Radioteleskope sezieren Neutronensterne
Redaktion
/ Pressemitteilung der Max-Planck-Gesellschaft astronews.com
23. April 2010
Mit einer einzigartigen Kombination mehrerer Teleskope, darunter LOFAR und
das 100-Meter Radioteleskop in Effelsberg, haben Astronomen fast die gesamte
Klaviatur des Radiospektrums ausgeschöpft und sechs Pulsare gleichzeitig
über den Wellenlängenbereich von 3,5 Zentimetern bis zu sieben Metern
beobachtet. Das ermöglichte einen beispiellosen Blick darauf, wie Pulsare
ihre Energie abstrahlen.
Intensität der Radiosignale des Pulsars PSR
B1133+16 als Funktion der Zeit in vier über einen
großen Abstand getrennten Bereichen. Die
Signalstruktur zeigt den Verlauf der
Magnetfeldlinien oberhalb des magnetischen Pols.
Bild: Aris Karastergiou, University of Oxford [Großansicht] |
Pulsare sind schnell rotierende Neutronensterne, die bei der Explosion von massereichen Sonnen entstehen. Diese kompakten Sternleichen besitzen bei einem Durchmesser von nur 20 Kilometern mehr Masse als unsere Sonne. Entlang seiner Magnetpole gibt ein Pulsar gebündelte Radiostrahlung ab, die sich über einen großen Wellenlängenbereich hinweg beobachten lässt. Weil die magnetische Achse gegen die Rotationsachse geneigt ist, überstreicht der Strahlenkegel einmal pro Umdrehung die Erde, das heißt: Der Stern blinkt regelmäßig wie ein Leuchtturm.
In den 40 Jahren seit der Entdeckung der ersten Pulsare - heute kennt man rund 2.000 dieser Objekte - haben die Astronomen den Leuchtturm-Mechanismus immer besser verstanden. Sie glauben, dass die Radiostrahlung bei unterschiedlichen Wellenlängen in verschiedenen Höhen über der Oberfläche innerhalb des starken Pulsarmagnetfelds entsteht. Die Beobachtung der Strahlung liefert somit einen Schnitt durch diese Magnetosphäre, Simultanmessungen ermöglichen eine Tomografie der Pulsaratmosphäre.
Geladene Teilchen werden entlang der magnetischen Feldlinien des Neutronensterns beschleunigt und erzeugen die beobachtete Radiostrahlung (Synchrotronstrahlung). Dabei werden die Feldlinien immer stärker auseinandergespreizt, je weiter man sich von der Oberfläche entfernt.
Beobachtungen bestätigen dieses Szenario: Sie zeigen, dass die Radiopulse von einigen Pulsaren mit zunehmender Wellenlänge zeitlich auseinander gezogen werden. Die Form der gemessenen Radiosignale ändert sich erheblich als Funktion der Wellenlänge und zeichnet das Ausspreizen der magnetischen Feldlinien über der Pulsaroberfläche direkt nach.
Mit einem einzelnen Radioteleskop lässt sich die Pulsarstrahlung zu einer bestimmten Zeit nur in einem relativ begrenzten Wellenlängenbereich beobachten. Durch die Verbindung der beiden klassischen großen
100 Meter bzw. 76 Meter-Radioteleskope bei Effelsberg und Jodrell Bank für
Zentimeter-Wellenlängen mit dem neuartigen europäischen LOw Frequency ARay (LOFAR), einem Teleskopnetzwerk für Meter-Wellenlängen, konnten die Astronomen nun sechs Pulsare über einen Bereich von nahezu acht Oktaven simultan untersuchen.
"Verglichen mit der Musik, entspricht das dem kompletten Tonumfang eines Klaviers", sagt Jason Hessels vom niederländischen Institut ASTRON.
"Dadurch erhalten wir eine Reihe von Momentaufnahmen der Pulsarstrahlung aus
unterschiedlichen Höhen oberhalb der magnetischen Pole."
Der Schlüssel zu diesen Messungen liegt in der Nutzung des neuen LOFAR-Teleskops. Es besteht aus Tausenden von Einzelantennen, zusammengefasst in einer Reihe von Feldstationen und der Zentrale nahe Exloo in den Niederlanden. Insgesamt verteilen sich die Stationen des LOFAR-Netzwerks über Hunderte von Kilometern, neben den Niederlanden stehen sie auch in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Schweden.
Die empfangenen Daten werden über schnelle Glasfaser-Leitungen zusammengeführt und an einem BlueGene/P-Supercomputer und weiteren Netzwerkcomputern im Zentrum für Informationstechnologie der Universität Groningen analysiert. Das LOFAR-Netzwerk wird von ASTRON im niederländischen Dwingeloo betrieben. Zurzeit wird LOFAR für den astronomischen Routine-Messbetrieb vorbereitet.
Die erste internationale Antennenstation steht in unmittelbarer Nähe des 100-Meter-Radioteleskops bei Bad Münstereifel-Effelsberg und gehört zum Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie. Michael Kramer, Direktor am Institut, freut sich über die deutliche Erweiterung des Wellenlängenbereichs.
"Unsere Beobachtungen zeigen, dass LOFAR die bereits existierenden
Radioteleskope in Europa, etwa das 100-Meter-Teleskop, in beinahe perfekter
Weise ergänzt."
Das Hauptziel der vorliegenden Beobachtungen besteht zwar darin, den Mechanismus der Pulserzeugung bei Pulsaren besser zu verstehen. Nebenbei gewinnt man aber auch Erkenntnisse, die über die Analyse der Pulsare selbst hinausgehen.
"Die Messungen ermöglichen uns die Untersuchung des interstellaren Gases, das zwischen uns und dem Pulsar liegt", sagt Ben Stappers von der Universität Manchester.
LOFAR wird sich über mehr als 1.000 Kilometer erstrecken. Nach seiner Fertigstellung im Jahr 2011 soll es das leistungsfähigste Radioteleskop der Erde sein; mit ihm lässt sich das Universum zwischen einem und 30 Metern erforschen - bei den größten, vom Boden zugänglichen Wellenlängen.
|