Rätselhaftes Objekt im Kugelsternhaufen NGC 1851 entdeckt
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
19. Januar 2024
Mit dem MeerKAT-Radioteleskop wurde jetzt ein faszinierendes
Objekt unbekannter Natur im Kugelsternhaufen NGC 1851 entdeckt: Es ist
massereicher als die massereichsten bekannten Neutronensterne und gleichzeitig
masseärmer als die masseärmsten bekannten Schwarzen Löcher. Es befindet sich in
einer Umlaufbahn um einen sich schnell drehenden Millisekunden-Pulsar.

Eine künstlerische Darstellung des
Pulsar-Doppelsternsystems unter der Annahme, dass der
massereiche Begleitstern ein Schwarzes Loch ist. Der helle
Hintergrundstern im Bild stellt den Radiopulsar PSR
J0514-4002E in acht Millionen km Entfernung dar.
Bild:
MPIfR / Daniëlle Futselaar (artsource.nl) [Großansicht] |
Neutronensterne, die ultradichten Überreste einer Supernova-Explosion, können
nur eine bestimmte Maximalmasse erreichen. Sobald sie zu viel Masse angehäuft
haben, zum Beispiel durch das Verschlucken eines anderen Sterns oder durch die
Kollision mit einem anderen Neutronenstern, stürzen sie in sich zusammen. Was
bei einem solchen Kollaps aus ihnen wird, ist Anlass für zahlreiche
Spekulationen. Die vorherrschende Meinung ist jedoch, dass Neutronensterne zu
Schwarzen Löchern kollabieren, also zu Objekten, die ein so starkes
Gravitationsfeld haben, dass nicht einmal Licht ihnen entkommen kann.
Die Theorie, die durch Beobachtungen gestützt wird, besagt, dass die
leichtesten Schwarzen Löcher, die durch kollabierende Sterne entstehen können,
etwa fünfmal mehr Masse haben als die Sonne. Dies ist erheblich mehr als die
2,2-fache Sonnenmasse, die für den Kollaps eines Neutronensterns erforderlich
ist, was zu der so genannten Massenlücke bei Schwarzen Löchern führt. Die Art
der kompakten Objekte in dieser Massenlücke ist bisher unbekannt.
Eine detaillierte Untersuchung hat sich als schwierig erwiesen, da solche
Objekte bisher nur durch Gravitationswellen aus dem fernen Universum entdeckt
werden konnten. Die Entdeckung eines Objekts in dieser Masselücke in unserer
Milchstraße durch ein Team von Astronominnen und Astronomen der internationalen
Kollaboration "Transients and Pulsars with MeerKAT" (TRAPUM) könnte helfen,
diese Objekte besser zu verstehen. Ihre Arbeit, die in dieser Woche
veröffentlicht wurde, berichtet über ein massereiches Paar kompakter Sterne im
Kugelsternhaufen NGC 1851 im südlichen Sternbild Taube.
Durch den Einsatz des empfindlichen MeerKAT-Radioteleskops in Südafrika in
Verbindung mit leistungsstarken Geräten, die von Ingenieuren des
Max-Planck-Instituts für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn gebaut wurden, konnten
sie schwache Impulse von einem der Sterne aufspüren und ihn als Radiopulsar
identifizieren. Das ist eine Art Neutronenstern, der sich sehr schnell dreht und
wie ein kosmischer Leuchtturm Radiosignale ins Universum sendet.
Der neu entdeckte Pulsar mit der Bezeichnung PSR J0514-4002E dreht sich mehr
als 170 Mal pro Sekunde um die eigene Achse, wobei jede Umdrehung einen
rhythmischen Puls erzeugt, der dem Ticken einer Uhr gleicht. Das Ticken dieser
Pulse erfolgt extrem regelmäßig. Durch die Messung kleiner Abweichungen, das
sogenannte Pulsar-Timing, waren die Forscher in der Lage, äußerst präzise
Bestimmungen der Orbitalbewegung des Pulsars vorzunehmen. "Stellen Sie sich vor,
Sie könnten eine fast perfekte Stoppuhr in die Umlaufbahn eines fast 40.000
Lichtjahre entfernten Sterns bringen und dann die Zeit der Umläufe mit
Mikrosekundengenauigkeit messen", sagt Ewan Barr, der die Studie zusammen mit
seiner Kollegin Arunima Dutta, Doktorandin am MPIfR, geleitet hat.
Dadurch war eine präzise Bestimmung der Position des Systems möglich. Es
stellte sich heraus, dass das Objekt, das den Pulsar umkreiste, und das in den
Bildern des Hubble-Weltraumteleskops von NGC 1851 nicht zu sehen ist, kein
normaler Stern sein kann, sondern der extrem dichter Überrest eines kollabierten
Sterns. Darüber hinaus zeigte die beobachtete zeitliche Veränderung des Punktes
der größten Annäherung zwischen den beiden Sternen, dass der Begleiter eine
Masse hat, die gleichzeitig größer als die jedes bekannten Neutronensterns und
kleiner als die jedes bekannten Schwarzen Lochs ist. Damit fällt er genau in die
Massenlücke des Schwarzen Lochs.
"Was auch immer dieses Objekt ist, es ist eine aufregende Nachricht", sagt
Paulo Freire, ebenfalls vom MPIfR. "Wenn es sich um ein Schwarzes Loch handelt,
ist es das erste bekannte Pulsar-Schwarzes-Loch-System, dessen Entdeckung seit
Jahrzehnten den Heilige Gral der Pulsarastronomie darstellt! Wenn es sich um
einen Neutronenstern handelt, wird dies grundlegende Auswirkungen auf unser
Verständnis des unbekannten Zustands der Materie bei diesen unglaublichen
Dichten haben!"
Die Forscher gehen davon aus, dass die Entstehung des massereichen Objekts
und seine anschließende Verbindung mit dem sich schnell drehenden Radiopulsar
auf einer engen Umlaufbahn das Ergebnis eines eher exotischen Vorgangs ist, die
nur aufgrund der besonderen lokalen Umgebung möglich war. Das System befindet
sich im Kugelsternhaufen NGC 1851, einer dichten Ansammlung alter Sterne, die
viel dichter gepackt sind als die Sterne im übrigen Teil der Galaxis. Durch den
geringen Abstand können die Sterne gegenseitig ihre Bahnen stören und im
Extremfall sogar miteinander kollidieren. Aus einer solchen Kollision dürfte das
jetzt entdeckte Objekt entstanden sein.
Bevor jedoch der jetzige Doppelstern entstand, muss der Radiopulsar zunächst
Material von einem Spenderstern in einem sogenannten massearmen
Röntgendoppelsternsystem erhalten haben. Ein solcher "Recycling"-Prozess ist
notwendig, um den Pulsar auf seine aktuelle Rotationsrate zu beschleunigen. Das
Team glaubt, dass dieser Spenderstern dann in einem sogenannten Austauschvorgang
durch das heutige massereiche Objekt ersetzt wurde. "Dies ist der exotischste
binäre Pulsar, der bisher entdeckt wurde", sagt Thomas Tauris von der
Universität Aalborg in Dänemark. "Seine lange und komplexe Entstehungsgeschichte
stößt an die Grenzen unserer Vorstellungskraft."
Die Wissenschaftler können noch nicht abschließend sagen, ob sie den
massereichsten bekannten Neutronenstern, das leichteste bekannte Schwarze Loch
oder gar eine neue exotische Sternvariante entdeckt haben. Sicher ist jedoch,
dass sie ein einzigartiges Labor zur Erforschung der Eigenschaften von Materie
unter den extremsten Bedingungen im Universum gefunden haben. "Wir sind mit
diesem System noch nicht fertig2, sagt Arunima Dutta. "Die Aufdeckung der wahren
Natur des Begleiters wird einen Wendepunkt in unserem Verständnis von
Neutronensternen, Schwarzen Löchern und allem, was sonst noch in der Massenlücke
des Schwarzen Lochs lauern könnte, darstellen."
Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht.
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