Äquivalenzprinzip mithilfe des Mondes erneut bestätigt
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Zentrums für angewandte Raumfahrttechnologie und
Mikrogravitation astronews.com
14. Juli 2023
Zwei Forschungsteams aus Bremen und Hannover konnten
Einsteins Relativitätstheorie jetzt mit noch höherer Genauigkeit bestätigen.
Grundlage der Berechnungen waren Lasermessungen des Abstands zwischen dem Mond
und der Erde. Dabei zeigte sich, dass sich keine Abweichung vom sogenannten
Äquivalenzprinzip feststellen lässt.
Das System Erde-Mond half den Teams aus Bremen und
Hannover bei der Überprüfung des
Äquivalenzprinzips. Bild:
AEOS Medialab / ESA [Großansicht] |
Eine der grundlegendsten Annahmen in der fundamentalen Physik besagt, dass
die verschiedenen Eigenschaften von Masse – Schwere, Trägheit und
Anziehungskraft – im Verhältnis zueinander immer gleich bleiben. Wäre diese
Äquivalenz nicht gegeben, würde das der Einstein’schen Relativitätstheorie
widersprechen und unsere aktuellen Physikbücher müssten umgeschrieben werden.
Obwohl alle bisherigen Messungen das Äquivalenzprinzip bestätigen, müsste es aus
quantentheoretischer Sicht eigentlich eine Verletzung geben. Diese
Unvereinbarkeit zwischen der Einstein’schen Gravitationsphysik und der modernen
Quantentheorie ist der Grund, warum immer genauere Tests des Äquivalenzprinzips
einen so hohen Stellenwert haben.
Einem Team des Zentrums für angewandte Raumfahrttechnologie und
Mikrogravitation (ZARM) der Universität Bremen ist es nun zusammen mit dem
Institut für Erdmessung (IfE) der Leibniz Universität Hannover gelungen, mit
100-facher verbesserter Genauigkeit nachzuweisen, dass schwere und anziehende
Masse immer gleich – also äquivalent – sind, unabhängig von der speziellen
Zusammensetzung der jeweiligen Massen. Die träge Masse widersetzt sich der
Beschleunigung und sorgt z. B. dafür, dass man beim Anfahren eines Autos nach
hinten in den Sitz gedrückt wird. Die schwere Masse reagiert auf die Gravitation
und sorgt auf der Erde für unser Gewicht. Die anziehende Masse bezieht sich auf
die Anziehungskraft, die ein Körper ausübt, genauer gesagt die Größe seines
Gravitationsfeldes. Für die Allgemeine Relativitätstheorie ist die Äquivalenz
dieser Eigenschaften von grundlegender Bedeutung. Daher wird sowohl die
Gleichheit von träger und schwerer Masse als auch die Gleichheit von schwerer
und anziehender Masse mit immer höherer Genauigkeit getestet.
Würde man hypothetisch davon ausgehen, dass schwere und anziehende Masse
nicht gleich wären – ihr Verhältnis also vom Material abhängt – würden sich
Objekte, die aus verschiedenen Materialien mit unterschiedlichen
Massenmittelpunkten bestehen, selbst beschleunigen. Der Mond besteht aus
mehreren unterschiedlich zusammengesetzten Schichten, wobei in der Studie ein
Eisenkern und ein aluminiumreicher Mantel angenommen wurde, deren
Massenmittelpunkte gegeneinander versetzt sind. Würde das Äquivalenzprinzip
nicht gelten, müsste sich dann eine Beschleunigung des Mondes ergeben. Diese
hypothetische Geschwindigkeitsänderung könnte man dank des "Lunar Laser Ranging"
mit hoher Genauigkeit ausmessen. Dabei werden Laser von der Erde auf die Spiegel
ausgerichtet, die von den Apollo-Missionen und dem sowjetischen Luna-Programm
auf dem Mond platziert wurden. Seitdem werden die Laufzeiten der Laserstrahlen
aufgezeichnet.
Das Forschungsteam konnte nun die Daten des "Lunar Laser Ranging" von über 50
Jahren, d. h. von 1970 bis 2022, analysieren und auf solche "Massenungleichheits"-Effekte
untersuchen. Da kein Effekt zu finden war, bedeutet dies, dass die schwere und
anziehende Masse bis auf ca. 14 Nachkommastellen gleich ist. Das ist eine um
zwei Größenordnungen bessere Abschätzung gegenüber der bisher besten
Untersuchung von 1986. Über diese neuesten Forschungsergebnisse zur Gleichheit
der schweren und anziehenden Masse hinaus war das ZARM auch wesentlich an
verbesserten Resultaten zu Gleichheit der trägen und schweren Masse beteiligt.
Damit hat das Forschungsinstitut an der Universität Bremen bei allen
Experimenten zum Äquivalenzprinzip maßgeblich dazu beigetragen, die Präzision
der Ergebnisse erheblich zu verbessern.
Diese Forschungsergebnisse entstanden im Rahmen des Exzellenzclusters "QuantumFrontiers"
und wurden jetzt in der Fachzeitschrift Physical Review Letters als
Highlight-Artikel veröffentlicht.
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