Verlässliche Daten zur Lage im Erdorbit
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Fraunhofer-Instituts für Hochfrequenzphysik und
Radartechnik astronews.com
18. November 2021
Die Ereignisse der letzten Tage haben es gezeigt: Für die
astronautische Raumfahrt kann die Überwachung des erdnahen Weltraums
überlebenswichtig sein. In Deutschland wurden dazu mit TIRA und GESTRA zwei
leistungsfähige und sich ergänzende Einrichtungen entwickelt. Das zeigte sich
auch wieder durch ganz aktuelle TIRA-Beobachtungen.

Weltraumbeobachtungsradar TIRA (Tracking and
Imaging Radar) am Fraunhofer FHR in Wachtberg bei
Bonn (links) und eine schematische Ansicht
des Radarnetzwerks zur Weltraumüberwachung
(rechts) bestehend aus GESTRA EUSST Empfänger
(Vordergrund) und GESTRA-System (Hintergrund).
Bild: Fraunhofer FHR / Andreas Schoeps [Großansicht] |
Die verlässliche Aufklärung der Weltraumlage ist für die zivile,
militärische und kommerzielle Raumfahrt unerlässlich. Das Fraunhofer-Institut
für Hochfrequenzphysik und Radartechnik FHR bietet hierzu mit TIRA (Tracking and
Imaging Radar) und GESTRA (German Experimental Space Surveillance and Tracking
Radar) zwei präzise, sich ergänzende Systeme.
Das in Europa einzigartige TIRA nutzt eine 34-m-Cassegrain-Antenne und
besteht aus zwei Radaren, einem schmalbandigen Pulsradar zur Verfolgung, das im
L-Band arbeitet, sowie einem breitbandigen abbildenden Radar, das im Ku-Band
arbeitet. Ersteres liefert hochgenaue Orbitalparameter, letzteres hochauflösende
Bilder von Weltraumobjekten. Das Tracking-Radar ist empfindlich genug, um eine
2-cm-Kugel in einer Entfernung von 1000 Kilometern zu erkennen. Darüber hinaus
liefert das Abbildungsradar hochauflösende ISAR-Bilder (Inverse Synthetic
Aperture Radar) von Weltraumobjekten.
Der Einsatzschwerpunkt von TIRA ist die Unterstützung von Weltraumissionen
vom Start bis zum Wiedereintritt. TIRA ermöglich unter anderem die
In-Orbit-Statusbewertung von Weltraumobjekten oder die Detektion von
Weltraumtrümmer. Aber auch bei Beseitigung und Recycling von Weltraumschrott
sind die Fähigkeiten von TIRA gefragt. Hier arbeiten die Forscherinnen und
Forscher des Fraunhofer FHR mit verschiedenen Initiativen und Firmen zusammen:
So beobachten sie für 2025 geplante ESA Mission Clear Space 1 Objekte
wie Raketenoberstufen und erstellen erste Analysen über deren Eigenbewegungen.
Um die durch den zunehmenden Weltraumschrott bedrohten Satelliten besser zu
schützen, hat das Fraunhofer-Institut für Hochfrequenzphysik und Radartechnik
FHR im Auftrag der Deutschen Weltraumagentur im DLR einen leistungsfähigen
experimentellen Radarsensor zur Weltraumbeobachtung entwickelt: GESTRA (German
Experimental Space Surveillance and Tracking Radar). Das volldigitale Phased-Array-System
GESTRA ist seit Mitte 2021 in Betrieb. Derzeit wird eine Evolutionsstufe eines
weiteren Einzelempfängers vom Fraunhofer-FHR konzipiert und aufgebaut. Das
Zusammenwirken beider Systeme wird in Zukunft die Grundlage für ein geplantes
zusammenhängendes Netzwerk für Space Situational Awarenss-Aktivitäten sein.
Um die beste Leistung jedes einzelnen Systems zu ermöglichen, ist eine
kontinuierliche Weiterentwicklung der Technologie und der Algorithmen notwendig.
Um diese Ziele zu erreichen, arbeitet das Fraunhofer FHR mit Industriepartnern
zusammen. "Mit TIRA und GESTRA forscht das Fraunhofer FHR gemeinsam mit seinen
Partnern aus Industrie und Verteidigung an zwei Systemen, die den wachsenden
Herausforderungen an die Erfassung der Weltraumlage begegnen können. Wir freuen
uns, den Stand der Projekte auf der Space Tech Expo Europe zu zeigen", so Prof.
Peter Knott, Institutsleiter des Fraunhofer FHR.
Ein Anwendungsbeispiel für TIRA bot sich unvermittelt durch den Abschuss des
ausgedienten Satelliten Cosmos 1408 durch Russland: TIRA konnte auf der
ehemaligen Bahn des Satelliten eine starke Zunahme von Trümmerteilen
feststellen. Diese Wolke war der Internationalen Raumstation ISS zu Wochenbeginn
bedrohlich nahe gekommen. Die Besatzung musste sich daher vorsichtshalber in die
angedockten Raumschiffe zurückziehen. Der Abschuss des russischen Satelliten
hatte weltweit Kritik ausgelöst, die von Russland zurückgewiesen wurde.
Die Themen Weltraumbeobachtung und Weltraumüberwachung stehen auch im Fokus
des Messeauftritts des Fraunhofer FHR auf der Space Tech Expo Europe 2021.
Europas größter Ausstellung und Konferenz für die Raumfahrtindustrie findet noch
bis heute in Bremen statt.
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