Deutsches Weltraumradar eingeweiht
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
14. Oktober 2020
Jahr für Jahr kreisen immer mehr Satelliten um die Erde und
stellen inzwischen unverzichtbare Dienste bereit. Doch auch die Zahl
von defekten Sonden, Raketenoberstufen und Trümmerteilen im Orbit wächst, so
dass eine lückenlose Überwachung immer wichtiger wird. Bei Koblenz wurde nun mit
GESTRA ein modernes Weltraumüberwachsungsradar eingeweiht.

Vorderseite der phasengesteuerten Antenne von GESTRA mit 256 aktiven Elementen und integrierter Kühlung.
Foto: DLR [Großansicht] |
Im Weltraum ist (immer mehr) los: mehrere tausend Satelliten, Raumfahrzeuge
und andere Objekte ziehen auf Orbits zwischen 300 und 3000 Kilometer Höhe ihre
Bahnen. Nicht nur abgeschaltete Satelliten und Raketenoberstufen befinden sich
dort, sondern auch Hunderttausende kleiner Trümmer. Satelliten und andere
Weltrauminfrastruktur wie zum Beispiel die Internationale Raumstation ISS müssen
deshalb rund um die Uhr beobachtet werden, um Kollisionen zu vermeiden: "Aktive"
Objekte können gesteuert werden und Ausweichmanöver fliegen, "inaktiver"
Weltraumschrott wie ausgediente Satellitenteile oder auch Rückstände von Raketen
stellen eine potenzielle Gefahr dar.
Das Weltraumradar GESTRA (German Experimental Space Surveillance and Tracking
Radar) kann Weltraumobjekte im erdnahen Orbit rund um die Uhr überwachen. Es ist
in seiner Komplexität - mit jeweils 256 einzeln elektronisch ansteuerbaren
Sende- und Empfangseinheiten - und seinem Aufbau - mobil mit zwei getrennten
Containern für Sender und Empfänger - einzigartig.
Am 13. Oktober 2020 wurde GESTRA an seinem finalen Standort auf dem
Bundeswehrgelände Schmidtenhöhe bei Koblenz eingeweiht: "Von hier aus wird das
Experimentalradar einen entscheidenden Beitrag zur Sicherung unserer Satelliten
im erdnahen Weltraum leisten. GESTRA besteht aus einer Sende- und einer
Empfangseinheit, die beide hier aufgebaut sind. Mit ihnen können wir
Weltraumobjekte im sogenannten niedrigen Erdorbit detektieren und ihre Bahn
vermessen. Von hier aus werden die Messdaten an das deutsche Weltraumlagezentrum
nach Uedem gesendet. Dort entsteht ein umfangreicher Katalog, der uns rund um
die Uhr über die 'Lage im All' und mögliche Gefahren informiert", erläutert Dr.
Walther Pelzer, Vorstand des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR),
zuständig für das Raumfahrtmanagement.
"Wenn GESTRA nach Abschluss aller Tests voraussichtlich Anfang 2021 seinen
operativen Betrieb aufnimmt, erhält Deutschland erstmals unabhängig Daten für
die Erstellung eines eigenen Katalogs von Objekten im niedrigen Erdorbit," so
Pelzer weiter. GESTRA ist das erste deutsche Weltraumradar: Das DLR
Raumfahrtmanagement in Bonn hat GESTRA mit Mitteln des Bundesministeriums für
Wirtschaft und Energie (BMWi) vom Fraunhofer Institut für Hochfrequenzphysik und
Radartechnik (FHR) in Wachtberg bei Bonn in den vergangenen fünf Jahren
entwickeln und bauen lassen.
In den letzten Monaten ist GESTRA an seinem finalen Standort auf der
Schmidtenhöhe bei Koblenz installiert worden. Die Daten des deutschen
Experimentalradars werden im gemeinsam vom DLR Raumfahrtmanagement und der
Luftwaffe in Uedem (Niederrhein) betriebenen Weltraumlagezentrum verarbeitet.
Bereits vor einem Jahr, am 27. November 2019, hatte GESTRA im Rahmen von Tests
beim FHR in Wachtberg erste Signale von Weltraumobjekten empfangen. Die
Finanzierung des GESTRA-Betriebs erfolgt durch das Bundesministerium der
Verteidigung.
"Satelliten sind längst unverzichtbar für Staat, Wirtschaft und Gesellschaft,
Stichworte sind hier Navigations- und Kommunikationsdienste oder auch
Erdbeobachtungsdaten", unterstreicht Thomas Jarzombek, der Koordinator der
Bundesregierung für die Luft- und Raumfahrt. "Wir erleben derzeit ein nahezu
exponentielles Wachstum der Weltraumnutzung: Nach neuesten Zahlen kreisen heute
mehr als 3.000 aktive Satelliten um die Erde. Und in Zukunft werden es noch
deutlich mehr werden." Angesichts dessen werde ein sogenanntes Weltraumlagebild
immer wichtiger für den Schutz und die Nachhaltigkeit von Weltraumaktivitäten.
"Wir müssen genau wissen, wo sich die Satelliten und zehntausende
Weltraumschrott-Objekte zu einem gegebenen Zeitpunkt befinden, um katastrophale
Kollisionen verhindern zu können", so Jarzombek weiter.
GESTRA ist auch auf europäischer Ebene im Rahmen des Projekts EUSST (European
Space Surveillance and Tracking) eingebunden. Deutschland hat hier die Aufgabe,
die Messdaten der zu EUSST beitragenden Sensoren zu einem europäischen
Bahndatenkatalog zu verarbeiten.
Aufgrund der hohen Geschwindigkeiten kann ein Satellit bei einer Kollision im
Orbit vollständig zerstört werden. Die dabei entstehenden Trümmer erhöhen die
Gefahr von Kettenreaktionen und weiteren Kollisionen. Im Jahr 2009 gab es eine
schwere Kollision: Damals stießen der amerikanische Satellit Iridium-33
und der inaktive russische Cosmos-2251 zusammen. Allein dieser Unfall
verursachte mehr als 3000 messbare Schrottobjekte. Viele davon stellen bis heute
eine Gefahr für Satelliten dar, die deshalb regelmäßig Ausweichmanöver fliegen
müssen.
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