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XMM
174 Spiegel für Europa
von Stefan Deiters
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8. Dezember 1999

Eine Marssonde abgestürzt, eine weitere meldet sich nicht, Shuttlestarts um Monate verschoben: Für die amerikanische Weltraumbehörde NASA lief in diesem Jahr so manches schief. Am Freitag müssen nun die Europäer gleich zweimal beweisen, dass sie es besser können: Beim ersten kommerziellen Flug einer Ariane 5 -Rakete soll mit XMM das leistungsfähigste Röntgenteleskop der Welt in eine Erdumlaufbahn gebracht werden. 

XMM
Das europäische Röntgenteleskop XMM im Orbit. Darstellung: D. Ducros (ESA)

XMM - das steht für X-Ray Multi Mirror - ist Europas größter Wissenschaftssatellit. Und seit die NASA im Juli ihr Röntgenteleskop Chandra erfolgreich ausgesetzt hat, warten auch europäische Astronomen gespannt auf die ersten Aufnahmen von XMM. Wie Chandra nämlich soll dieses  hochempfindliche Röntgenteleskop nach unbekannten Himmelskörpern suchen und sie erforschen. Mit drei Spiegelsystemen und insgesamt 174 Spiegelzylindern kann das fast elf Meter lange und rund vier Tonnen schwere Teleskop - der leistungsstärkste Röntgensatellit der Welt - auch noch extrem schwache Röntgenstrahlung identifizieren und so in bisher unerreichte Regionen des Weltalls vordringen. Hier unterscheidet sich XMM auch von Chandra: Das amerikanische Pendant nämlich verfügt nur über ein Teleskop mit vier Spiegeln und ist dadurch weniger empfindlich. Dafür hat Chandra eine zehnmal höhere Sehschärfe und kann daher wesentlich feinere Strukturen identifizieren.

Genau wie Chandra soll XMM die Erde auf einer extrem elliptischen Bahn umkreisen: So ist das Teleskop während seines zweitägigen Umlaufs einmal nur 7000 Kilometer von der Erdoberfläche entfernt, erreicht aber auch - an seinem fernsten Punkt - einen Abstand von 114.000 Kilometern. Durch diese Bahn soll erreicht werden, dass sich das Teleskop möglichst lange außerhalb des Einflusses der Erdatmosphäre befindet, die normalerweise die Röntgenstrahlung herausfiltert. Auf diese Weise wird es auch möglich nach schwachen Röntgenquellen in den Tiefen des Alls zu suchen.

XMM besteht aus drei parallel ausgerichteten Teleskopen, deren Spiegel das Röntgenlicht jeweils auf einen 7,5 Meter entfernten elektronischen Detektor abbilden. Die drei Spiegelmodule haben eine Gesamtspiegelfläche von über 120 Quadratmetern - das entspricht etwa der Größe eines Tennisplatzes. Die Röntgenkameras werden ergänzt durch spektroskopische Instrumente und ein 30-Zentimeter-Teleskop, das simultan im optischen und nahen ultravioletten Bereich beobachtet. Dadurch erhalten die Astronomen zusätzliche Informationen über die Röntgenquelle, die sie gerade beobachten. Ein 30-Zentimeter-Teleskop bringt im Weltraum in etwa die Leistung, die man auf der Erde von einem 4-Meter-Teleskop erwartet.

Durch XMM erhoffen sich die Astronomen neue Einblick in eine ganze Reihe von kosmischen Objekten: So sollen Überresten von Supernovae, also gewaltigen Sternenexplosionen, untersucht werden, Schwarze Löcher, exotische Sterne und entfernte Galaxien und Quasare. XMM soll dabei auch Hinweise liefern, wie genau die Galaxien entstehen konnten und sich dann selbst in riesigen Galaxienhaufen sammelten. 

Die Kosten für die XMM-Mission belaufen sich auf rund 1,25 Milliarden Mark, wobei rund ein Viertel durch den deutschen ESA-Anteil gedeckt wird. Hinzu kommen etwa 44 Millionen Mark aus dem nationalen deutschen Raumfahrthaushalt für wissenschaftliche Instrumente und Auswertung. Die Dauer der Mission ist vorerst auf 27 Monate veranschlagt, sie kann aber bei fehlerfreiem Betrieb des Teleskops auf rund zehn Jahre verlängert werden. 

Viele deutsche Institute und Firmen haben erheblichen Anteil an der Entwicklung von XMM, das somit auch die Nachfolge des erfolgreichen - 1990 gestarteten - deutschen Röntgensatelliten Rosat antreten wird. Ursprünglich sollte Rosat zwei Jahre lang den Himmel nach Röntgenquellen absuchen. Er war aber schließlich acht Jahre im Einsatz und machte dabei über 60.000 Aufnahmen von Sternen, Supernova-Überresten, galaktischen Nebeln, Galaxien und Quasaren. Im Februar 1999 führte der Satellit seine letzten Messungen durch. In der über achtjährigen Betriebszeit entdeckte Rosat über 120.000 Röntgenquellen, die vor seinem Start noch unbekannt waren. XMM muss sich also anstrengen, um ein ein würdiger Nachfolger zu werden.

siehe auch
Chandra: Ein Instrument macht Sorge - 17. September 1999
XMM: Schülerwettbewerb zum Start - 14. September 1999
Chandra: Mikroskopisch kleiner Lattenzaun - 1. September 1999

Chandra: "Ein Traum wurde wahr"
- 27. August 1999
Chandra: Arbeitsorbit erreicht - 10. August 
Historische Shuttle-Mission - 19. Juli 1999
Links im WWW
XMM, Projektseite der ESA
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