Das deutsche Radarsystem GESTRA steht vor der Aufnahme des
Betriebs. Derzeit läuft die mehrmonatige Abnahme, bei der pro Stunde im Schnitt
mehr als 200 Objekte aufgespürt werden konnten, darunter auch kleine Objekte wie
Cubesats. GESTRA soll einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit im All sorgen, etwa
durch die Verfolgung von Weltraummüll.
Für Deutschland – und damit auch für Europa – bricht im Jahr 2024 eine
neue Ära in der Weltraumbeobachtung an: Das im Auftrag der Deutschen
Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) durch
das Fraunhofer-Institut für Hochfrequenzphysik und Radartechnik FHR
entwickelte und gebaute Radarsystem GESTRA (German Experimental Space
Surveillance and Tracking Radar) hat nach einer intensiven und erfolgreichen
Test- und Verifikationsphase im Dezember 2023 mit der finalen Überprüfung
begonnen. Damit ist dieses weltweit einzigartige System zur
Weltraumüberwachung in seine mehrmonatige Abnahme gestartet.
Gemeinsam mit Fachleuten des Fraunhofer FHR führte die Deutsche
Raumfahrtagentur im DLR als Teil des Weltraumlagezentrums den Test durch.
Während der Demonstration wurden verschiedene Radarmodi erfolgreich
überprüft, konkret zwei verschiedene Such-Modi, der Spotlight-Mode und der
Tracking-Mode. Die erfassten Sichtungen konnten mit vorhandenen Katalogdaten
von Objekten im erdnahen Orbit korreliert werden. Im Schnitt wurden pro
Stunde mehr als 200 Objekte aufgespürt, darunter auch kleine Objekte ("Cubesats")
in mehreren hundert Kilometer Entfernung. Gesichtet wurden neben zahlreichen
Starlink-Satelliten auch die Orbiter Oneweb-0240 (Höhe circa 1200
Kilometer), NOAA 16-DEB (Höhe circa 825 Kilometer), Sentinel 6
(Höhe circa 1.300 Kilometer) sowie der Kleinsatellit CUTE1.7 (20 x 20 x
10 Zentimeter; Höhe circa 600 Kilometer). Damit erfüllt GESTRA bereits ohne
volle Auslastung die gestellten Anforderungen.
Das komplexe Radarsystem umfasst eine Sende- und eine Empfangsantenne,
die bei voller Bestückung mit je 256 Einzelelementen versehen sind und deren
Radarwellen phasengesteuert werden können (sogenannte "Phased-Array"). Jedes
Element der Sendeantenne wird durch einen extrem leistungsfähigen Verstärker
angesteuert, so dass die circa vier Meter große Sendeantenne insgesamt eine
immense Gesamtleistung vorweisen kann. Die Elemente der Empfangsantenne
werden einzeln digital ausgelesen und können mittels spezieller
Prozessoreinheiten in Echtzeit zusammengefasst werden. Auf diese Weise
ändern die beiden Antennen innerhalb weniger Millisekunden ihre
Blickrichtung.
Darüber hinaus kann die Antenne mit einem Drehstand mechanisch
ausgerichtet werden. Eine eigene Wasserkühlung für jedes einzelne
Antennenelement trägt zudem zu einer besonders hohen Radarleistung bei. Dies
erhöht die Empfindlichkeit des Systems zusätzlich. Damit ist GESTRA bei der
Beobachtung von Weltraummüll nicht nur sehr dynamisch, sondern auch überaus
sensitiv. Sender und Empfänger sind in zwei getrennten Containern
untergebracht, was den flexiblen Einsatz an unterschiedlichen Orten erlaubt.
Diese Kombination aus Mobilität, digitaler Technik und Leistungsfähigkeit
macht GESTRA einzigartig. Die Anlage ist auf der Schmidtenhöhe bei Koblenz
aufgestellt.
Mit GESTRA steht dem ressortgemeinsamen Weltraumlagezentrum im Jahr 2024
eines der weltweit modernsten Radarsysteme zur Weltraumbeobachtung zur
Verfügung. Das deutsche Weltraumlagezentrum in Uedem hat schwerpunktmäßig
die Aufgabe, ein Lagebild für den Weltraum zu erstellen und zu bewerten
sowie nationale Raumfahrtsysteme vor der Kollision mit Weltraummüll zu
schützen. Nach Inbetriebnahme von GESTRA werden Mitarbeitende der Deutschen
Raumfahrtagentur im DLR das System aus dem Weltraumlagezentrum heraus
steuern. Denn dort laufen alle Messdaten zusammen, um daraus die Bahnen der
erfassten Objekte zu bestimmen. Ebenfalls sollen diese Daten von
Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland angefragt werden können.
Auch auf europäischer Ebene wird das Potenzial von GESTRA im Projekt
"EUSST" (EU Space Surveillance and Tracking) eingebracht. Die Maßnahmen zur
Integration des Sensors in EUSST werden Anfang 2024 beginnen und im ersten
Halbjahr abgeschlossen sein. Im niedrigen Erdorbit ist GESTRA nicht nur in
der Lage, Weltraumschrott zu erfassen, sondern auch offensive
Kleinsatelliten anderer Staaten aufzuspüren und deren Bahn zu verfolgen.
GESTRA erfüllt vollständig die Anforderungen ziviler und militärischer
Weltraumüberwachung und ist somit als prototypisches
Weltraumüberwachungsradar ein unverzichtbarer Baustein für eine hoch
leistungsfähige, international vernetzte Weltraum-Sicherheitsarchitektur.
Im erdnahen Weltraum ziehen mehrere tausend Satelliten ihre Bahnen. In
diesem Bereich befinden sich aber auch zigtausend Teile Weltraumschrott:
Insgesamt handelt es sich dabei um mehr als 10.000 Tonnen Material. Der
größte Teil davon befindet sich auf niedrigen Orbits in Höhen von bis zu
2000 Kilometern, im sogenannten "Low Earth Orbit" (LEO). Eine Kollision mit
genutzter Infrastruktur im Weltraum ist damit sehr wahrscheinlich. Auch die
Internationale Raumstation ISS ist auf ihrem Orbit in rund 400 Kilometern
Höhe davon betroffen. Um Kollisionen so weit wie möglich zu vermeiden,
werden kontinuierlich verlässliche Daten zur Weltraumlage benötigt, die von
Radarsystemen wie GESTRA bereitgestellt werden können.