Mit neuem Verfahren auf der Suche nach Dunkler Materie
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Forschungszentrums Jülich astronews.com
17. Juli 2023
Noch immer sucht die Wissenschaft nach Teilchen der Dunklen
Materie. Zum ersten Mal wurde dabei nun ein neues Verfahren in einem
Teilchenbeschleuniger angewandt: Die von den Forscherinnen und Forschern der
internationalen JEDI-Kollaboration genutzte Methode beruht auf der Beobachtung
der Spin-Polarisation eines Teilchenstrahls im Jülicher Speicherring COSY.
In ihrem Experiment nutzten die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler der JEDI-Kollaboration eine
besondere Eigenschaft des Jülicher
Teilchenbeschleunigers COSY aus: die Verwendung
von polarisierten Strahlen.
Foto:
Forschungszentrum Jülich / Ralf-Uwe Limbach [Großansicht] |
Etwa 80 Prozent der Materie im Universum besteht aus einem unbekannten und
unsichtbaren Stoff. Postuliert wurde diese "Dunkle Materie" bereits vor etwa 90
Jahren. "Nur so ließ sich die Geschwindigkeitsverteilung der sichtbaren Materie
innerhalb von Galaxien mit dem bisherigen Wissen in Einklang bringen", erklärt
Jörg Pretz, einer der Mitautoren der Studie, stellvertretender Direktor am
Jülicher Institut für Kernphysik und Professor an der RWTH Aachen. "Eine
'dunkle', bisher unbeobachtete Form von Materie muss die Galaxien zusätzlich
stabilisieren."
Seit den 1930er Jahren sind Physikerinnen und Physiker auf der Suche nach
dieser Materie. An Theorien mangelt es der Wissenschaft nicht, doch bisher ist
es noch niemandem gelungen, Dunkle Materie tatsächlich nachzuweisen. "Denn ihre
Natur ist noch völlig ungeklärt", so Dr. Volker Hejny, ebenfalls vom Jülicher
Institut für Kernphysik und wie sein Kollege Jörg Pretz Mitglied der
internationalen JEDI-Kollaboration. JEDI steht für "Juelich Electric Dipole
moment Investigations" – die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der
Kollaboration arbeiten seit 2011 an der Messung elektrischer Dipolmomente
geladener Teilchen. "Dunkle Materie ist nicht sichtbar, und verrät sich bisher
nur indirekt durch ihre Schwerkraft. Deren Wirkung ist vergleichsweise winzig,
so dass sie erst bei enorm großen Massen – wie eben ganzen Galaxien – wirklich
in Erscheinung tritt."
Theoretische Physikerinnen und Physiker haben bereits eine Reihe
hypothetischer Elementarteilchen vorgeschlagen, aus denen die Dunkle Materie
bestehen könnte. Je nach den Eigenschaften dieser Teilchen ergeben sich
unterschiedliche Verfahren, durch die sie möglicherweise nachgewiesen werden
können – Verfahren, die ohne den sehr schwierigen Nachweis der
Gravitationswirkung auskommen. Zu den Kandidaten gehören auch Axionen und axion-artige
Teilchen. "Ursprünglich sollten Axionen ein Problem in der Theorie der starken
Wechselwirkung der Quantenchromodynamik lösen", erläutert Pretz. "Der Name Axion
geht auf den Physik-Nobelpreisträger Frank Wilczek zurück und bezieht sich auf
eine Waschmittelmarke: Die Existenz der Teilchen sollte sozusagen die Theorie
der Physik 'reinwaschen'."
Um die Axionen nachzuweisen, nutzten die Wissenschaftler und
Wissenschaftlerinnen der JEDI-Kollaboration die Spins von Teilchen. "Der Spin
ist eine eigentümliche Eigenschaft der Quantenmechanik, durch die sich Teilchen
wie kleine Stabmagnete verhalten", erklärt Hejny. "Dies wird beispielsweise in
der medizinischen Bildgebung in der Kernspintomographie – auch
Magnetresonanztomographie oder kurz MRT – ausgenutzt. Dabei werden die Spins von
Atomkernen durch starke äußere Magnetfelder angeregt."
Die MRT-Technik wird auch dazu verwendet, um nach Dunkler Materie zu suchen.
Während sich in einem normalen MRT die Atome in Ruhe befinden, bewegen sich die
Teilchen in einem Beschleuniger nahezu mit Lichtgeschwindigkeit. Das macht die
Untersuchungen in einigen Bereichen viel empfindlicher und die Messungen
genauer. In ihrem Experiment nutzten die JEDI-Wissenschaftler eine besondere
Eigenschaft des Jülicher Teilchenbeschleunigers COSY aus: die Verwendung von
polarisierten Strahlen. "In einem gewöhnlichen Teilchenstrahl zeigen die Spins
der Teilchen in beliebige Richtungen", erklärt Pretz. "Bei einem polarisierten
Teilchenstrahl werden die Spins entlang einer Richtung ausgerichtet" Nur wenige
Beschleuniger in der Welt verfügen über diese Möglichkeit. Falls uns, wie die
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vermuten, ein Hintergrundfeld von
Axionen umgibt, dann würde dieses die Bewegung der Spins beeinflussen – und
könnte letztendlich so im Experiment nachgewiesen werden.
Jedoch: Der erwartete Effekt ist winzig. Noch sind die Messungen nicht genau
genug. Doch auch wenn bei dem JEDI-Experiment noch keine Hinweise für dunkle
Materieteilchen gefunden werden konnten, haben es die Forschenden geschafft, den
möglichen Wechselwirkungs-Effekt weiter einzugrenzen. Noch bedeutender: Sie
konnten eine neue und vielversprechende Methode für die Suche nach Dunkler
Materie etablieren.
Ihre Ergebnisse veröffentlichte das Team jetzt in der Fachzeitschrift
Physical Review X.
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