Überwachungssystem für Weltraummüll
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Fraunhofer-Gesellschaft astronews.com
17. August 2015
Die Bedrohung im All durch Weltraummüll ist groß. Aktive
Satelliten und Raumfahrzeuge können beschädigt oder zerstört werden. Ein neues,
nationales Weltraumüberwachungssystem soll ab 2018 vor Gefahren im Orbit
schützen. Dazu entwickeln Forscher jetzt im Auftrag des Deutschen Zentrums für
Luft- und Raumfahrt ein entsprechendes Radar.
Sowohl die Sende- als auch die
Empfangsantenne von GESTRA lassen sich vollständig
einfahren.
Bild: Fraunhofer FHR [Großansicht] |
Die "Verkehrssituation" im All ist angespannt: Neben unzähligen Satelliten
umkreisen Weltraumtrümmer wie beispielsweise ausgebrannte Raketenstufen und
Bruchstücke von explodierten Raumfahrtobjekten die Erde. Diese verwandeln den
Orbit zunehmend in einen Schrottplatz. Wissenschaftler schätzen, dass inzwischen
etwa 20.000 Objekte mit einer Größe von mehr als zehn Zentimetern und einem
Tempo von durchschnittlich 25.000 Kilometern pro Stunde um die Erde rasen. Hinzu
kommen 700.000 Objekte, die größer als ein Zentimeter sind.
Durch ihre enorme Geschwindigkeit können diese Trümmerteilchen aktive
Satelliten beschädigen oder zerstören. Besonders fatal: Weltraummüll vermehrt
sich wie durch einen Schneeballeffekt selber. Stoßen zwei Partikel aufeinander,
werden neue, kleinere Teilchen erzeugt. Ohne Gegenmaßnahmen nimmt der Schrott
rapide zu und könnte Raumfahrt unmöglich machen.
Der Handlungsbedarf ist groß. Das Raumfahrtmanagement des Deutschen Zentrums
für Luft- und Raumfahrt (DLR) konzipiert im Auftrag der Bundesregierung das
deutsche Raumfahrtprogramm. Es hat das Fraunhofer-Institut für
Hochfrequenzphysik und Radartechnik FHR in Wachtberg beauftragt, ein Radar zu
entwickeln und zu bauen, das Objekte im erdnahen Weltraum überwacht und
verfolgt. Denn dort ist die Kollisionsgefahr am größten - vor allem in einer
Höhe von 800 Kilometern.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) fördert das Projekt
GESTRA, kurz für German Experimental Space Surveillance and Tracking Radar,
über eine Laufzeit von vier Jahren mit 25 Millionen Euro. "Wir – das heißt
unsere Gesellschaft, Wirtschaft und Politik – sind von weltraumgestützten
Diensten zur Navigation, Kommunikation und Erdbeobachtung abhängig. Um die
Sicherheit der Satelliten zu gewährleisten, müssen wir wissen, was im Weltraum
passiert", sagt Dr. Andreas Brenner, stellvertretender Institutsleiter und
Abteilungsleiter am FHR.
GESTRA soll die Bahndaten von Satelliten und Trümmern in einer Höhe zwischen
300 und 3.000 Kilometern erfassen. Aufgabe des experimentellen Radars ist es
unter anderem, vor Zusammenstößen zu warnen, aber auch bei Eintritt von Objekten
in die Atmosphäre Alarm zu schlagen.
Die FHR-Forscher sind erfahren im Aufbau von Radaranlagen: Mit TIRA (Tracking
and Imaging Radar) betreiben sie bereits ein System, um Objekte im All
aufzuspüren. "TIRA ist ein mechanisch schwenkbares System, mit dem man einzelne
Objekte hochaufgelöst darstellen kann. Das neue Überwachungssystem hingegen ist
eine elektronisch schwenkbare Antenne, die sich – da keine schweren Massen
bewegt werden müssen – schnell schwenken lässt. Anders als TIRA kann sie sehr
viele Objekte gleichzeitig beobachten. Sie spürt diese mit hoher Genauigkeit und
Empfindlichkeit auf", sagt Brenner.
Ein Team von zwanzig Forschern baut sowohl das Sende- als auch das
Empfangssystem. Dabei handelt es sich jeweils um eine Phased-Array-Antenne als
Sensor, die aus zahlreichen Einzelelementen besteht. Sie arbeitet im
Frequenzbereich von 1,3 GHz. Dank Hochleistungsprozessoren kann diese
Gruppenantenne in Sekundenbruchteilen von Satelliten und Weltraumtrümmern
reflektierte Radarstrahlen aus mehreren Himmelsrichtungen zeitgleich empfangen.
Sie ist in der Lage, simultan in mehrere Richtungen zu sehen und ein sehr großes
Himmelsareal zu erfassen.
"Im Trackingmodus können wir einzelne Objekte gezielt verfolgen. Die Funktion
der digitalen Keulenbildung ermöglicht es rechnergestützt, die Strahlenbündel –
Experten bezeichnen diese als Keule – eng zu stellen und somit den Fokus gezielt
auf ein einzelnes Objekt zu richten und dieses zu verfolgen. Das kann man mit
dem Lichtkegel einer Taschenlampe vergleichen. Andererseits lässt sich die Keule
weit aufziehen, sodass ein breiteres Areal beobachtet und auf diese Weise
beispielsweise mehrere Trümmerteile verfolgt werden können", erläutert Brenner.
Sowohl die Sende- als auch die Empfangseinheit lassen sich vollständig
einfahren. Der Vorteil: Auf diese Weise ist der 4x4x16 Kubikmeter große
Container, der das Radar beherbergen soll, mobil und kann transportiert werden.
Das von DLR und Luftwaffe gemeinsam geführte Weltraumlagezentrum in Uedem wird
GESTRA, das an einem anderen Standort aufgebaut wird, ferngesteuert betreiben.
Das Weltraumüberwachungssystem soll ab 2018 den Messbetrieb aufnehmen. Die
Daten von GESTRA sollen Forschungseinrichtungen in Deutschland zur Verfügung
gestellt werden und die Grundlage für die künftige Entwicklung der
Weltraumüberwachung bilden.
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