Zehn neue Neutronensterne in Terzan 5 entdeckt
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
18. Juli 2024
Mithilfe von Daten des MeerKAT-Radioteleskops in Südafrika
wurden im Kugelsternhaufen Terzan 5 zehn bislang unbekannte schnell rotierende
Neutronensterne entdeckt. Viele von ihnen befinden sich in ungewöhnlichen und
seltenen Doppelsternsystemen. Nun soll mithilfe des Computerprojekts
Einstein@Home nach weiteren Pulsaren gesucht werden.

Im Kugelsternhaufen Terzan 5 - hier in einer
künstlerischen Darstellung - wurden zehn exotische Pulsare
entdeckt, womit sich die Gesamtzahl der bisher gefundenen
Pulsare in diesem Haufen auf 49 erhöht.
Bild:
US NSF, AUI, NSF NRAO, S. Dagnello [Großansicht] |
"Wir wissen, dass Kugelsternhaufen wie Terzan 5 viele schnell rotierende
Neutronensterne beherbergen, und wir wissen auch, dass frühere Beobachtungen
dieses Haufens wahrscheinlich einige übersehen haben. Trotzdem haben wir uns
sehr gefreut, zehn bisher unbekannte Millisekunden-Pulsare zu entdecken,
darunter einige in ungewöhnlichen und extremen Doppelsternsystemen", sagt
Prajwal Voraganti Padmanabh, wissenschaftlicher Mitarbeiter am
Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut; AEI) in
Hannover, zuvor tätig am Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in
Bonn. "Die Kombination von hochempfindlichen Beobachtungen mit MeerKAT,
Archivdaten des Green-Bank-Teleskops aus fast zwei Jahrzehnten und cleveren und
effizienten Datenanalysemethoden haben diese Entdeckungen und ihre vollständige
Charakterisierung ermöglicht."
Neutronensterne sind kompakte Überreste von Supernova-Explosionen. Sie
bestehen aus exotischer, extrem dichter Materie, sind schwerer als unsere Sonne
und haben einen Durchmesser von nur etwa 20 Kilometern. Aufgrund ihrer starken
Magnetfelder und schnellen Rotation senden sie wie ein kosmischer Leuchtturm
gebündelte Radiowellen aus. Wenn die Rotation diese Strahlenbündel regelmäßig
auf die Erde richtet, wird der Neutronenstern als pulsierende Radioquelle – als
Radiopulsar – sichtbar. Einige dieser Radiopulsare sammeln in
Doppelsternsystemen von ihrem Begleiter Materie ein, die sie auf
Rotationsperioden von wenigen Millisekunden beschleunigt. Sie werden als
Millisekundenpulsare bezeichnet.
Der Kugelsternhaufen Terzan 5 ist einer der Orte mit der höchsten Sterndichte
in unserer Milchstraße. In seinem Kernbereich, wo diese Dichte millionenfach
höher ist als in der Umgebung unserer Sonne, treffen sich die Sterne und
interagieren viel häufiger als anderswo. Dies macht ihn zu einer sehr
effizienten "Fabrik" für Pulsare in außergewöhnlichen Doppelsternen. Vor der
jetzt veröffentlichten Studie waren bereits 39 Pulsare in Terzan 5 bekannt; nun
kamen zehn weitere hinzu. Die Forscherinnen und Forscher machten ihre
Entdeckungen in Daten des MeerKAT-Radioteleskops.
MeerKAT ist eine Anlage von 64 Antennen in der südafrikanischen Karoo mit
einer beispiellosen Empfindlichkeit für Quellen am Südhimmel. Im Rahmen des
TRansients and Pulsars using MeerKAT (TRAPUM) Large Survey Project
beobachtete das Team Terzan 5 zweimal für mehrere Stunden mit jeweils 56 MeerKAT-Antennen.
Die Hardware für TRAPUM wurde vom MPIfR finanziert, entworfen und installiert.
"Mittels spezieller Hardware und Software haben wir die Daten der 56 einzelnen
MeerKAT-Antennen zu einem virtuellen Teleskop kombiniert, das gleichzeitig fast
300 eng beieinander liegende Himmelspositionen im Bereich von Terzan 5
beobachtet hat", so Padmanabh. "Das führt natürlich dazu, dass wir viel mehr
Daten auswerten müssen als bei Beobachtungen mit einem einzelnen Teleskop. Aber
es hilft uns auch, die Position jedes neuen Pulsars viel genauer zu bestimmen.
Das ist bei Einzelteleskopen normalerweise der schwierige Teil, der Monate an
zusätzlichen Beobachtungen erfordert."
Das Team bereitete die Rohdaten vor und suchte dann an den 45 Positionen, die
den Zentralbereich von Terzan 5 abdecken, nach Pulsaren. Ihr Arbeitspferd: der
Großrechner Atlas am AEI Hannover, der rund 99.000 logische CPU-Kerne in fast
3200 Servern sowie 400 Grafikkarten mit fast einer Million Kernen für die
Datenanalyse bereitstellte. Mit dieser Suche konnten zehn neue
Millisekunden-Pulsare aufgespürt werden. Für jeden in den MeerKAT-Daten an einer
genau definierten Himmelsposition gefundenen Pulsar wurde auf die Archivdaten
des Green-Bank-Teleskops zurückgegriffen, um zu überprüfen, ob die Entdeckung
dort bestätigt werden konnte.
"Ohne das Archiv des Green-Bank-Teleskops wären wir nicht in der Lage
gewesen, diese Pulsare zu charakterisieren und ihre Astrophysik zu verstehen",
sagt Scott Ransom, Astronom am National Radio Astronomy Observatory
(NRAO). Dadurch war man in der Lage, für alle Entdeckungen sogenannte
Timing-Modelle zu erstellen. Diese mathematischen Beschreibungen sagen die
Ankunftszeit jedes einzelnen der mehreren hundert Milliarden Pulse über die
gesamten 19 Jahre Beobachtungszeit präzise voraus. Um diese Genauigkeit zu
erreichen, müssen die Timing-Modelle viele astrophysikalische Eigenschaften
berücksichtigen, die die Doppelsysteme mit Pulsaren beschreiben, einschließlich
relativistischer Effekte, die sich aus Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie
ergeben. Das ermöglichte es den Forschern, die Neutronensterne, ihre
Umlaufbahnen, ihre Begleiter und viele andere Eigenschaften genau zu untersuchen
und zu überwachen.
"Alle zehn neu entdeckten Pulsare sind ungewöhnlich und besonders und helfen
uns, Kugelsternhaufen und Neutronensterne besser zu verstehen und die allgemeine
Relativitätstheorie zu testen. Aber einige von ihnen sind selbst in dieser
Gruppe selten und speziell", sagt Paulo Freire, wissenschaftlicher Mitarbeiter
in der Forschungsabteilung "Radioastronomische Fundamentalphysik" am MPIfR.
"Diese Systeme sind nur die jüngsten Beispiele für die wunderbaren, exotischen
Sternsysteme, die wir mit MeerKAT in diesen dichten Kugelsternhaufen gefunden
haben. Zusammen mit jüngsten Beispielen wie dem Objekt NGC 1851E, das das erste
Pulsar-Schwarzes-Loch-System darstellen könnte, zeigen uns die Ergebnisse, dass
Kugelsternhaufen eine Goldmine voller Möglichkeiten darstellen."
Eine der Entdeckungen ist ein Doppelsternsystem, das möglicherweise aus zwei
Neutronensternen besteht. Diese Doppelneutronensterne sind sehr selten – gerade
einmal 20 von mehr als 3600 bekannten Pulsaren gehören zu dieser besonderen
Spezies. Sollten zukünftige Beobachtungen diesen Verdacht bestätigen, wäre das
Doppelsystem auch ein Rekordbrecher mit dem am schnellsten rotierenden Pulsar
und der längsten Umlaufzeit solcher Objekte. Andererseits könnte es sich bei
diesem System auch um einen massereichen Pulsar in Begleitung eines Weißen
Zwergs handeln.
Ein schwerer Pulsar könnte Aufschluss über die innere Zusammensetzung von
Neutronensternen geben. Die extrem elliptische Umlaufbahn eines anderen neuen
Pulsars deutet auf eine Reihe von engen Begegnungen mit anderen Sternen in
seiner Vergangenheit hin. Wenn im Gedränge im Zentrum von Terzan 5 Sterne an
einem Doppelsternsystem vorbeiziehen, kann ihre Schwerkraft dessen Bahnen stören
und sogar seine Komponenten herausschleudern oder deren Plätze einnehmen.
Nachdem das Team die Zahl der bekannten Pulsare in Terzan 5 schon um mehr als
ein Viertel gesteigert hat, plant es bereits, weitere zu finden. Die Suche wird
erweitert auf Pulsare in Doppelsystemen, deren Umlaufzeiten deutlich kürzer sind
als die der bisher entdeckten. Die Forscher beabsichtigen, mit der Hilfe des
verteilten freiwilligen Computerprojekts Einstein@Home alle mit MeerKAT
gewonnenen Daten von Terzan 5 zu analysieren. Das Projekt, das von
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am AEI Hannover geleitet wird, hat
bereits mehr als 90 neue Neutronensterne entdeckt.
Mit MeerKAT soll der Kugelsternhaufen Terzan 5 zudem auch bei höheren
Radiofrequenzen beobachtet werden, was die Chancen auf neue Entdeckungen weiter
erhöhen dürfte. "Nach allem, was wir über Terzan 5 wissen, erwarten wir, dass er
noch viele weitere extreme Doppelsternsysteme beherbergt, von denen jedes ein
potenzielles Labor für die Überprüfung der Einsteinschen Relativitätstheorie
ist, so Padmanabh. "Wer weiß, vielleicht ist das nächste, was wir in diesem
erstaunlichen Kugelsternhaufen finden, etwas so Exotisches wie ein Paar
Millisekunden-Pulsare oder ein Millisekunden-Pulsar, der ein Schwarzes Loch
umkreist?"
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erschienen ist.
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