Pulsarfund als Test für Relativitätstheorie?
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik astronews.com
7. April 2011
Anfang März gaben Wissenschaftler des Projekts Einstein@Home die
Entdeckung eines neuen Pulsars bekannt. Der Fund könnte sich als regelrechter
Glücksfall erweisen, da der Pulsar einen Begleiter besitzt, der fast die Masse
unserer Sonne hat. Beide Objekte umrunden einander auf einer nahezu perfekten
Kreisbahn. Das System könnte sich damit zum Test von Einsteins
Relativitätstheorie eignen.
Schematische Darstellung des Systems J1952+2630.
Die Bahnen sind kreisförmig und erscheinen nur
durch die Perspektive elliptisch. Im Hintergrund
der Bildschirmschoner von Einstein@Home. Bild:
AEI |
Neutronensterne sind Exoten. Sie bestehen aus Materie, die viel dichter
gepackt ist als gewöhnlich und rotieren mit hohem Tempo um die eigene
Achse. Dabei senden sie Strahlung aus und werden häufig als Pulsare im
Radiowellenbereich sichtbar. Forscher des Max-Planck-Instituts für
Gravitationsphysik in Hannover haben im Rahmen der internationalen PALFA-Kollaboration
und dank engagierter Teilnehmer am Projekt Einstein@Home
nun einen Pulsar entdeckt, der gemeinsam mit einem Weißen Zwerg – einer
ausgebrannten Sonne – einen perfekten Kreistanz aufführt (astronews.com
berichtete). Anhand des
sogenannten Shapiro-Effekts wollen die Forscher das Paar nun "wiegen". Um knifflige Fragestellungen der Allgemeinen Relativitätstheorie zu beantworten, bleibt den
Wissenschaftlern meist nur der Blick tief ins All. Und selbst dort sind die geeigneten astrophysikalischen
Objekte aus dem Datenwust oft nur mit großer Mühe herauszufiltern. Deshalb lassen sich die
Wissenschaftler bei der zeitaufwendigen Datenanalyse von Freiwilligen helfen, die für Projekte wie
Einstein@Home ungenutzte Rechenleistung ihrer Heim- oder Bürocomputer zur Verfügung stellen.
Mit dieser Unterstützung fand die Arbeitsgruppe von Bruce Allen, Direktor am Max-Planck-Institut für
Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut, AEI) in Hannover, gemeinsam mit Kollegen der PALFA-Kollaboration
den Radiopulsar J1952+2630. Die Forscher wurden in den Daten des Arecibo-Teleskops
fündig. "Ich bin sehr begeistert, dass das Einstein@Home-Team einen weiteren exotischen Radiopulsar
aufgespürt hat. Diese erstaunlichen Objekte sind wirklich extrem, auf ein Drittel ihrer Größe
zusammengedrückt, würden sie zu einem Schwarzen Loch kollabieren", sagt Allen.
"Ein großes Dankeschön geht an die Tausenden Freiwilligen, ohne die wir die
Entdeckung nicht gemacht hätten."
J1952+2630 blitzt alle 20,7 Millisekunden einmal auf und befindet sich in einer Entfernung von rund
31.000 Lichtjahren von der Erde. Aus der Modulation der Radiopulse schlossen die Astronomen, dass
der Pulsar einen Partnerstern mit einer Mindestmasse von 95 Prozent der Sonnenmasse besitzt. Der
Tanz beider Himmelskörper einmal um den gemeinsamen Schwerpunkt dauert 9,4 Stunden und ist
nahezu perfekt kreisförmig.
Aus dieser Bahnform ziehen die Astrophysiker wichtige Schlüsse über Natur und
Entwicklungsgeschichte des Begleiters, den sie gar nicht direkt sehen können: Er ist wahrscheinlich ein
(verhältnismäßig massereicher) Weißer Zwerg – ein ausgebrannter Stern, der einmal ein recht gewöhnliches
Dasein geführt hat, so wie unsere Sonne auch. Am Ende seines Lebens blähte er sich zu einem Roten
Riesen auf und stieß die äußere Materieschicht ab. Einen Teil dieser Materie saugte dann der
Neutronenstern auf.
Die beiden Sterne tauschten auch (Bahn-)Drehimpuls aus, wobei sich ihre Umlaufbahnen in perfekte
Kreise verwandelten. Hätte der Stern früher deutlich mehr Masse als die Sonne besessen, dann hätte er
sich am Ende seines Lebens bei einer Supernova-Explosion ebenfalls in einen Neutronenstern
verwandelt. Und durch den dabei entstehenden Impuls wäre er asymmetrisch in eine elliptische Bahn
gekickt worden.
Die Kombination aus einem Neutronenstern und einem recht massereichen Weißen Zwerg bei
kreisrunder Umlaufbahn ist selten; gewöhnlich haben Weiße Zwerge bei solchen Bahnorbits lediglich
0,1 bis 0,3 Sonnenmassen. Und gerade einmal ein halbes Dutzend der rund hundert bekannten
Zweifachsternsysteme mit Pulsar weisen diese Eigenschaften auf. Bisher kennen die Astronomen 1.900
Pulsare, Einzelgänger eingeschlossen.
"Dank der relativ hohen Masse des Begleiters eignet sich dieses Doppelsternsystem vermutlich zum
Testen eines allgemeinrelativistischen Phänomens, nämlich dem der Laufzeitverzögerung von Licht",
sagt Bruce Allens Doktorand Benjamin Knispel. "Damit könnten wir auch die Massen
der beiden Komponenten exakt bestimmen."
Dieser auch als Shapiro-Verzögerung bezeichnete Effekt entsteht, wenn sichtbares Licht oder
Radiowellen auf dem Weg durchs All ein Gravitationsfeld, etwa das eines Sterns, passiert. Das
Schwerefeld lenkt die Strahlen von der geraden Bahn ab. Für diesen Umweg braucht das Licht aber
etwas mehr Zeit. Während sich nun ein Weißer Zwerg in die Sichtlinie zwischen Pulsar und Erde
schiebt, müssen die regelmäßig vom Neutronenstern ausgesandten Radiopulse eine immer weitere
Strecke zurücklegen.
Auf diese Weise treffen die Pulse nacheinander in jeweils größerem zeitlichem Abstand beim
Beobachter ein. "Um dies zu messen, müssen wir möglichst von der Seite auf das System blicken, also
auf die Kante der Bahnebene, sodass der Radiopuls des Neutronensterns bei bestimmten räumlichen
Konstellationen das Schwerefeld des Weißen Zwergs auf dem Weg zu uns durchläuft", sagt Knispel. Mit
dieser Methode ließen sich die beiden Sterne wiegen. Hierzu plant Benjamin Knispel schon zusammen
mit seinen Kollegen die nächsten Beobachtungen.
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