Raketenteile erstmals mit Laser angepeilt
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
7. Februar 2012
Die Raumfahrtaktivitäten der letzten Jahrzehnte haben rund um die Erde
zahlreiche Trümmerteile hinterlassen, die für heutige Satelliten immer
mehr zur Gefahr werden. DLR-Wissenschaftlern ist es nun zusammen mit
österreichischen Kollegen gelungen, Schrottteile im Erdorbit mit dem
Laser anzupeilen. Später könnten sie auf diese Weise sogar zum Absturz
gebracht werden.
In den Umlaufbahnen um die Erde befinden sich
neben aktiven Satelliten auch viele
Schrottteilchen, die durch Kollisionen,
ausgediente Satelliten oder Raketenoberstufen
entstehen.
Bild: ESA |
Jährlich nimmt die Zahl kleiner Schrottteilchen im Weltall um mehrere
Zehntausende zu. Noch beruht diese Zahl auf Schätzungen, denn eine
genaue Verfolgung dieses Weltraummülls ist bisher nicht möglich.
Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR)
entwickeln derzeit ein optisches Beobachtungssystem mit einem
leistungsstarken Laser, dessen Pulse auch Teilchen mit einem Durchmesser
von nur wenigen Zentimetern erfassen und ihre Umlaufbahn vermessen kann.
Das Konzept wurde im Januar 2012 in Zusammenarbeit mit der Laserstation
Graz bereits erfolgreich getestet: Erstmals konnten in Europa die
Umlaufbahnen von ausgedienten Raketenteilen mit einem Laser vermessen
werden. In Zukunft könnte ein stärkerer Laser dann diese Teilchen auch
von ihrer Bahn abbringen und zum Verglühen in die Erdatmosphäre
wiedereintreten lassen.
Mehr als 20 verschiedene Raketenteile in einer Entfernung von 500 bis
1800 Kilometern spürte der Laserstrahl auf, den die Laserstation Graz
des Instituts für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie
der Wissenschaften (ÖAW) ins All schickte, um nach den Berechnungen der
DLR-Wissenschaftler aus Stuttgart Schrottteile aufzuspüren und deren
Entfernung zur Erde zu vermessen. "Damit haben wir die Bestätigung, dass
unsere Idee funktioniert", erläutert Prof. Adolf Giesen, Leiter des
DLR-Instituts für Technische Physik.
Auch wenn lediglich Weltraumschrott in einer Größe von mehreren Metern
vermessen wurde - das erfolgreiche Experiment ist ein wichtiger Schritt
für die Wissenschaftler. "Zurzeit entwickeln und bauen wir ein System
zur Erfassung von Weltraumschrott. Dazu gehört auch ein Laser mit einer
höheren Pulsenergie, der auch deutlich kleinere Teile im Weltall
erfassen und vermessen kann - dann ist die Ortung von zehn Zentimeter
großen Objekten möglich."
Die Notwendigkeit, auch Weltraumschrott in einer Größe von einem
Zentimeter zu verfolgen und dessen Umlaufbahnen zu berechnen, nimmt mit
jedem Jahr zu. Ausgediente Satelliten oder auch Raketenoberstufen
kollidieren im All und zerschellen in immer kleinere Teile. Stoßen zwei
Satelliten zusammen, wie im Februar 2009 Iridium 33 und
Kosmos-2251 (astronews.com berichtete), entsteht weiterer
Weltraummüll. Bereits jetzt sind in Höhen von 800 bis 1.400 Kilometern
so viele größere und kleinere Teile im Umlauf, dass aktive Satelliten
dabei Schaden nehmen könnten.
"Schon ein Teilchen mit einem Durchmesser von einem Zentimeter kann beim
Auftreffen einen Satelliten komplett zerstören", erläutert
DLR-Abteilungsleiter Wolfgang Riede. Immerhin kreist der Weltraumschrott
mit einer Geschwindigkeit von etwa acht Kilometern in der Sekunde durchs
All - bei Kollisionen von Objekten, die aus entgegengesetzter Richtung
aufeinanderprallen, beträgt die Relativgeschwindigkeit häufig 14
Kilometer in der Sekunde. Ausweichmanöver sind dabei nur dann effektiv,
wenn die Positionen des Schrotts möglichst exakt berechnet werden
können. Die Beobachtung mit herkömmlichen Radarteleskopen kann dies nur
bedingt leisten, und so werden teilweise unnötige Ausweichmanöver mit
hohem Treibstoffverbrauch geflogen. Aber auch vermeidbare Kollisionen
sind eine Folge von ungenauen Bahnbestimmungen, wenn - wie im Februar
2009 - notwendige Änderungen der Flugbahnen unterlassen werden.
Deshalb haben sich die Physiker am DLR Stuttgart ein ehrgeiziges Ziel
gesetzt, das sie bis 2014 erreichen wollen: Sie konstruieren eine Sende-
und Empfangseinheit sowie einen Laser, der pro Sekunde 1000 Pulse vom
Boden ins Weltall schickt, um das von Schrottteilchen reflektierte Licht
mit größter Empfindlichkeit aufzuzeichnen. "Wir schicken hochintensive
Laserpulse ins Weltall und zählen anschließend wirklich die einzelnen
Photonen, die zurückkommen", erläutert Institutsleiter Giesen. Die
Oberflächen der zerlegten Raketen oder Satelliten reichen von schwarz
bis glänzend - und sind deshalb schwer zu erkennen. Zudem müssen die
Wissenschaftler auch den störenden Einfluss der Atmosphäre
berücksichtigen.
Dennoch reicht diese geringe Anzahl Photonen den Wissenschaftlern
bereits, um Entfernung, Richtung und Lage des Weltraumschrotts mit
großer Genauigkeit zu berechnen. Auf den Boden übertragen wäre diese
Genauigkeit kaum vorstellbar: Man müsste dann mit dem zukünftigen
Beobachtungssystem von Stuttgart aus erkennen können, welche Hand eine
Person an der Ostsee hebt.
Nach dem Aufbau eines Katalogs, der möglichst viele dieser kleinen
Schrottteilchen enthält und ihre jeweils aktuellen Positionen
verzeichnet, könnte der nächste Schritt - hin zur Reduzierung des
Weltraummülls - folgen. "Wenn sich der Weltraumschrott weiterhin
vermehrt, können auf den besonders vollen Umlaufbahnen kaum noch
funktionstüchtige Satelliten gefahrlos fliegen", erläutert Giesen. "Ihre
Lebensdauer wäre sehr verkürzt".
Eine Lösung könnte auch hier der Einsatz von extrem starken Lasern sein.
Trifft der Laserstrahl auf ein Schrottteilchen, würde Material auf
dessen Oberfläche verdampfen und dabei das Teilchen verlangsamen. Schon
wenn die Geschwindigkeit um nur 200 Meter pro Sekunde sinkt, würde
dieses Objekt in den nächsten Jahren langsam absinken und bei der
Annäherung an die dichtere Atmosphäre verglühen. In etwa zehn Jahren,
schätzt Giesen, könnte diese Methode erstmals zum Einsatz kommen.
"Dadurch würde sich der Anteil an Weltraummüll kontinuierlich
vermindern", erläutert Giesen. "Ansonsten wären in 20 bis 30 Jahren so
viele Schrottteilchen in einer Umlaufbahn um die Erde, dass in den
wichtigen erdnahen Bahnen Raumfahrt kaum noch möglich sein wird."
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