine enorme Menge dünnen Gases, das heißer ist als der
Kern der Sonne. Diese großen Haufen entstehen durch Kollisionen
kleinerer Strukturen. Eine mehr als 30 Jahre alte Theorie besagt, dass
Stoßwellen, die während dieser Kollisionen entstehen, Teilchen auf
enorme Energie beschleunigen. Diese wiederum erzeugen Radiostrahlung.
"Die Stoßwellen innerhalb von Galaxienhaufen sind mit dem Knall
vergleichbar, den ein Flugzeug beim Durchfliegen der Schallmauer
erzeugt", vergleicht Brüggen. "Nur erzeugt dieses Phänomen in dem Gas
zwischen den Galaxien ein Leuchten im Radioband."
Astronomen hatten bereits früher - wenn auch sehr unregelmäßige -
Radioemissionen von Galaxienhaufen beobachtet, ohne jedoch eine genaue
Erklärung für deren Entstehung zu haben. Simulationen dieses Phänomens
an Supercomputern, die Brüggen und der ehemalige Jacobs University-Astronom
Matthias Hoeft (heute bei der Thüringer Landessternwarte) auf der Basis
von bestehenden Theorien durchführten, hatten die Eigenschaften solcher
Radioemissionen vorhergesagt.
"Es ist schon bemerkenswert, wie exakt der jetzt aufgespürte Lichtbogen
unseren Voraussagen entspricht und somit eine absolut plausible
Erklärung für die Entstehung der beobachteten Radiostrahlenemissionen
liefert. Wir haben somit eine sehr gute neue Methode, die Entstehung von
Galaxienhaufen zu untersuchen", so Hoeft.
Die Entdeckung liefert auch eine mögliche Erklärung für den Ursprung
hochenergetischer Strahlung aus dem All, die die Erde erreicht. "Bis
heute war unklar, woher der Hauptanteil der kosmischen Strahlung
stammt, die wir hier auf der Erde messen. Einige Teilchen verfügen über
Energie, die millionenfach höher ist, als die, die der leistungsstärkste
Teilchenbeschleuniger der Welt, der LHC am CERN, erzeugen kann. In
unserer Galaxie gibt es sonst keine bekannte Quelle, die derart extreme
Energie produzieren kann", sagt Brüggen.
"Wir erwarten, in Zukunft hunderte von kollidierenden Clustern zu
finden, die Radiowellen abstrahlen. Bisher sind allerdings nur einige
wenige bekannt. Mit LOFAR, dem bald fertig gestellten größten und
leistungsfähigsten Radioteleskop der Welt, können wir selbst schwache
Strahlung von kleineren oder weiter entfernten Galaxienhaufen erfassen.
Wir sind deshalb sehr gespannt auf die ersten LOFAR-Beobachtungen", so
Brüggen, der das Konsortium für die deutsche Beteiligung an LOFAR
koordiniert. LOFAR (das Akronym steht für LOw Frequency ARay),
das im Juni dieses Jahres offiziell in Betrieb genommen wurde, ist ein
komplett elektronisches Teleskop "der nächsten Generation". Im Gegensatz
zu klassischen Systemen hat es keine beweglichen Parabolantennen, um den
Himmel zu scannen, sondern besteht aus einem Netz fest am Boden
installierter Antennenfelder, die zum Teil hunderte Kilometer
voneinander entfernt sind.
Dieses Antennen-Netzwerk erstreckt sich von seinem Zentrum in den
Niederlanden aus über tausende von Kilometern durch Europa und speist
die digitalisierten Signale jedes einzelnen Antennenfeldes in einen
zentralen Supercomputer ein, der sie zu einem Bild zusammenfügt. Auf
diese Weise erreicht LOFAR eine Auflösung, die der einer klassischen
Parabolantenne von über 1000 Kilometer Durchmesser entspricht, und ist
außerdem in der Lage, in mehrere Richtungen zu "blicken" und so mehrere
Astronomen-Teams gleichzeitig mit Daten zu versorgen.
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