Weltraumschrott noch besser im Blick
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Fraunhofer-Instituts für Hochfrequenzphysik und
Radartechnik astronews.com
9. April 2018
Das Radarsystem TIRA lieferte kurz vor dem Absturz von
Tiangong 1 die letzten Bilder der außer Kontrolle geratenen chinesischen
Raumstation. Am Fraunhofer-Institut für Hochfrequenzphysik, wo das System
entwickelt wurde, arbeitet man bereits an der Weiterentwicklung von TIRA: GESTRA
soll im kommenden Jahr an den Start gehen und einen ganz neuen Blick auf den
Weltraumschrott ermöglichen.

Weltraumüberwachung mit GESTRA: Elektronisch
gesteuerte Antennen ermöglichen, aufgespürte
Objekte zu verfolgen und den Weltraum
gleichzeitig nach weiteren zu durchsuchen.
Foto: Fraunhofer FHR [Großansicht] |
Das Fraunhofer-Institut für Hochfrequenzphysik und Radartechnik FHR ist durch
seine langjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Weltraumraumbeobachtung mit Radar
ein etablierter Experte. Mit dem Radarsystem TIRA bietet es Fähigkeiten, die
sonst auf der Welt nicht verfügbar sind. Erst Anfang April lieferte es die
letzten Abbildungen der chinesischen Raumstation Tiangong-1, die um die
Welt gingen.
Doch die Wissenschaftler arbeiten an einer Erweiterung der Fähigkeiten. Mit
dem neuen Radarsystem GESTRA (German Experimental Space Surveillance and
Tracking Radar) wird es erstmals in Deutschland möglich sein, aktive
Satelliten und Weltraumtrümmer rund um die Uhr zu beobachten und damit einen
Bahndatenkatalog zu erstellen, der hilft, vor Zusammenstößen zu schützen.
Die "Verkehrssituation" im All ist angespannt: Neben unzähligen Satelliten
umkreisen Weltraumtrümmer wie zum Beispiel ausgebrannte Raketenstufen und
Bruchstücke von explodierten Raumfahrtobjekten die Erde. Diese verwandeln den
Orbit zunehmend in einen Schrottplatz. Es gibt inzwischen etwa 20.000 Objekte,
welche mit einer Größe von mehr als zehn Zentimetern und einem Tempo von
durchschnittlich 25.000 Kilometern pro Stunde um die Erde rasen. Hinzu kommen
700.000 kleinere Objekte, die immer noch größer als ein Zentimeter sind.
Durch ihre enorme Geschwindigkeit können auch diese Trümmerteilchen aktive
Satelliten beschädigen oder zerstören. Der Zusammenstoß zwischen einem
Trümmerteil und einem Satelliten kann nur durch ein Ausweichmanöver verhindert
werden. Allerdings sind Manöver dieser Art ressourcen- und zeitintensiv und
möchten vom Betreiber nur bei echter Gefährdung des Satelliten durchgeführt
werden. Um diese Gefährdung abschätzen zu können, ist einerseits eine möglichst
vollständige Katalogisierung der Weltraumobjekte sowie die hochpräzise
Bahnbestimmung der potenziellen Kollisionsobjekte notwendig. Beides kann durch
Radarsysteme erfüllt werden.
Für eine lückenlose, kontinuierliche Überwachung des Weltraums benötigt man
sogenannte "Phased Array Radare". Die elektronisch gesteuerten Gruppenantennen
sind in der Lage, den erdnahen Weltraum rund um die Uhr großräumig zu
überwachen. Mit dieser elektronisch schwenkbaren, auf neuester
Halbleitertechnologie basierenden Antenne, die innerhalb von Millisekunden
riesige Bereiche am Himmel abscannen kann, arbeitet das neue
Weltraumüberwachungsradar GESTRA. Dieses entwickelt das Fraunhofer FHR zurzeit
im Auftrag des Raumfahrtmanagements des Deutschen Zentrums für Luft- und
Raumfahrt (DLR).
Der Sensor besteht aus einer Sende- und einer Empfangseinheit, die jeweils in
einem 18 mal 4 mal 4 Meter großen Container integriert wurden. Durch die
kompakte Bauweise ist GESTRA ein mobiles System, welches an beliebige Standorte
transportiert werden kann. Wenn es 2019 für das Weltraumlagezentrum der
Bundeswehr in Betrieb geht, wird es erstmals aus Deutschland möglich sein,
großflächig die Trümmerpopulation im erdnahen Weltraum (in Bahnhöhen von 300 bis
3000 Kilometern) zu überwachen.
Durch einen kontinuierlichen Betrieb wird so ein Katalog der Weltraumtrümmer
im erdnahen Bereich entstehen. Diese neue Datenbasis wird einen großen Einfluss
auf die Weiterentwicklung und den Betrieb der Weltrauminfrastruktur von
Deutschland und Europa haben.
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