Gemeinsame Suche nach bislang unentdeckten Pulsaren
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik astronews.com
6. November 2023
Im Rahmen des Projektes Einstein@Home wird
ungenutzte Rechenleistung von Freiwilligen verwendet, um in Radiodaten nach
Hinweisen auf Pulsare zu suchen. Jetzt hat sich Einstein@Home mit
Zooniverse zusammengetan, um aus 50.000 vielversprechenden
Einstein@Home-Pulsar-Kandidaten die Objekte auszuwählen, die eine genauere
Betrachtung verdienen.
Pulsare sind schnell rotierende
Neutronensterne.
Bild: NASA [Großansicht] |
Seit seinem Start im Jahr 2005 sucht und findet das verteilte freiwillige
Rechenprojekt Einstein@Home neue Neutronensterne, kompakte Überreste
explodierter massereicher Sterne. Das Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik
(Albert-Einstein-Institut) in Hannover und die University of
Wisconsin-Milwaukee führen das Projekt durch. Einstein@Home
bündelt die ansonsten ungenutzte Rechenleistung auf den PCs von mehr als 15.000
Freiwilligen und ist damit eines der weltweit größten Projekte dieser Art. Seit
2009 hat Einstein@Home Daten des Arecibo-Radioteleskops ausgewertet und
dabei 31 neue Radiopulsare, eine besondere Art von Neutronensternen, gefunden.
Jetzt arbeitet Einstein@Home mit Zooniverse zusammen. Auf diesem
erfolgreichen Webportal für Bürgerwissenschaften können Freiwillige grafische
Darstellungen der Einstein@Home-Ergebnisse klassifizieren um so weitere Pulsare
in den Arecibo-Daten zu entdecken.
"Es war schon lange unser Plan, Freiwillige stärker bei Einstein@Home
einzubinden und sie aktiv Pulsar-Kandidaten betrachten und klassifizieren zu
lassen. Es ist großartig, dass das mit diesem neuen Zooniverse-Projekt
Wirklichkeit wird", sagt Bruce Allen, Direktor von Einstein@Home und
Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Hannover.
Neutronensterne sind kompakte Überreste von Supernova-Explosionen und bestehen
aus extrem dichter Materie. Sie sind etwa 25 Kilometer groß und wiegen mehr als
unsere Sonne. Aufgrund ihrer starken Magnetfelder und ihrer schnellen Rotation
senden sie wie ein kosmischer Leuchtturm Radiowellen in schmalen Strahlen aus.
Wenn diese Strahlen während der Rotation des Neutronensterns auf die Erde
gerichtet sind, wird er als Radiopulsar sichtbar.
Pulsare sind hervorragende Werkzeuge für die Astrophysik, die Forschung in
verschiedenen Bereichen der Astronomie ermöglichen, beispielsweise um Einsteins
Allgemeine Relativitätstheorie zu testen, extrem dichte Materie zu verstehen,
das dünne Gas zwischen den Sternen und das Magnetfeld unserer Galaxie zu
untersuchen und nach niederfrequenten Gravitationswellen zu suchen. Bisher hat
Einstein@Home 31 Radiopulsare in Daten des Arecibo-Teleskops, 24 Radiopulsare in
Daten des Parkes-Observatoriums in Australien und 39 Gammastrahlen-Pulsare in
Daten des Fermi Gamma-ray Space Observatory der NASA entdeckt. Das
langfristige Ziel des Projekts ist es, die bisher noch nie beobachteten
kontinuierlichen Gravitationswellen von Neutronensternen zu entdecken.
Auf der Suche nach neuen Radiopulsaren beobachten Teleskope wie das berühmte
Arecibo-Radioteleskop, das leider im Dezember 2020 eingestürzt ist,
Hunderttausende von Himmelspositionen für jeweils einige Minuten. Jede dieser
Beobachtungen muss dann auf das von Radiopulsaren erwartete regelmäßige Blinken
überprüft werden. Die Suche nach Pulsaren, die allein im Weltraum sind, lässt
sich in kurzer Zeit mit einer kleinen Anzahl von Computern durchführen. Die
Suche nach Pulsaren in engen Umlaufbahnen um Begleitsterne ist sehr viel
rechenintensiver, aber potenziell sehr lohnenswert. Astronominnen und Astronomen
schätzen, dass es in unserer Galaxie mindestens ein Doppelsystem aus zwei
Neutronensternen gibt, die sich in nur zehn Minuten umrunden. Die Beobachtung
eines solchen Systems würde einige der genauesten Tests der Allgemeinen
Relativitätstheorie ermöglichen, die je durchgeführt wurden.
Die Einstein@Home-Freiwilligen und die Rechenleistung, die sie dem Projekt
zur Verfügung stellen, machen eine solche Suche erst möglich. Wenn die Computer
der Freiwilligen die Analyse einer Arecibo-Beobachtung abgeschlossen haben, ist
das Endergebnis ihrer gemeinsamen Bemühungen eine lange Liste von fast 400.000
Kandidaten (mögliche Pulsarsignale), die jeweils durch eine Handvoll Zahlen
beschrieben werden. In der Regel ist nicht mehr als ein echter Pulsar in einer
Beobachtung zu erwarten.
"Einstein@Home hat mehr als 150.000 Beobachtungen des Arecibo-Radioteleskops
ausgewertet, die im Rahmen der PALFA-Durchmusterung entstanden sind", sagt
Alexandra Botnariuc, Doktorandin am AEI Hannover. "Daraus ergibt sich die
gigantische Zahl von 60 Milliarden Pulsar-Kandidaten! Das sind viel zu viele, um
sie einzeln zu untersuchen, und die meisten von ihnen sind ohnehin keine echten
astrophysikalischen Signale." Sie entwickelte und implementierte einen
Algorithmus, um diese Zahl zu reduzieren. Die Methode spürt ähnliche Kandidaten
auf, die wahrscheinlich durch dasselbe astrophysikalische Signal verursacht
werden, und identifiziert diejenigen, die echten Pulsaren am meisten ähneln.
Zum Projektstart hat das Forschungsteam grafische Darstellungen der 50.000
vielversprechendsten Einstein@Home-Pulsar-Kandidaten erstellt und ein neues
Zooniverse-Projekt namens Pulsar Seekers ins Leben gerufen. "Die Zahl
der Kandidaten ist so groß, dass eine einzelne Person diese Aufgabe nicht
bewältigen kann. Daher ist die gemeinsame Anstrengung der Zooniverse-Teilnehmer
von unschätzbarem Wert, um echte Pulsare zu identifizieren", sagt Rahul Sengar,
wissenschaftlicher Mitarbeiter an der University of Wisconsin-Milwaukee, der das
Pulsar-Seekers-Projekt leitet. "Wir sind sehr gespannt, was die Zooniverse-Freiwilligen
in unseren Daten entdecken werden!"
Die Bürgerwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler erhalten auf Zooniverse
eine kurze und einfache Anleitung, in der sie lernen, wie sie echte Pulsare von
Störsignalen unterscheiden können. "Wenn alles gut läuft und mehrere tausend
Zooniverse-Freiwillige an Pulsar Seekers teilnehmen, können sie in nur
wenigen Tagen unsere ersten 50.000 Pulsar-Kandidaten durchforsten, die Spreu vom
Weizen trennen und vielleicht einige interessante neue Pulsare finden", sagt
Colin Clark, Forschungsgruppenleiter am AEI Hannover. Dies könnte erst der
Anfang einer längeren Zusammenarbeit zwischen Einstein@Home und Zooniverse sein.
"Es ist möglich, dass wir bei unserer jetzigen Vorauswahl mögliche Pulsare
übersehen haben, aber wir können noch tiefer graben und weitere Diagramme
erstellen, die sich die Freiwilligen von Zooniverse ansehen können", fügt Clark
hinzu.
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