Suche nach Axionen im Laserlicht
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf astronews.com
23. Juli 2024
Seit mehr als vier Jahrzehnten wird nach dem Axion
gefahndet, einem bis dato unentdeckten, hypothetischen Teilchen, dessen Nachweis
eine Sensation wäre und vielleicht so manches Rätsel der Physik lösen helfen
würde. Nun schlägt ein Forschungsteam ein neues Laborexperiment mit Laserlicht
vor, mit dem sich bestimmte Axionen nachweisen lassen könnten.
Bei völliger
Dunkelheit und einer Belichtungszeit von 90
Sekunden ist der Röntgenstrahl des European XFEL
– einer Forschungseinrichtung in der Nähe von
Hamburg – sichtbar. Hier könnten erste
Experimente zum Nachweis der mysteriösen Axionen
stattfinden.
Foto: European XFEL
/ Jan Hosan [Großansicht] |
Was hält die Welt im Innersten zusammen? Die Antwort der heutigen Physik ist
das Standardmodell der Teilchenphysik. Es beschreibt, aus welchen kleinsten
Bausteinen Materie besteht und welche Kräfte zwischen diesen Elementarteilchen
wirken. Es kann physikalische Phänomene von winzigen Skalen bis hin zur Größe
des beobachtbaren Universums präzise beschreiben. Allerdings nur mit Ausnahmen:
Zu den ungelösten Rätseln gehören zum Beispiel die Natur Dunkler Materie oder
gewisse Eigenschaften der starken Wechselwirkung, die sich nicht mit den
bekannten physikalischen Gesetzen erklären lassen. Daher sucht die Fachwelt nach
weiteren Puzzleteilen: bislang unentdeckten Teilchen außerhalb des
Standardmodells.
Prominentester Vertreter ist das Axion, ein hypothetisches Elementarteilchen,
dessen Existenz gleich mehrere Probleme der Teilchenphysik auf einen Schlag
lösen könnte und das auch als Kandidat für die Dunkle Materie gehandelt wird.
Sein Nachweis hätte tiefgreifende Auswirkungen auf die gesamte Physik und
Kosmologie. Nur: Wie beobachtet man ein hypothetisches Teilchen, das – falls es
existiert – kaum mit sichtbarer Materie wechselwirkt und dessen Masse unbekannt
ist?
Eine Arbeitsgruppe am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) schlägt
vor, gezielt Axionen zu erzeugen, indem zwei kollidierende Lichtstrahlen aus
optischen Superlasern auf das Licht eines dritten Laserstrahls treffen – ein
Röntgenlaser, der gleichzeitig in den Kollisionspunkt geschossen wird. Fachleute
sprechen von "Licht-an-Licht-Streuung". Dabei senden die Lichtteilchen ein Axion
aus, das sich fast unmittelbar wieder in Lichtteilchen zurückverwandelt. Nach
Berechnungen des Teams sollten diese Axionen trotz ihrer Kurzlebigkeit einen
messbaren Effekt auf die so erzeugten Lichtteilchen haben, zum Beispiel deren
Schwingungsrichtung ändern.
Dahinter verbirgt sich ein Quanteneffekt: die Polarisation des Vakuums.
"Vakuum klingt ja so, als wäre da gar nichts, aber das stimmt so nicht. Durch
die von der Quantenphysik vorhergesagten Fluktuationen wird das Vakuum zu einem
polarisierbaren elektromagnetischen Medium", erklärt HZDR-Theoretiker Prof. Ralf
Schützhold. Das neue Laser-Experiment soll diesen Effekt in einem bisher
ungetesteten Bereich nachweisen – und gleichzeitig nach Axionen suchen.
Denn im polarisierten Vakuum erfährt das Röntgenlicht eine Art Schubs und
ändert dadurch seine Schwingungsrichtung. Ist diese Änderung stärker als vom
Standardmodell vorhergesagt, wäre das ein starker Hinweis, dass Axionen im Spiel
sind. "Durch die Axionen käme ein zusätzlicher Effekt hinzu. Man kann sich das
in etwa so vorstellen, als ob man einen starken Laser in Glas hineinschickt und
dadurch dessen Brechungsindex etwas variiert", sagt Schützhold. Einen Haken hat
die Idee allerdings: Damit die Kollision der Laserstrahlen nicht nur das Vakuum
polarisiert, sondern tatsächlich auch Axionen erzeugt, müssen der Aufbau und
damit die Bedingungen für die Lichtstreuung zur Masse der Axionen passen. Doch
darüber gehen Vermutungen weit auseinander.
"Wie beim Higgs-Teilchen gibt es theoretische Hinweise darauf, dass es das
Axion geben könnte. Im Gegensatz zum Higgs-Teilchen ist aber völlig unklar,
welche Masse es haben könnte. Es gibt zwar Ideen, aber die Spannweite der
möglichen Massen ist riesig", betont Schützhold. Das neue Laborexperiment würde
vergleichsweise schwere Axionen messen, selbst wenn diese sehr kurzlebig sind.
Damit schließt es eine Lücke zu anderen Experimenten, die voraussetzen, dass
Axionen langlebig genug sind, um bestimmte Strecken im Raum zu überwinden.
Schützhold will einen gewissen Massenbereich abscannen, indem er den Winkel
zwischen den beiden optischen Laserstrahlen variiert – und damit die Bedingungen
für die Lichtstreuung. Dabei ist Geduld gefragt, weiß Schützhold: "Die
Wahrscheinlichkeit, gleich beim ersten Experiment Axionen zu erwischen, ist
schon gering. Ich erwarte, dass wir zunächst die theoretische Vorhersage der
Vakuumpolarisation aus dem Standardmodell bestätigt sehen. Das wäre an sich
bereits ein toller Erfolg. Gleichzeitig würde das aber auch bedeuten, dass wir
in diesem Bereich Axionen mit bestimmten Eigenschaften ausschließen können. Das
hilft uns, Axionen besser zu verstehen. Fantastisch wäre natürlich, wir finden
ein Signal."
Könnte damit das Rätsel um die Dunkle Materie demnächst gelöst sein?
Schützhold: "Selbst wenn wir etwas finden: Dort, wo wir schauen, ist nicht der
Bereich, wo man typischerweise Dunkle Materie vermuten würde." Denn
Dunkle-Materie-Teilchen müssten langlebig sein. Vergleichsweise schwere,
langlebige Axionen wären aber höchstwahrscheinlich schon früher in anderen
Experimenten oder Sternbeobachtungen nachgewiesen worden. "Die kurzlebigen
Axionen wären für Dunkle Materie nicht besonders geeignet. Es sei denn, sie
koppeln sehr stark und klumpen zum Beispiel in Zweiergruppen zusammen, die dann
wieder sehr langlebig sein könnten", erläutert Schützhold. "Das wäre dann eine
andere Geschichte."
Die theoretischen Vorhersagen des Teams wurden jetzt in der Fachzeitschrift
Physical Review D veröffentlicht.
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