Die vier Cluster-Satelliten der ESA umkreisen seit mehr als
20 Jahren die Erde. Nun haben sie ausgedient: Am 8. September 2024 wird
Cluster 2, auch Salsa genannt, als erster der vier Satelliten über
dem Südpazifik wieder in die Erdatmosphäre eintreten. Das Satelliten-Quartett
hat wichtige Daten über das Weltraumwetter geliefert.
Die vier Cluster-Satelliten der Europäischen Weltraumorganisation ESA wurden im Jahr 2000 gestartet, um die magnetische Umgebung unseres Planeten und die Interaktion mit dem Sonnenwind, einem konstanten Strom geladener Teilchen, der von der Sonne in den Weltraum geblasen wird, zu erforschen. Die erfolgreiche Mission hat ihre nominelle Lebensdauer von zwei Jahren um mehr als das Zehnfache überschritten.
Aber alles hat ein Ende, und Cluster sogar vier: Rumba (Cluster 1), Salsa (Cluster 2), Samba (Cluster 3) und Tango (Cluster 4), wie das Satellitenquartett auch genannt wird, haben
"ausgetanzt". Ab September werden sie nacheinander deaktiviert, kontrolliert zum Absturz gebracht und in der Erdatmosphäre verglühen.
"Der Wiedereintritt markiert das Ende einer historischen wissenschaftlichen Mission, die mehr als 24 Jahre lang bahnbrechende Ergebnisse aus dem erdnahen Weltraum geliefert hat", so Rumi Nakamura
vom Grazer Institut für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen
Akademie der Wissenschaften und Leiterin der Forschungsgruppe Weltraumplasmaphysik.
Cluster hat durch die Vierpunktmessung die Erforschung des Energietransports im Magnetschweif der Erde revolutioniert und eine reiche wissenschaftliche Ernte ermöglicht. Über 3200 referierte Artikel sind in Fachzeitschriften erschienen. "Abgesehen von Weltraum-Riesen wie den USA, China und Russland ist das IWF - und damit Österreich - mit 137 Erstautor-Veröffentlichungen unter den Top 5 der Cluster-Publikationen", zeigt sich Nakamura stolz. Viele neue Erkenntnisse lieferte
Cluster über den dynamischsten Prozess im Magnetschweif der Erde - die magnetische Rekonnexion.
Von den vier Cluster-Satelliten wird Salsa der erste sein, der den Absprung aus dem All wagt. Im
Januar 2024 manövrierte das Cluster-Kontrollteam Salsa so, dass der Absturz über unbewohntem Gebiet im Südpazifik, westlich von Chile, erfolgen wird. Der Satellit wird am 8. September 2024 ohne weitere Hilfe in die Erdatmosphäre eintreten. Dieser 'gezielte Wiedereintritt' ist der erste seiner Art. Die Bemühungen der ESA, ein sauberes Ende der Cluster-Mission zu gewährleisten, gehen über internationale Standards hinaus und lassen Europa eine Vorreiterrolle in der nachhaltigen Weltraumforschung einnehmen.
Der wissenschaftliche Betrieb von Cluster wird Ende September 2024 eingestellt und die Instrumente auf den verbleibenden drei Satelliten werden abgeschaltet. Diese werden überwacht, um eine Kollision mit anderen Raumsonden sowie das Aufladen der Batterien zu verhindern, die den sicheren Wiedereintritt in die Atmosphäre beeinträchtigen könnten. Der Wiedereintritt von
Rumba (Cluster 1) ist für November 2025 und für Samba (Cluster 3) und
Tango (Cluster 4) im August 2026 geplant.
Die Nutzlast jedes Satelliten besteht aus elf wissenschaftlichen Instrumenten. Das IWF hat zu drei Messgeräten auf jedem Cluster-Satellit beigetragen. Unter der Leitung des Grazer Instituts wurde ASPOC entwickelt und gebaut - ein Instrument, das die elektrische Aufladung des Satelliten regelt und so ungestörte Messungen niederenergetischer Teilchen gewährleistet. Zum Elektronenstrahlinstrument EDI, das das elektrische Feld misst, steuerte das IWF die Software bei. Für das Magnetfeldmessgerät FGM entwickelte das IWF die Datenerfassungseinheit und überprüfte die magnetische Reinheit des Satelliten. Wissenschaftlich ist das IWF auch an den Instrumenten PEACE und CIS zur Messung von Elektronen- und Ionenmassenspektren beteiligt.
Für den Austausch und die Verteilung der Daten wurde schon in den frühen 90ern des vorigen Jahrhunderts ein System aus sieben nationalen Datenzentren erdacht. Bandbreiten waren damals klein, die Datenvolumen für damalige Verhältnisse hoch, so sollte das verteilte System schnellen Zugriff für die wissenschaftliche Gemeinde sicherstellen. Das österreichische Datenzentrum (Austrian Cluster Data Center, ACDC) wurde vom IWF errichtet und ist seit 2014 Teil des
Cluster Science Archive.
"Cluster hat geholfen, das Weltraumwetter besser zu verstehen und vorherzusagen", so Nakamura.
Der Einfluss des Sonnenwindes auf die magnetische Umgebung der Erde wird in der Fachwelt als Weltraumwetter bezeichnet. In den Zeiten vor
Cluster war das Weltraumwetter ein Mysterium für die Wissenschaft. "Cluster hat die Auswirkungen von Sonnenstürmen beobachtet und so geholfen, das Weltraumwetter besser zu verstehen und vorherzusagen", so Nakamura. "Die Mission hat immer wieder gezeigt, wie wichtig die Magnetosphäre ist, um uns vor dem Sonnenwind zu schützen."
Cluster war weder für eine so lange Lebensdauer noch für ein so sicheres Ende konzipiert. Mit diesem gezielten Wiedereintritt der vier Satelliten macht die ESA
Cluster von einem Pionier in der Weltraumwetterüberwachung zu einem
Pionier in der Vermeidung von Weltraummüll - zwei Schlüsselelemente der
Sicherheitsziele der ESA. Ohne Intervention wären die vier Cluster-Satelliten auf weniger vorhersehbare Weise wieder in die Erdatmosphäre eingetreten, möglicherweise über einer dichter besiedelten Region. Durch den gezielten Wiedereintritt stellt die ESA sicher, dass die ausgedienten Cluster-Satelliten nicht zu der rasant ansteigenden Menge an Weltraummüll beitragen.
"Die Anzahl an aktiven und inaktiven Satelliten im Orbit um unseren
Planeten hat sich in den letzten zehn Jahren auf aktuell ca. 13.000 vervierfacht", sagt Michael Steindorfer, Leiter der IWF-Forschungsgruppe
Satellite Laser Ranging. Es sei also entscheidend, einen kontrollierten Wiedereintritt von ausgedienten Satelliten zu gewährleisten, um so dem immer größer werdenden Problem von Weltraummüll entgegenzusteuern. "Dieser Nachhaltigkeitsgedanke spiegelt sich auch in der kürzlich veröffentlichten
Zero Debris Charter wider, die von Österreich als einem der ersten Länder unterzeichnet wurde", so Steindorfer.
Ende 2025 plant die ESA den Start ihrer nächsten Mission, die sich mit der magnetischen Umgebung der Erde befassen soll: SMILE - ein Gemeinschaftsprojekt mit der Chinesischen Akademie der Wissenschaften. SMILE wird auf
Cluster aufbauen, um noch mehr über die komplexe Wechselwirkung zwischen dem Sonnenwind und der Erdmagnetosphärdie
zu erfahren. "Es ist sehr beeindruckend, dass Cluster so viele Jahre so erfolgreich neue Erkenntnisse über unseren Heimatplaneten liefern konnte.
Cluster trifft damit gleich zweimal ins Schwarze beim Thema Nachhaltigkeit: Zum einem im Rahmen von
Space Ecology und zum anderen bei der nachhaltigen Nutzung unseres Erfahrungsschatzes als Basis für neue Instrumententwicklungen”, betont IWF-Direktorin Christiane Helling.