Von Axionen keine Spur
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Paul Scherrer Instituts astronews.com
28. November 2017
Mithilfe einer Quelle von ultrakalten Neutronen versuchen
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mehr über die Eigenschaften dieser
Elementarteilchen zu erfahren. Die dabei gewonnenen Daten könnten auch Hinweise auf die Existenz von Axionen enthalten, die als
Kandidaten für die Dunkle Materie gelten. In einer neuen Auswertung wurden allerdings
keine Spuren von Axionen entdeckt.
An den Experimenten zur Bestimmung des
elektrischen Dipolmoments des Neutrons sind
Forschende aus sieben Ländern beteiligt. Das Bild
zeigt einen Teil des Teams vor der
Forschungsanlage am PSI.
Foto: Paul Scherrer Institut / Markus Fischer [Großansicht] |
Die Sterne und Galaxien des Universums beeinflussen durch ihre
Anziehungskräfte gegenseitig ihre Bewegungen. Doch die Kräfte der sichtbaren
Himmelskörper reichen bei Weitem nicht aus, um zu erklären, warum sich die
Galaxien so bewegen, wie sie es tun. Daher postuliert man die Existenz von
Dunkler Materie, die einen Großteil der Materie des Universums ausmachen soll.
Woraus diese Dunkle Materie besteht, ist bisher aber völlig unklar. Sie ist
jedenfalls nicht aus denselben Teilchen aufgebaut, aus denen die Sterne, die
Erde oder wir selbst bestehen. Zugleich muss die gesamte Masse der Dunklen
Materie etwa fünfmal so groß sein wie die unserer bekannten Materie, um die
beobachteten Vorgänge im Universum zu erklären.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben inzwischen zahlreiche
theoretische Modelle zur Natur dieser Dunklen Materie entwickelt. Eine
vielversprechende Möglichkeit ist, dass sie aus sogenannten Axionen besteht.
Dabei handelt es sich um bisher hypothetische Teilchen, die bestimmte
unverstandene Phänomene der Teilchenphysik erklären könnten.
Sollten diese Axionen existieren, so würden sie sich unter bestimmten
Bedingungen am Paul Scherrer Institut (PSI) beobachten lassen – genauer genommen
an der Quelle ultrakalter Neutronen, einer Forschungsanlage des Instituts. Im
Rahmen einer internationalen Zusammenarbeit untersuchen hier Forschende aus
sieben Ländern vor allem die Eigenschaften des Neutrons selbst – insbesondere
wollen sie dessen elektrisches Dipolmoment bestimmen.
Denn das Neutron hat zwar insgesamt keine elektrische Ladung, es könnte aber
ein elektrisches Dipolmoment haben. Anschaulich könnte man sich vorstellen, dass
in diesem Falle der elektrisch positiv geladene Anteil in seinem Inneren ein
wenig gegenüber dem negativen verschoben wäre. Die Existenz eines solchen
statischen elektrischen Dipolmoments ist mit vielen aktuellen Fragestellungen
der modernen Physik verknüpft – etwa der Frage, warum es im Universum mehr
Materie als Antimaterie gibt.
In den Messdaten, die für die Untersuchungen des Neutrons aufgenommen worden
sind, könnte sich aber auch die Existenz der Axionen zeigen. "Wir haben dafür
auf einen anderen Aspekt in diesen Daten geschaut", so Klaus Kirch, Leiter des
Labors für Teilchenphysik am PSI und Professor an der ETH Zürich. "In unserem
Experiment dauert eine einzelne Messung des Dipolmoments rund fünf Minuten. Um
ein gutes Ergebnis für das statische Dipolmoment des Neutrons zu bekommen,
führen wir diese Messung viele Male durch und bestimmen den über lange Zeit
gemittelten Wert. Für die Suche nach den Axionen schauen wir dagegen, ob die
Messergebnisse mit der Zeit mit einer festen Frequenz schwanken. Eine solche
Oszillation wäre nämlich ein Hinweis auf eine Wechselwirkung der Neutronen mit
den hypothetischen Teilchen."
Dass sich die Axionen auf diese Art indirekt nachweisen ließen, liegt daran,
dass diese nicht nur über die Gravitation mit anderer Materie wechselwirken; sie
könnten zum Beispiel auch an die Gluonen koppeln, die "Klebeteilchen", die
gewissermaßen das Neutron im Inneren zusammenhalten. Damit könnte die Begegnung
mit einem Axion ein elektrisches Dipolmoment verursachen. Sehr salopp gesagt
würden Axionen die Form des Neutrons verändern und damit die Verteilung der
elektrischen Ladung in seinem Innern.
In den Messdaten des Experiments am PSI ließ sich eine solche Oszillation
bislang nicht nachweisen, ebenso wenig in den Daten eines Vorgängerexperiments
an der Neutronenquelle ILL in Grenoble, die im Rahmen dieses Projekts ebenfalls
neu ausgewertet wurden. Diese beiden Experimente sind die ersten, in denen
Forschende die Kopplung von Axionen an Gluonen direkt im Labor untersucht haben.
Die bisherigen Erkenntnisse über solche Kopplungen konnten nur indirekt aus
astrophysikalischen Beobachtungen und kosmologischen Modellen gewonnen werden.
Die neuen Labormessungen verbessern die Genauigkeit dieser früheren
Ergebnisse um bis zu einen Faktor 1000 und führen dazu, dass man die Existenz
von Axionen mit bestimmten Eigenschaften zuverlässig ausschließen kann. "Damit
widerlegen die Ergebnisse diejenigen physikalischen Modelle, die Axionen mit
diesen Eigenschaften postulieren und helfen so, die Vielfalt an Teilchen
einzuschränken, die mögliche Kandidaten für die Dunkle Materie sind", so Kirch.
Dass das Experiment nicht alle denkbaren Arten von Axionen erfasst, hat im
Wesentlichen zwei Gründe. So müssten die Axionen hinreichend stark mit den
Neutronen wechselwirken, damit sich die Oszillation in den Messdaten
manifestiert. Zudem dürfte ihre Masse nicht zu groß sein, weil eine hohe Masse
zu einer hohen Frequenz der Oszillation führen würde, die sich angesichts der
Fünf-Minuten-Schritte in den bisher durchgeführten Messungen nicht beobachten
ließe.
Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler in einem Fachartikel, der
in der Fachzeitschrift Physical Review X erschienen ist.
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