Galaxienhaufenkollision enthüllt Dunkle Materie
von Rainer Kayser
22. August 2006
Schon seit langem wissen Astronomen, dass sich die
Bewegungen im Weltall nur erklären lassen, wenn man annimmt, dass es außer der
sichtbaren Materie auch noch die so genannte Dunkle Materie gibt. Alternativ
könnten allerdings auch die bekannten Theorien der Schwerkraft die Wirklichkeit
nicht korrekt beschreiben. Nun glauben Wissenschaftler jedoch Dunkle Materie
erstmals direkt bewiesen zu haben.
Der Galaxienhaufen 1E 0657-56. Das Bild zeigt neben einer
optischen Aufnahme des Haufens das von Chandra entdeckte heiße
Gas (rot). Es entstand durch die Kollision von zwei
Galaxienhaufen. Die blau gefärbten Regionen zeigen, wo sich die
meiste Masse des Systems befindet. Dies wurde von den Forschern
mit Hilfe des Gravitationslinseneffektes bestimmt. Bild:
NASA / CXC / CfA / M.Markevitch et al. (Röntgen); NASA / STScI,
Magellan / U.Arizona / D. Clowe et al. (optisch); NASA / STScI,
ESO WFI, Magellan / U.Arizona /D. Clowe et al. (Lensing) [Großansicht] |
Bei der Kollision zweier Galaxienhaufen sind die normale Materie und die
Dunkle Materie getrennte Wege gegangen. Das zeigen Messungen mit dem
Röntgensatelliten Chandra, sowie mehreren Großteleskopen auf der Erde.
Ihre Beobachtungen seien ein wichtiges Indiz dafür, dass es die rätselhafte
Dunkle Materie tatsächlich gibt, schreiben die Astronomen in ihrem demnächst im
Fachblatt Astrophysical Journal Letters erscheinenden Forschungsbericht. Alternative Theorien der Schwerkraft könnten
den beobachteten Effekt nicht erklären.
"Die Natur hat uns die fantastische Gelegenheit gegeben, zu beobachten, wie
sich die hypothetische Dunkle Materie in diesem verschmelzenden System von der
normalen Materie trennt", erklärt der Leiter des Projekts, Douglas Clowe von der
University of Arizona. Mehr als einhundert Stunden hatten Clowe und seine
Kollegen den Galaxienhaufen 1E0657-56 mit dem Röntgensatelliten Chandra
beobachtet. Hinzu kamen zahlreiche Nachbeobachtungen mit dem Weltraumteleskop
Hubble, dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte in
Chile und anderen Instrumenten. Die Beobachtungen zeigen, dass in 1E0657-56 ein
kleiner Galaxienhaufen in einen größeren hinein gerast ist.
In Galaxienhaufen übertrifft die Masse des heißen Gases zwischen den Galaxien
bei weitem die Masse der Sterne in den Galaxien. Deshalb prallt bei einer
Kollision von Galaxienhaufen vor allem das intergalaktische Gas aufeinander,
wird abgebremst und aufgeheizt. Eben diesen Effekt konnten die Forscher in
1E0657-56 mithilfe von Chandra sehen: Der Galaxienhaufen enthält eine
gewaltige, hundert Millionen Grad heiße Gaswolke, entstanden durch die
Kollision.
Während in einem ungestörten Galaxienhaufen normale und Dunkle Materie gleich
verteilt sind, ist dies jedoch in 1E0657-56 völlig anders, zeigen die Messungen
mit den optischen Teleskopen. Während sich die meiste normale Materie in dem
heißen Gasball befindet, ballt sich die Dunkle Materie um die Galaxien zusammen.
Genau dies hatten die Forscher erwartet: Da Dunkle Materie weder mit sich
selbst, noch mit normaler Materie in Wechselwirkung tritt, bewegt sie sich bei
dem Zusammenprall der Galaxienhaufen im Gegensatz zu der normalen Materie nahezu
unbeeinflusst weiter.
"Wir haben mit unseren Beobachtungen dieses Systems praktisch bewiesen, dass
Dunkle Materie kollisionsfrei ist", fasst Clowe zusammen. Alternative
Gravitationstheorien, in denen sich die Schwerkraft auf großen Skalen anders
verhält als im Bereich des Sonnensystems, und dadurch den Anschein zusätzlicher,
dunkler Materie hervorruft, können eine solche Trennung zwischen den beiden
Komponenten nicht erklären. Offenbar bestehen also tatsächlich 80 Prozent der
Masse unseres Kosmos aus bislang unbekannten Teilchen.
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