Viereinhalb Jahre lang fungierte der Nanosatellit OPS-SAT
als fliegendes Labor im All, um missionskritische Software, Betriebskonzepte und
neue Technologien zu erproben. Auf ihm gelangen zahlreiche Premieren - darunter
auch Kurioses, wie
der erste Aktienhandel im Weltraum oder das erste Schachspiel im Orbit. In der
vergangenen Nacht ist der Satellit in der Erdatmosphäre verglüht.
Am 18. Dezember 2019 war OPS-SAT vom Weltraumbahnhof Kourou in
Französisch-Guayana ins All gestartet, in der Nacht vom 22. auf den 23. Mai
2024 ist der an der TU Graz gebaute und von der europäischen
Weltraumorganisation ESA betriebene Nanosatellit nun beim Wiedereintritt in
die Erdatmosphäre verglüht. Sein letztes Signal zur Erde sendete OPS-SAT
beim Überfliegen von Australien. Es war das Ende einer überaus erfolgreichen
Mission zur Erprobung neuer Konzepte und Technologien.
Um das Risiko für Missionen zu minimieren, setzen Raumfahrtorganisatoren
wie die ESA üblicherweise auf erprobte Komponenten. OPS-SAT hingegen war ein
Testlabor, auf dem die ESA ganz bewusst neue Betriebskonzepte und
-technologien erprobte, um sie für zukünftige Missionen nutzen zu können.
Die Ingenieure am Institut für Kommunikationsnetze und
Satellitenkommunikation der TU Graz standen vor der Herausforderung, einen
äußerst robusten und zugleich höchst leistungsfähigen Satelliten zu
entwickeln. Dafür konfigurierten sie eine Vielzahl unterschiedlicher und mit
aktuellster Hardware ausgestatteter Module, für deren Überwachung ein
autonomes Sicherheitssystem sorgte, um sie im Bedarfsfall isolieren oder
zurücksetzen zu können. Dieses Sicherheitssystem erlaubte es der ESA, ihren
Satelliten auch Universitäten, Unternehmen und anderen Weltraumagenturen für
Versuche unbürokratisch zur Verfügung zu stellen. In diesem Rahmen wurden
insgesamt mehr als 250 wissenschaftliche Experimente von Fernerkundung bis
Cybersecurity durchgeführt.
Der Nanosatellit verfügte über einen ausgesprochen leistungsfähigen
Prozessor - die sogenannte Satellite Experimental Processing Platform
(SEPP), die an der TU Graz in Kooperation mit UniTel IT entwickelt wurde und
zahlreiche Anwendungen, darunter auch den Einsatz von Künstlicher
Intelligenz, direkt auf den Systemen des Satelliten ermöglichte. Dazu zählte
beispielsweise der Einsatz generativer KI zur Verbesserung der Qualität von
mit OPS-SAT aufgenommenen Bildern oder zur automatischen Erkennung und
Verfolgung von Objekten auf der Erdoberfläche. Für seine herausragenden
Erfolge wurde OPS-SAT im März 2023 als erstes ESA-Projekt überhaupt mit dem
"International Space Ops Award for Outstanding Achievement" ausgezeichnet
und damit auch die Expertise der TU Graz im Bereich der
Satellitenkonstruktion gewürdigt. Derzeit sind mit PRETTY und
TUGSAT-1/BRITE-Austria zwei weitere Satelliten aus den Labors der TU Graz im
Einsatz.
Neben relevanter Forschung diente OPS-SAT auch als Plattform für den
ersten Aktienhandel im Weltraum und das erste Schachspiel im Orbit: Der
Satellit spielte drei Partien gegen eine Online-Community, die über ihre
Züge abstimmte. Die vierte Partie war noch nicht beendet, als OPS-SAT
verglühte. Zudem war er der erste Satellit, auf dem das bekannte
Computerspiel Doom gelaufen ist. Auch abseits von Börsengeschäften und
Spielen konnte er viele Premieren für sich verbuchen.
Sogar in seinen letzten Tagen im Orbit hat der Satellit noch einen
wichtigen Forschungsbeitrag geleistet. Über die UHF-Frequenz sendete er
weiter Telemetriedaten, die der ESA dabei helfen, Atmosphären- und
Ausbreitungsmodelle für niedrige Umlaufbahnen zu kalibrieren. Dadurch lassen
sich Zeit und Ort von zukünftigen Wiedereintritten besser bestimmen. Neben
dem eigenen European Space Operations Centre in Darmstadt bat die
ESA dafür auch die Amateurfunk-Community um Hilfe, um so Daten während der
gesamten Erdumrundung und nicht nur beim Überflug über Mitteleuropa sammeln
zu können.
Ganz persönliche Erinnerungen an OPS-SAT hat Maximilian Henkel, der am
Institut für Kommunikationsnetze und Satellitenkommunikation der TU Graz das
Betriebssystem an die Erfordernisse der Mission und an die
Prozessorplattform angepasst und erweitert hat. Besonders im Gedächtnis
geblieben ist ihm der Anfang des Jahres 2021, als die Mission auf der Kippe
stand, weil eine der beiden Prozessorplattformen nicht mehr funktionierte
und die zweite Plattform einen defekten Hauptspeicher aufwies. "Damit waren
beide redundanten Plattformen nicht mehr verwendbar, so dass wir eine
In-Orbit-Reparatur vornehmen mussten. Da der eigentliche Hauptspeicher ein
Hardware-Problem hatte, musste ich die Prozessorzugriffe auf den zweiten
Hauptspeicher umlenken, der für diese Verwendung eigentlich nicht vorgesehen
war. In dieser Konfiguration ist OPS-SAT dann bis zum Ende gelaufen. Ohne
die wegen seines Einsatzzwecks vorgesehene Rekonfigurierbarkeit wäre das gar
nicht möglich gewesen", erinnert sich Henkel, der kürzlich seine
Dissertation über Anwendungen rekonfigurierbarer Hardware am Beispiel von
OPS-SAT fertiggestellt hat.
OPS-SAT war ein sogenannter 3U Cubesat (10 cm x 10 cm x 30 cm) mit einem
Gewicht von 4,6 Kilogramm, der die Erde ausgehend von seiner ursprünglichen
Höhe von 515 Kilometern in seinen etwas mehr als 1600 Tagen im All rund
24.500 Mal umrundete. Die ausklappbaren Solarzellen hatten eine Fläche von
30 cm x 50 cm und versorgten den Satelliten mit einer Leistung von bis zu 24
Watt. OPS-SAT kommunizierte mit Datenraten von bis zu 50 Mbit/s mit der
Bodenstation in Darmstadt. Als Unterstützung während der
Kommissionierungsphase in den ersten Wochen nach dem Start sowie während
kritischer Phasen im nominellen Betrieb war zudem die UHF-Station und deren
Kontrollzentrum am Campus Inffeldgasse der TU Graz im Einsatz. Die Kosten
für den Satelliten und dessen Start betrugen rund 2,4 Millionen Euro.