Suche nach Pulsaren mit dem Smartphone
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik astronews.com
22. Juli 2013
Schon länger können Interessierte die Rechenleistung ihres
Computer der Forschung zur Verfügung stellen und so beispielsweise bei der Suche
nach intelligentem außerirdischen Leben helfen. Auch Smartphones sind heute
bereits kleine Computer. Wer über ein Modell mit dem Betriebssystem Android
verfügt, kann sich damit ab sofort an der Suche nach Pulsaren oder nach einem
AIDS-Medikament beteiligen.
Mit Einstein@Home auf Android-Geräten kann man
nun "nach den Sternen greifen" und neue
Radiopulsare entdecken.
Bild: Max-Planck-Institut für
Gravitationsphysik/B. Knispel (Foto), NASA
(Pulsar-Illustration) |
Nutzer des Betriebssystems Android können sich nun mit ihren Smartphones oder
Tablets aktiv an der wissenschaftlichen Forschung beteiligen und beispielsweise
bei der Suche nach Sternen oder nach AIDS-Medikamenten helfen. Dies wird jetzt
erstmals möglich, weil Smartphones und Tablets mit Android-Betriebssystem ab
sofort ihre ungenutzte Rechenkraft der Wissenschaft "spenden" können. Mit dieser
zusätzlichen Rechenleistung wollen Forscher des IBM World Community Grid
und des Einstein@Home-Projekts ihre Suche nach Medikamenten und nach
unbekannten Pulsaren beschleunigen.
Mit dem sogenannten "verteilten Rechnen" steht Wissenschaftlern bereits jetzt
gespendete Rechenkraft zur Verfügung, die sie nutzen, um Simulationen und
Datenanalyse durchzuführen. Verteiltes Rechnen erlaubt Freiwilligen und
Organisationen mühelos zum wissenschaftlichen Fortschritt beizutragen und bietet
den Forschern sehr leistungsfähige, gewissermaßen global verteilte
Supercomputer. Das wohl bekannteste Projekt dieser Art ist vermutlich
SETI@home, ein Programm, bei der jeder bei der Suche nach Signalen von
intelligenten Außerirdischen mithelfen kann.
Bislang war verteiltes Rechnen allerding auf traditionelle Computer wie
Desktop-Rechner oder Laptops beschränkt. Inzwischen sind mobile Geräte wie
Smartphones und Tablets jedoch deutlich leistungsfähiger und energieeffizienter
geworden und sind weit verbreitet. Derzeit gibt es rund 900 Millionen Android-Geräte
mit einer kombinierten Gesamtrechenleistung, die die der größten konventionellen
Supercomputer übertrifft.
Um diesen Geräten die Teilnahme an verteilten Rechenprojekten zu ermöglichen,
wurde nun die zugrunde liegende und an der University of California in
Berkeley, entwickelte Software Berkeley Open Infrastructure for Network
Computing (BOINC) aktualisiert. Besitzer von Geräten mit Android 2.3 oder
neueren Versionen können nun bei wissenschaftlichen Projekten mit
Bürgerbeteiligung mitmachen, indem sie BOINC vom Google Play Store
herunterladen und dann die Projekte auswählen, zu denen sie beitragen möchten.
Um die Batterielebensdauer zu erhalten, Ladezeiten zu minimieren und den
Verbrauch von Download-Kontingenten zu vermeiden, rechnet BOINC auf Smartphones
und Tablets nur dann, wenn diese geladen werden, wenn ihre Batterieladung über
90 Prozent beträgt und wenn sie mit einem lokalen drahtlosen Netzwerk (WLAN)
verbunden sind. Dies sind die Standard-Einstellungen beim ersten Start der
Anwendung, die allerdings auch vom Benutzer geändert werden können.
Eines der ersten Projekte, das für das verteilte Rechnen auf Android bereit
steht, ist Einstein@Home mit einer Suche nach unbekannten
Radiopulsaren, die vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Hannover
geleitet wird (astronews.com berichtete). Android-Nutzer
können eine Anwendung unterstützen, die Daten des Arecibo-Observatoriums in
Puerto Rico analysiert. Das Programm spürt neue Radiopulsare in den Daten des
weltgrößten Radioteleskops anhand ihrer gepulsten Radioemission auf.
Pulsare sind sehr kompakte Sternreste mit extremen physikalischen
Eigenschaften. Einige laufen in engen Bahnen mit Begleitsternen und stellen
einzigartige Prüfstände für Einsteins allgemeine Relativitätstheorie dar. Die
Empfindlichkeit zur Entdeckung neuer Pulsare ist jedoch durch die zur Verfügung
stehende Rechenkraft begrenzt. Mehr Rechenleistung wird die Einstein@Home-Suche
beschleunigen und empfindlicher machen. So erfahren die Wissenschaftler mehr
über die Entwicklung dieser Sterne und die Geschichte unseres Universums.
Darüber hinaus können die Freiwilligen neue Radiopulsare mit ihren eigenen
Android-Geräten entdecken.
Als weiteres verteiltes Rechenprojekt für Android-Smartphones und -Tablets
startet FightAIDS@Home, das nach effizienteren Mitteln zur Behandlung
von AIDS sucht und auf IBM World Community Grid läuft. Das Olson
Laboratory am Scripps Research Institute nutzt Rechenmethoden um
aussichtsreiche Kandidaten für neue Medikamente zu identifizieren, die die
richtige Form und geeignete chemische Eigenschaften haben, um Protease,
Integrase oder Reverse Transkriptase zu blockieren. Das tödliche AIDS-Virus
benötigt diese drei Enzyme, um zu funktionieren und um sich zu verbreiten.
IBM World Community Grid plant, zukünftig weitere Projekte für
Android bereitzustellen. Community Grid hat bereits sowohl Forschung in
den Bereichen erneuerbare Energien, Versorgung mit sauberem Trinkwasser und
gesunden Lebensmitteln, als auch die Suche nach neuen Medikamenten zur
Behandlung von Krebs, Malaria und anderen Krankheiten ermöglicht.
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