Pulsarentdeckungen mit Freiwilligenhilfe
Redaktion
/ Pressemitteilung der MPI für Radioastronomie und Gravitationsphysik astronews.com
27. November 2013
Durch die Hilfe zahlreicher Freiwilliger, die die
Rechenleistung ihrer Computer dem Projekt Einstein@Home zur Verfügung stellen,
gelang jetzt die Entdeckung von gleich vier Gammapulsaren. Die rotierenden
Neutronensterne wurden in den
Daten des NASA-Weltraumteleskops Fermi aufgespürt. Die Forscher hoffen auf
zahlreiche weitere Funde.
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Die jetzt im
Rahmen des Projekts Einstein@Home entdeckten
Pulsare in den Daten des Satelliten Fermi.
Bild: Knispel / Pletsch / AEI / NASA /
DOE / Fermi LAT Collaboration [Großansicht] |
Seit seinem Start im Jahr 2008 beobachtet der NASA-Satellit Fermi
den gesamten Himmel im Bereich der Gammastrahlung und entdeckte dabei Tausende
neue Quellen hochenergetischer Strahlung. Bei zahlreichen dieser
Quellen dürfte es sich um Pulsare handeln, also um kompakte, schnell rotierende
Überreste explodierter Sterne. Allerdings ist es sehr aufwendig, diese sogenannten
Gammapulsare in den Beobachtungen zu identifizieren. Es erfordert insbesondere sehr viel
Rechenzeit, um die Daten entsprechend zu durchforsten.
Aus diesem Grund haben Astronomen sich ein Verfahren ausgedacht, durch das
sich jedermann mit seinem Computer an der Suche nach Pulsaren beteiligen kann. "Das Innovative an unserer Lösung für die rechenaufwendige Suche
nach Gammapulsaren ist die Kombination besonders effizienter Verfahren mit der
verteilten Rechenkraft von Einstein@Home", sagt Holger Pletsch, Leiter einer
unabhängigen Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik
(Albert-Einstein-Institut/AEI) und Erstautor einer jetzt veröffentlichten Studie
über die Entdeckung von gleich vier neuen Pulsaren durch Teilnehmer des
Projekts. "Die Freiwilligen aus aller Welt ermöglichen es uns, den riesigen
Rechenberg der Fermi-Datenanalyse zu bewältigen. Sie leisten so einen
unschätzbaren Dienst für die Astronomie", so Pletsch.
Einstein@Home ist ein Gemeinschaftsprojekt des Center for Gravitation and
Cosmology an der US-amerikanischen University of Wisconsin–Milwaukee
und des AEI in Hannover, das von der National Science Foundation und
der Max-Planck-Gesellschaft gefördert wird. Es sucht seit Mitte 2011 in Daten
des Satellitenobservatoriums Fermi nach den Signalen von Gammapulsaren.
Ursprünglich wurde das Projekt 2005 ins Leben gerufen, um in den Daten des
US-amerikanischen LIGO-Observatoriums nach Gravitationswellen zu fahnden -
weiterhin die Hauptaufgabe von Einstein@Home.
Seit Anfang 2009 widmet sich Einstein@Home auch sehr erfolgreich der Suche
nach neuen Radiopulsaren. "Die erstmalige Entdeckung von Gammapulsaren durch
Einstein@Home ist nicht nur für uns, sondern auch für unsere freiwilligen
Projektteilnehmer ein wichtiger Meilenstein. Es zeigt, dass jeder PC-Besitzer
einen Beitrag zur Spitzenforschung leisten und astronomische Entdeckungen machen
kann", freut sich Koautor Bruce Allen, Direktor am AEI und Chefwissenschaftler
von Einstein@Home. "Ich hoffe, dass sich unsere Begeisterung nun auf noch mehr
Menschen überträgt, die uns bei weiteren Entdeckungen unterstützen."
Jeder Teilnehmer von Einstein@Home kann selbst zum Entdecker werden. Diese Erfahrung machte etwa Thomas
M. Jackson aus dem US-Bundesstaat Kentucky: "Zuerst war ich ein bisschen
sprachlos und dachte, jemand erlaubt sich einen Scherz mit mir. Aber nachdem ich
ein bisschen nachgeforscht hatte, stellte sich alles als echt heraus. Dass
jemand so unbedeutendes wie ich tatsächlich etwas bewegen kann, ist großartig",
so Jackson, dessen Computer einen entscheidenden Hinweis zum Aufspüren eines
Pulsars lieferte.
Die Beiträge aller Einstein@Home-Teilnehmer werden in der Veröffentlichung
in den Astrophysical Journal Letters gewürdigt. Insbesondere danken die Wissenschaftler namentlich den acht
Freiwilligen, deren Computer die Entdeckungen machten. Sie stammen aus
Australien, Deutschland, Frankreich, Kanada, den USA und Japan. Als Anerkennung
erhalten die Acht besondere Entdeckungszertifikate.
Die vier Gammapulsare sind nicht nur die ersten, die Astronomen mit einem
solchen Projekt mit Freiwilligen gefunden haben. Die kosmischen Leuchttürme
selbst weisen auch einige Besonderheiten auf. "Spannend ist, dass alle vier
Pulsare entlang der Ebene der Milchstraße liegen", so Koautor Michael Kramer,
Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR). Durchmusterungen im
Radiobereich hatten diesen Himmelsabschnitt bereits intensiv unter die Lupe
genommen, die vier Pulsare waren dabei aber verborgen geblieben; entdeckt wurde
lediglich ein vergleichbarer Neutronenstern. Die Pulsare lassen sich also
offenbar nur im Gammabereich beobachten.
Radio- und Gammastrahlung entstehen in verschiedenen Raumbereichen um den
Pulsar. Eine Erklärung ist die Ausrichtung des Neutronensterns zur Erde. Dabei
strahlt möglicherweise sein schmaler Radiokegel an ihr vorbei, während sich der
breitere Kegel der Gammastrahlung von der Erde aus beobachten lässt. Gezielte
Folgebeobachtungen der vier Neuentdeckungen mit der 100-Meter-Antenne des MPIfR
bei Effelsberg und dem australischen Parkes-Radioteleskop bestätigten
das Fehlen von Radiostrahlung.
"Mit den erfolgreichen Blindsuchen nach Gammapulsaren nutzen wir ein neues
Fenster zur Entdeckung von Neutronensternen", so Kramer. Die neuen Methoden
nutzen Verfahren aus der Gravitationswellen-Datenanalyse. Mit ihnen hatten
Astronomen um Pletsch zuvor alle elf Gammapulsare aufgespürt, die in den
vergangenen drei Jahren in Blindsuchen der Fermi-Daten gefunden wurden.
Bei zwei der Neuentdeckungen war während des Beobachtungszeitraums die
ansonsten gleichmäßige Rotation von einer plötzlichen, ruckartigen
Beschleunigung, sogenannte Glitches, gestört. Der Neutronenstern drehte
sich dabei unvermittelt schneller, bremst dann langsam wieder ab und kehrte nach
einigen Wochen zur alten Rotationsperiode zurück. "Die genaue Ursache dieser
Glitches kennen wir nicht. Doch ihre Messung kann neue Einblicke in das
bisher nur unvollständig verstandene Innere der Neutronensterne eröffnen",
erklärt Lucas Guillemot. Der Forscher war zur Zeit der Entdeckungen am MPIfR und
arbeitet inzwischen am LPC2E in Orléans.
Glitches treten vor allem bei nach astronomischen Maßstäben erst
kürzlich entstandenen Pulsaren auf. Das passt zu den vier neuen Pulsaren, die
nach den Messungen der Forscher zwischen 30.000 und 60.000 Jahre alt und damit
unter Neutronensterne gewissermaßen Jungspunde sind.
Besonders in Zukunft werden die effizienten Suchmethoden eine immer
wichtigere Rolle spielen, denn Fermi wird voraussichtlich noch
mindestens fünf Jahre lang neue Daten liefern. Je länger die erfasste Messzeit
ist, umso schwächer sind die Pulsare, die sich aufspüren lassen. Und mit
zunehmender Messzeit wächst zugleich der Rechenaufwand. Während konventionelle
Methoden bereits jetzt in der Praxis zu viel Rechenzeit benötigen, ist bei den
neuen Methoden noch Spielraum nach oben.
"Nur unsere Verfahren ermöglichen auch zukünftig effiziente Suchen in den
Fermi-Daten. Und mit der verteilten Rechenkraft der
Einstein@Home-Freiwilligen hoffen wir auch in Zukunft besonders weit entfernte
oder lichtschwache Gammapulsare aufzuspüren", sagt Pletsch.
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