Das magnetische Lied der Erde
Redaktion
/ Pressemitteilung des Instituts für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften astronews.com
19. November 2019
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ist es gelungen, die Melodie hörbar zu machen, die unsere Erde
"singt",
wenn sie von einem Sonnensturm getroffen wird. Aufgezeichnet wurden die
unheimlichen Töne von den vier Cluster-Satelliten der ESA, die seit knapp 20
Jahren die Erde umkreisen. Im Fokus stand die sogenannte "Foreshock"-Region.
Computer-Simulation zur Untersuchung der
Erde-Sonne-Wechselwirkung.
Rechts ist die sogenannte Foreshock-Region zu
sehen.
Bild: Vlasiator-Team, Universität Helsinki [Großansicht] |
Cluster erforscht seit 2000 die magnetische Umgebung unseres
Planeten und die Interaktion mit dem Sonnenwind, einem konstanten Strom
geladener Teilchen, der von der Sonne in den Weltraum geblasen wird. Das Grazer
Institut für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der
Wissenschaften war maßgeblich für den Erfolg der Mission verantwortlich und hat
auch Teile der Magnetfeldmessgeräte gebaut, die für die jetzt vorgestellte
Studie verwendet wurden.
Darin konzentriert sich ein internationales Team unter der Leitung der
Universität Helsinki in Kooperation mit dem IWF auf den sogenannten "Foreshock".
In dieser Region im erdnahen Weltraum werden die ersten Auswirkungen der
Interaktion zwischen den Sonnenwindteilchen und der Erde beobachtet, so auch die
magnetischen Wellen. Während eines Sonnensturms werden offenbar weit komplexere
magnetische Wellen freigesetzt, als bisher angenommen.
"Unsere Studie zeigt, dass Sonnenstürme die Foreshock-Region sehr stark
verändern", erzählt Lucile Turc von der Universität Helsinki. Beim ersten
Betrachten der Cluster-Daten dachte Turc, dass etwas nicht stimmen
konnte. "Die Wellen waren so anders als wir es in dieser Region gewohnt sind,
dass ich von einem neuen Wellentyp ausgegangen bin." Turc kontaktierte das IWF.
"Durch unterschiedliche Analysetechniken konnten wir die dreidimensionale
Ausbreitung der Wellen beobachten", erläutert Owen Wyn Roberts vom IWF.
Aus dem Zeitpunkt, an dem die einzelnen Wellen in den vier Magnetometerdaten
erscheinen, lässt sich ihre Bewegungsrichtung ableiten. Die Analyse bestätigte,
dass sich die Wellen von der Erde rückwärts Richtung Sonne bewegen, was mit den
numerischen Simulationen aus Helsinki übereinstimmte.
Als das Team die Frequenz der magnetischen Wellen in Audiosignale umwandelte,
hörte es eine unheimliche Melodie, die eher an einen Science-Fiction-Film als an
ein natürliches Phänomen erinnert. Bei ruhigem Weltraumwetter klingen die Töne
tiefer und weniger komplex, wobei eine Frequenz dominiert. Wenn jedoch ein
Sonnensturm die Erde trifft, wird die Frequenz der Welle – abhängig von der
Stärke des Magnetfeldes im Sturm – annähernd verdoppelt. Dieser Prozess hat
Einfluss darauf, wie sich der Sonnensturm in Richtung Erdoberfläche ausbreitet.
Durch die außergewöhnliche Entdeckung weiß man, dass die Energie der
Foreshock-Wellen nicht zurück in den Weltraum fließen kann, weil die Wellen von
den einströmenden Sonnenwindteilchen in Richtung Erde gedrückt werden. "Es ist
großartig, dass Cluster auch noch 20 Jahre nach dem Start neue
Erkenntnisse liefert", freut sich IWF-Direktor Wolfgang Baumjohann.
Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift Geophysical Research
Letters veröffentlicht.
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