Neue Theorie
für Entstehung von Sonne und Erde
von Stefan
Deiters
astronews.com
24. Mai 2004
Bislang gingen Astronomen davon aus, dass unsere Sonne recht unspektakulär aus
dem Kollaps einer interstellaren Gaswolke in relativer Abgeschiedenheit
entstanden ist. Doch diese Theorie bezweifelt nun ein Team aus Astrophysikern und
Meteoritenforschern: Sie halten es für wahrscheinlicher, dass sich unser Sonnensystem
in ungemütlicher Nähe zu einem Riesenstern entwickelte und sogar dessen
Supernova-Explosion überlebte.
Der Trifid-Nebel in einer Aufnahme des Hubble-Weltraumteleskop:
Entstand unsere Sonne in einer ähnlichen Umgebung? Foto:
NASA / HST / Jeff Hester |
"Es gibt zwei ganz unterschiedliche Umgebungen, in denen massearme Sterne wie
unsere Sonne entstehen", erläutert Jeff Hester, Astronom an der Arizona State
University und Hauptautor eines Artikels, der in der aktuellen Ausgabe des
Wissenschaftsmagazins Science erschienen ist. "Einerseits kann es eine
recht ruhige Umgebung sein, in der eine Molekülwolke nahezu ungestört kollabiert
und hier und da einen Stern entstehen lässt.
Die andere Möglichkeit ist
deutlich anders: In gewaltigen Sternentstehungsgebieten werden nicht nur
massearme Sterne, sonders auch sehr helle und massereiche Sterne geboren."
Massereiche Sterne verändern aber die Umgebung dramatisch: Sie gehen äußerst
verschwenderisch mit ihrer Energie um und beeinflussen einen großen Bereich durch
ihre intensive Strahlung. Dadurch ändern sie auch das Szenario, das beschreibt,
wie sonnenähnliche Sterne entstehen. "Lange Zeit ging man davon aus, dass die
Sonne in einer eher ruhigen Umgebung entstanden ist", so Hester, "aber wir
glauben, dass wir ausreichend Beweise haben, die belegen, dass dies nicht der
Fall war."
Entscheidend für die Beweisführung der Forschergruppe ist die kürzlich
gemachte Entdeckung, dass sich in Meteoriten ein bestimmtes Isotop findet, das
sich nur als Zerfallsprodukt von Eisen-60 erklären lässt. Eisen-60 hat eine
Halbwertszeit von 1,5 Millionen Jahren und kann nur im Inneren von massereichen
Sternen entstehen. Die Existenz von Eisen-60 im jungen Sonnensystem sollte also
ein sehr starkes Argument für die Nähe eines massenreichen Sterns vor rund 4,5
Milliarden Jahren sein, als unsere Sonne gerade entstand.
"Faszinierend an unserer Arbeit ist auch, dass sie wirklich interdisziplinär
ist", meint Laurie Leshin, Direktor des Zentrums für Meteoritenstudien an der
Arizona State University. "Sie kombiniert Astrophysik und das Studium von
Meteoriten, also von kleinen Gesteinsbrocken, die man in der Hand halten kann und
durch die wir etwas über unseren eigenen Ursprung lernen."
Wenn ein massereicher Stern geboren wird, sendet er intensive ultraviolette
Strahlung aus, durch die eine so genannte HII-Region entsteht, eine Region aus
heißem ionisierten Wasserstoff, die sich vom massereichen Stern ins All
ausbreitet. Beispiele dafür wurden schon viele Male beobachtet: Beim
Orion-Nebel, beim Trifid-Nebel oder beim Adler-Nebel handelt es sich jeweils um
HII-Regionen. Wenn sich der ionisierte Wasserstoff ins All ausdehnt, geht ihm
eine Schockwelle voraus, durch die Gas komprimiert und die Entstehung von
massearmen Sternen angeregt wird. Doch bald erreicht diese stellaren Embryos die
ultraviolette Strahlung des massereichen Sterns. Die Strahlung vertreibt das
meiste Material und lässt nur noch einen massearmen Stern sowie eine
protoplanetare Scheibe übrig, die unter diesen harschen Bedingungen regelrecht
zu verdampfen beginnt.
Bald gibt es nur noch eine Sonne, die von einer protoplanetaren Scheibe
umrundet wird, die in etwa die Ausmaße unseres Sonnensystems hat. Dieses System,
so die Forscher, kann die intensive Strahlung überstehen und aus dem Material
der Scheibe können einmal Planeten entstehen. Doch hat diese neue Sonne einen
mächtigen Nachbarn, der mit seinem nuklearen Brennstoff äußerst verschwenderisch
umgeht. Der massereiche Stern wird bald in einer Supernova explodieren und das
in seiner Nähe entstandene Planetensystem mit im Inneren des massereichen Sterns
gebildeten schweren Elementen anreichern - darunter auch das kurzlebige
radioaktive Isotop Eisen-60.
"Und hier kommen nun die Meteoriten ins Spiel", erläutert Hester. "Wenn wir
uns HII-Regionen anschauen, sind diese voller junger, sonnenähnlicher Sterne,
von denen viele eine protoplanetare Scheibe haben. Und dann fragt man sich
natürlich, was wohl mit diesen Systemen passiert, wenn ein massereicher Stern in
der Nähe zur Supernova wird? Die Antwort ist einfach: Die werden mit gerade
frisch prozessierten Elementen angereichert." Das Forscherteam ist sich sicher, dass man die Zusammensetzung von Meteoriten relativ leicht erklären
kann, wenn man annimmt, dass in unserer Nähe eine Supernova-Explosion
stattgefunden hat. "Wenn man also nach einem Beispiel sucht, wie es hier aussah,
als unsere Sonne entstand, muss man sich den Adler- oder Trifid-Nebel
anschauen."
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