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Mit der Mission MICROSCOPE soll ab Ende April das sogenannte Äquivalenzprinzip experimentell mit hoher Genauigkeit überprüft werden. Das Prinzip ist eine Basisannahme der klassischen Mechanik und einer der Grundpfeiler der Allgemeinen Relativitätstheorie. Könnte man mit dem Satelliten Abweichungen nachweisen, hätte dies weitreichende Folgen für unser physikalisches Weltbild.
In dieser Woche beginnen die finalen Startvorbereitungen für eine höchst anspruchsvolle Raumfahrtmission, an der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Zentrums für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) der Universität Bremen seit mehr als 15 Jahren arbeiten. Die Erwartungen sind hoch: die Mission könnte beweisen, dass Einstein falsch lag und damit alternativen physikalischen Theorien den Weg ebnen. Der Missionsname MICROSCOPE steht für "MICRO Satellite à traînée Compensée pour l'Observation du Principe d'Equivalence" und soll am 22. April 2016 vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana starten. Ziel dieser etwa zwei Jahre dauernden Satellitenmission ist die experimentelle Überprüfung des Äquivalenzprinzips, welches besagt, dass auf der Erde alle Körper im Vakuum gleich schnell fallen, unabhängig davon aus welchen Materialien diese bestehen - vorausgesetzt, alle Störkräfte, wie beispielsweise magnetische Kräfte, sind ausgeschaltet. Dieses Prinzip ist nicht nur eine Basisannahme in der klassischen Mechanik, sondern vor allem einer der Grundpfeiler der Allgemeinen Relativitätstheorie, deren einhundertjähriges Jubiläum im vergangenen Jahr gefeiert wurde. Eine derart grundlegende Aussage wie das Äquivalenzprinzip muss immer wieder auf den Prüfstand gestellt werden. Eine genauere experimentelle Bestätigung könnte auch Antworten auf eine in der modernen Physik noch ungelöste Frage liefern, nämlich wie man die beiden grundlegenden Theorien der Physik, die Quantentheorie und die Gravitationstheorie, in einheitlicher Weise beschreiben kann.
Eine Verletzung des Äquivalenzprinzips würde einen Hinweis auf eine solche alternative Theorie liefern, wie zum Beispiel die Quantengravitationstheorie. Schon im 19. Jahrhundert wurde das Äquivalenzprinzip mit sogenannten Drehwaagen bis auf eine Genauigkeit von 10-8 , also bis auf die achte Kommastelle genau, bestätigt. Bis heute wurde das Ergebnis mithilfe einer Vielzahl verschiedener Experimente auf eine Genauigkeit von 10-13 verfeinert. Die Möglichkeit mit MICROSCOPE ein Experiment im Weltraum durchzuführen, bedeutet eine um den Faktor 100 höhere Messgenauigkeit (10-15 oder ein Billiardstel). Ein Satellit, der sich auf einer Umlaufbahn um die Erde bewegt, befindet sich dauerhaft im freien Fall. So auch der an Bord befindliche Experimentaufbau, der zwei Testkörper aus unterschiedlichen Materialien beherbergt, die auf exakten Positionen im Satelliten festgehalten werden. Gilt das Äquivalenzprinzip, ändert sich die Position der Testkörper im Satelliten nicht. Sollten sich die beiden Körper allerdings nicht absolut identisch verhalten, muss das System unterschiedliche Rückstellkräfte zur Beibehaltung der jeweiligen Positionen aufwenden, woraus man schließen kann, dass die aus unterschiedlichen Materialien gefertigten Testkörper auch unterschiedlich von der Erdanziehungskraft beeinflusst werden und somit das Äquivalenzprinzip verletzt wäre. Gleichgültig, welches Ergebnis MICROSCOPE liefert, ist das Resultat für die theoretische Physik von höchster Relevanz: Eine Verletzung des Äquivalenzprinzips, das seit über 100 Jahren einen festen Bestandteil unseres physikalischen Wissens darstellt, wäre eine echte Sensation und würde die Grundlagen unseres heutigen Verständnisses von Raum und Zeit kräftig erschüttern. Aber auch eine Bestätigung des Äquivalenzprinzips mit höherer Genauigkeit als bisher wäre ein großer Erfolg, da hiermit starke Einschränkungen für bestimmte verallgemeinerte Theorien gesetzt werden. Aus diesem Grund besteht ein breites internationales Interesse an einem verbesserten Test des Äquivalenzprinzips. Als das Projekt 2011 aus finanziellen Gründen auf der Kippe stand, sicherte eine internationale Petition von Professorinnen und Professoren die weitere Förderung der langjährigen Entwicklungsarbeit. MICROSCOPE wurde von den französischen Forschungseinrichtungen ONERA (Office national d'études et de recherches aérospatiales) und OCA (Observatoire de la Côte d’Azur) initiiert und wird zum größten Teil von der französischen Raumfahrtagentur CNES finanziert. Einziger internationaler wissenschaftlicher Partner ist das ZARM, dessen Projektanteil vom Raumfahrtmanagement im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird. Ein wesentlicher Teil der Entwicklungsarbeit bestand in Tests des Experimentaufbaus unter Schwerelosigkeit, die im Fallturm am ZARM der Universität Bremen erfolgten: ZARM-Mitarbeiter Hanns Selig hat in enger Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen von ONERA den Experimentaufbau im Fallturm Bremen im freien Fall getestet und so die Funktionstüchtigkeit der Instrumente unter Weltraumbedingungen nachgewiesen. Nun bereitet sich das Bremer MICROSCOPE-Team darauf vor, die vom Satelliten gelieferten Daten auszuwerten, auf die sie gemeinsam mit den französischen Projektpartnern Erstzugriff haben. In Vorbereitung darauf, wurden in den letzten Jahren Computer-Simulationen entwickelt und die Datenauswertung getestet. Wenn der Satellitenstart am 22. April 2016 perfekt gelingt und MICROSCOPE in den nachfolgenden fünf Stunden seine vorgesehene Umlaufbahn erreicht, wird die Geduld des ZARM-Teams noch einmal auf die Probe gestellt: Erst am 27. April nämlich wird das Experiment aktiviert und die Datenübertragung gestartet. Dann beginnt für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler endlich die Suche nach Indizien zur Beantwortung einer der größten offenen Fragen der Physik.
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