Halbwertzeit bislang deutlich unterschätzt
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Excellence Cluster "Universe" astronews.com
27. August 2009
Der Zerfall von radioaktiven Elementen im Universum dient
Wissenschaftlern als wichtiger Zeitmesser, um den Verlauf kosmischer Ereignisse
rekonstruieren zu können. Wichtig dabei ist, dass man die Halbwertzeit eines
bestimmten Isotops möglichst genau kennt. Im Falle von Eisen-60 lagen die
Forscher bisher offenbar deutlich daneben. Dies könnte Konsequenzen etwa für die
Untersuchung von Supernova-Explosionen haben.
Der Krebsnebel mit dem Krebs-Pulsar ist der
gasförmige und kompakte Überrest einer
Supernova-Explosion aus dem Jahr 1054 nach
Christus. Die neu bestimmte Halbwertszeit von
Eisen-60 könnte bisherige Erkenntnisse zum
Verlauf von Sternexplosionen in Frage stellen. Foto: NASA, ESA, J. Hester und A. Loll (Arizona
State University) [mehr
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Der Zerfall radioaktiver Elemente im Universum liefert Astronomen wertvolle
Erkenntnisse über den zeitlichen Hergang kosmischer Abläufe. Gelingt es den
Wissenschaftlern, die Mengenverhältnisse der beteiligten Ausgangs- und
Zerfallsprodukte zu bestimmen, können sie auf den Zeitpunkt schließen, an dem
der radioaktive Prozess seinen Anfang nahm - vorausgesetzt, die Halbwertszeit
des betreffenden Stoffes ist bekannt.
Einer Gruppe von Wissenschaftlern der TU München und des Exzellenzcluster
Universe gelang es nun zusammen mit Kollegen des Schweizer Paul Scherrer
Instituts (PSI), die Halbwertszeit von Eisen-60 genauer als je zuvor zu
bestimmen. Sie sind dabei auf eine handfeste Überraschung gestoßen: Die
Halbwertszeit von Eisen-60 liegt mit 2,6 Millionen Jahren deutlich über dem
bisher bekannten Wert von 1,5 Millionen Jahren. Die Forscher berichten über ihre
Entdeckung in der Fachzeitschrift Physical Review Letters.
Das seltene, radioaktive Eisen-Isotop Eisen-60, dessen Kern vier Neutronen
mehr beherbergt als das häufigste Isotop Eisen-56, interessiert die
Wissenschaftler aus mehreren Gründen. So liefert die Strahlung seines
unmittelbaren Zerfallsproduktes Kobalt-60 Hinweise über die Entstehung schwerer
Elemente in massereichen Sternen der Milchstraße. Die Zerfallsreihe des
Eisenisotops führt über Kobalt-60 schließlich zum stabilen Element Nickel-60,
dessen Häufigkeit in Meteoritengestein Aufschlüsse über die früheste Geschichte
des Sonnensystems vor mehr als viereinhalb Milliarden Jahren zulässt.
In jener Phase, so vermuten Astrophysiker, konnte Eisen-60 gemeinsam mit
anderen radioaktiven Elementen als Wärmequelle im Inneren der neu entstehenden
Planeten und Kleinplaneten agieren und so deren Beschaffenheit entscheidend
beeinflussen. Das Vorhandensein von Eisen-60 im entstehenden Sonnensystem können
sich die Astronomen allerdings nur durch ein externes Ereignis erklären, etwa
eine nahe Supernova, deren ausgeworfenes Material sich mit dem Gas des
entstehenden Sonnensystems vermischte.
Eine Supernova vor wenigen Millionen Jahren war vermutlich der Lieferant für
die Eisen-60-Spuren, die die gleiche Gruppe von Forschern der TU München in
Krustenmaterial des Meeresgrundes nachweisen konnte (astronews.com berichtete).
Für eine zuverlässige Interpretation der Messdaten in all diesen Zusammenhängen
ist eine genaue Kenntnis der Halbwertszeit von Eisen-60 von entscheidender
Bedeutung. Der bisherige Wert von ca. 1,5 Millionen Jahren litt unter einer
Unsicherheit von fast 20 Prozent - zu viel für die Forscher, da die
Interpretation und Datierung der Prozesse empfindlich von der
Eisen-60-Halbwertszeit abhängt.
Die Wissenschaftler der TU München und des PSI untersuchten nun im Rahmen
einer neuen Messung einige Gramm Eisen-60-haltigen Materials - zehnmal mehr bei
der letzten Messung 1984. Das Eisen extrahierten sie chemisch aus einem Stück
Kupfer, das von 1980 bis 1992 als "Strahlstopper" für energiereiche Protonen am
PSI diente. Nach dieser speziellen chemischen Aufbereitung am PSI beobachteten
die Forscher mit einem besonders empfindlichen Gamma-Spektrometer knapp drei
Jahre lang die Anreicherung des Materials mit Kobalt-60, dem unmittelbaren
Zerfallsprodukt des radioaktiven Eisens. Zudem wurde am PSI die Gesamtzahl an
Eisen-60-Atomen genau bestimmt.
Aus den Ergebnissen ihres aufwändigen Experimentes konnten die
Wissenschaftler die Eisen-60 Halbwertszeit mit einer Unsicherheit von weniger
als 2 Prozent berechnen - und darüber hinaus mit einer Überraschung aufwarten:
Wie sich herausstellte liegt die Halbwertszeit mit 2,6 Millionen Jahren 75
Prozent über dem bisher angenommenen Wert. Dieses Ergebnis könnte dazu führen,
dass bisherige Untersuchungen zu kosmischen Vorgängen neu bewertet werden
müssen: zum Beispiel die Entstehung der chemischen Elemente und die Erkenntnisse
über Supernovae, die sich in der Vergangenheit in der Nähe des Sonnensystems
ereigneten.
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