Atomuhren sollen noch genauer werden
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Fraunhofer-Instituts für Zuverlässigkeit und
Mikrointegration IZM astronews.com
16. März 2023
Atomuhren gelten derzeit als die genauesten Zeitmesser mit
denen digitale und analoge Uhren synchronisiert werden. Der Zeittakt ergibt sich
dabei aus der Messung der atomaren Resonanz im Cäsium-Atom bei
Mikrowellenstrahlung. Mithilfe einer neuen Generation optischer Uhren lässt sich
der Standard von Zeit nun bis zu 100.000-mal genauer erfassen.
Makroskopischer Tischaufbau komplexer
Lasersysteme in einer optischen Atomuhr.
Bild:
Ulrich Rosowski, Heinrich-Heine-University Düsseldorf [Großansicht] |
Seit Jahrhunderten umgeben uns unterschiedlichste Uhren als Zeitmesser. Dabei
definieren Atomuhren durch das Zählen der Schwingungen von Elektronen in
Cäsiumatomen – rund neun Milliarden Mal pro Sekunde – den aktuellen Standard:
die "Koordinierte Weltzeit" UTC. Jetzt bekommen sie von einer neuen Generation
optischer Atomuhren Konkurrenz. Diese messen elektronische Schwingungen im
sichtbaren optischen statt im Mikrowellenbereich und erreichen dadurch eine
100.000-fach höhere Genauigkeit. Die ultraexakten Chronoskope können den
Bruchteil einer Sekunde bis zur 19. Nachkommastelle vermessen. Zum Vergleich:
Das entspricht einer Zehntelsekunde im Verhältnis zum Gesamtalter des
Universums.
Aktuell nehmen optische Messgeräte jedoch noch viel Raum ein, was eine
Miniaturisierung erforderlich macht; eben dies hat man sich nun im vom
Bundesministeriums für Bildung und Forschung geförderten Projekt ISABELLA zum
Ziel gesetzt. Das Konsortium fokussiert sich bei der Miniaturisierung auf die
Laser, die das Herzstück optischer Uhren bilden und das Messen von Schwingungen
in Atomen ermöglichen.
Der Prozess gestaltet sich jedoch als komplex: Damit die Schwingungen
überhaupt ausgezählt werden können, müssen die sich schnell und unkoordiniert
bewegenden Atome zuerst gefangen und zum Bremsen ihrer Bewegungsgeschwindigkeit
auf Temperaturen um den absoluten Nullpunkt heruntergekühlt werden. Für diese
Schritte werden Laser mit höchster Präzision benötigt, was in bisherigen
Aufbauten zu einer enormen Baugröße des Gesamtsystems führte. An dieser Stelle
setzen die Forschenden im Projekt ISABELLA an und entwickeln eine Technologie,
mithilfe derer sich die unterschiedlichen Laser maßgeblich verkleinern lassen.
Optische Uhren präzisieren aber nicht nur unsere Zeitnorm, sondern helfen
auch bei der Beantwortung von Fragestellungen der fundamentalen Physik: Durch
die verbesserte Genauigkeit können etwa die Werte von Naturkonstanten überprüft
werden. Solche Werte sind von enormer Bedeutung, um das Universum und die Welt
im Laufe der Zeit auf einer Mikroskala zu beschreiben und die akademische
Forschung voranzutreiben.
Einen zweiten Anwendungsfall bietet die angewandte Forschung, da moderne
optische Uhren auch als Sensoren eingesetzt werden können, um Änderungen im
Gravitationsfeld zu vermessen. Somit tragen sie zur Erstellung einer hochgenauen
Gravitationskarte der Erde bei. Eine solche Karte erlaubt es der Geologie die
Bewegung tektonischer Platten exakt zu prognostizieren, Öl- oder Mineralfelder
ausfindig zu machen oder die Regung von Magma in Vulkanen frühzeitig zu
erkennen. Als hochgenaue Sensoren sind die Uhren insofern auch für die
Klimaforschung relevant, als dass sie beispielsweise die Änderungen und
Bewegungen des Meeresspiegels aufnehmen.
Eine dritte Anwendungsmöglichkeit der hochpräzisen Uhren ergibt sich beim
Einsatz von satellitengestützten Navigationssystemen wie dem GPS. Aktuell sind
Satelliten bereits mit miniaturisierten mikrowellenbasierten Atomuhren
ausgestattet, von welchen die Positionsbestimmung des GPS abhängt. Durch die
Integration einer optischen Atomuhr ließe sich die exakte Position mindestens um
das Hundertfache präziser bestimmen, was sich für das autonome Fahren und dessen
Sicherheit als hochbedeutend herausstellt.
Da die einzelnen Bauteile des Lasers nur im Zusammenspiel funktionieren,
arbeiten die Projektpartner in ISABELLA inhaltlich eng zusammen: So entwickelt
das Team der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf gemeinsam mit der Firma VACOM
Vakuum Komponenten & Messtechnik GmbH den robusten Resonator und baut diesen in
einer miniaturisierten Vakuumkammer auf. Die sensor photonics GmbH stellt die
für die Laser nötigen Halbleiterchips her; die Sacher Lasertechnik GmbH setzt
die Lasersysteme aus Einzelkomponenten zusammen und koordiniert zudem das
Forschungsprojekt. Das Team rund um den Atomphysiker Dr. Wojciech Lewoczko-Adamczyk
vom Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM ist für die
Fertigstellung photonischer Chips mitsamt der darin enthaltenen Wellenleiter
verantwortlich.
"Die Optik steht vor einem großen Durchbruch: Noch sind die Aufbauten groß
und sensibel. Wenn die einzelnen Komponenten jedoch miniaturisiert und
zuverlässig werden, können die Quantentechnologien mit ultrakalten Atomen in
Form von transportablen und praxistauglichen Systemen realisiert werden. Unsere
Aufgabe ist es dabei, die Chips mit photonischen Leitern zu entwickeln. Zu
diesem Zweck passen wir die optischen Leitungen an die relevanten Wellenlängen
von Atomuhren an und integrieren selektive Filter, die die Laser dazu bringen,
mit einer bestimmten und sehr schmalen Wellenlänge zu leuchten", erklärt
Lewoczko-Adamczyk.
Zum Projektabschluss Ende 2024 werden die Partner hochintegrierte, kompakte
und industriefertige Lasersysteme präsentieren, mit denen sich ultrakalte Atome
manipulieren lassen. Zudem gilt es, die Skalierbarkeit für einen kostengünstigen
Einsatz in optischen Uhren zu erforschen.
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