Die größten
Kollisionen im Universum
von Stefan Deiters astronews.com
18. Juli 2007
Wenn zwei Galaxien kollidieren ist das schon ein
eindrucksvolles Spektakel. Ungleich gewaltiger ist aber die Kollision von zwei
Galaxienhaufen. Die Beobachtung dieser Ereignisse ist allerdings deutlich
komplizierter. Dank der Röntgenteleskope Chandra und XMM-Newton
gelang es jetzt aber zwei Galaxienhaufen aufzuspüren, die gerade zu einem neuen, noch
größeren Haufen verschmelzen. Und das kann offenbar schneller gehen als bislang
angenommen.
Chandra-Aufnahme von Abell 576. Die Konturen
zeigen Bereiche mit Radialgeschwindigkeiten, die
auf uns gerichtet sind.
Bild: University of Michigan (R. Dupke) |
Die Kollision von Einzelgalaxien hinterlässt deutlich sichtbare
Spuren: Bei der Annäherung und dem gegenseitigen Umkreisen, das dem eigentlichen
Verschmelzungsprozess vorausgeht, verlieren die Partner große Mengen an Gas, das
als deutlich sichtbares Zeichen der Kollision auf den Bahnen der beiden Galaxien zu
finden ist. Bei der Kollision von zwei Galaxienhaufen sind solche Spuren
deutlich schwieriger zu finden.
Das merkten auch Renato Dupke und seine Kollegen von der University of
Michigan als sie das ESA-Röntgenteleskop XMM-Newton und das
NASA-Röntgenteleskop Chandra nutzten, um hinter das Geheimnis des
Galaxienhaufens Abell 576 zu kommen. Frühere Beobachtungen hatten nämlich
gezeigt, dass sich das Gas in dem Haufen nicht gleichmäßig bewegt. Dank des
hohen Auflösungsvermögens der beiden Teleskope konnte Dupke nun Geschwindigkeit
des Gases in zwei unterschiedlichen Bereichen des Haufens messen und in der Tat
bestätigen, dass diese verschieden waren: Ein Teil des Haufens schien sich
schneller von uns zu entfernen als der Rest.
Doch das war nicht alles, was die Astronomen verblüffte: Das sich bewegende
Gas war für astronomische Verhältnisse "kalt". Bei der festgestellten
Geschwindigkeit hätte es deutlich heißer sein müssen als die beobachteten 50
Millionen Grad Celsius. Was ging also in Abell 576 vor?
Den Astronomen fiel ein anderer Galaxienhaufen ein, nämlich 1E 0657-56, der
auch Bullet-Cluster, also Geschoß-Haufen, genannt wird. Er besteht
eigentlich aus zwei Galaxienhaufen. "Wir konnten
uns die Beobachtungen nur dadurch erklären, dass wir den Bullet-Cluster nahmen und ihn
so drehten, dass die beiden Haufen direkt in unserer Sichtlinie hintereinander
lagen", erläutert Dupke. Bei 1E 0657-56 handelt es sich um ein zwei
Galaxienhaufen, die gerade frontal aufeinander prallen. Sie liegen gerade so
günstig, dass wir von der Erde direkt sehen können, wie beide Haufen aufeinander
zurasen. 1E 0657-56 geriet vor knapp einem Jahr in die Schlagzeilen, weil man
hier erstmals einen direkten Beweis für die Existenz von Dunkler Materie zu
sehen glaubte (astronews.com berichtete).
Dupke erkannte, dass es sich auch bei Abell 576 um eine Kollision von zwei
Galaxienhaufen handelte, nur lagen beide diesmal in unserer Sichtlinie, der eine
Haufen lag also hinter dem anderen. Und bei den beobachteten "kalten" Gaswolken
handelt es sich um die Zentren der beiden Haufen, die die anfängliche Kollision
überstanden hatten.
Aus den Daten konnten die Astronomen auch ablesen, dass die beiden Haufen mit
einer Geschwindigkeit von über 3.300 Kilometern pro Sekunde kollidierten, was
mehr ist als einige Computersimulationen von Galaxienhaufenkollisionen für
möglich halten. Doch auch 1E0657-56 scheint eine ähnlich hohe
Kollisionsgeschwindigkeit zu haben: "Es gibt also mehr und mehr Hinweise darauf,
dass diese hohen Geschwindigkeiten möglich sind", so Dupke. Nun müssen die
Kosmologen erklären, warum.
Kollisionen von Galaxienhaufen sind relativ selten: Man schätzt, dass nur
jeder Hundertste oder gar jeder Tausendste Haufen in eine Kollision verwickelt
ist. Durch eine Kollision wird aber das Gas der Haufen aus dem Gleichgewicht
gebracht, was - wenn man es nicht erkennt - dazu führen kann, dass man die
Haufenmasse deutlich unterschätzt.
|