Die Zeit noch genauer messen
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) astronews.com
23. Oktober 2019
Unterstützt durch den europäischen Forschungsrat möchte ein
internationales Team aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern eine ganz
neue Atomuhr entwickeln, die eine noch genauere Zeitmessung erlaubt. Im
Gegensatz zu aktuellen Modellen nutzt diese Uhr das "Ticken" des Atomkerns. Die
erhöhte Genauigkeit könnte auch der physikalischen Grundlagenforschung
zugutekommen.
Kernuhr, die auf einem Übergang im Atomkern
des schweren Thorium-229 basiert. In der Uhr soll
der Kern durch Laserlicht angeregt werden.
Bild: Christoph Düllmann, JGU Mainz [Großansicht] |
Für die Entwicklung einer völlig neuen Atomuhr haben Forschende der
Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) zusammen mit internationalen
Kolleginnen und Kollegen einen prestigeträchtigen "Synergy Grant" des
europäischen Forschungsrates ERC eingeworben. Eine solche Thorium-Kernuhr könnte
noch einmal deutlich genauer sein als alle bisherigen Cäsium- und auch die
optischen Atomuhren. Das verspricht Vorteile für die Anwendungen präziser Zeit-
und Frequenzmessung, aber auch für physikalische Grundlagenforschung.
Nachdem das internationale Forschungskonsortium mit mehreren
Veröffentlichungen bereits gezeigt hat, dass eine solche Uhr grundsätzlich
realisierbar ist, zeigt nun der europäische Forschungsrat sein Vertrauen in das
Projekt, indem er es mit insgesamt 13,8 Millionen Euro fördert. An dem
interdisziplinären und internationalen Projekt "Thorium Nuclear Clock" sind
neben der PTB Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Wien, München,
Delaware (USA), Heidelberg und Aachen beteiligt. Das Synergy-Programm des
European Research Council (ERC) ist die am höchsten dotierte Forschungsförderung
des ERC und konzentriert sich insbesondere auf Themen mit hohem
Innovationspotenzial, die eine Zusammenarbeit zwischen verschiedenen
Fachgebieten erfordern, wie hier Atom- und Kernphysik, Laserphysik und
theoretische Physik.
Bei bisherigen Atomuhren "tickt" sozusagen die Atomhülle, bei der Thoriumuhr
dagegen der Atomkern. "Ticken" meint, dass man periodische Vorgänge, konkret die
regelmäßige Abfolge von Tal und Berg von Mikrowellen- oder optischer Strahlung,
zur Anregung von Elektronen bzw. des Kerns in den Atomen einer solchen Uhr
nutzt. Weil im Atomkern die Protonen und Neutronen wesentlich dichter gepackt
und fester gebunden sind als die Elektronen in der Außenhülle, verspricht eine
Kernuhr eine deutlich höhere Genauigkeit als bisherige Atomuhren.
"Sie ist aber genau deswegen auch deutlich komplizierter zu realisieren,"
erläutert Dr. Ekkehard Peik, Physiker und Fachbereichsleiter an der PTB.
Zusammen mit seinem Kollegen Dr. Christian Tamm hat er schon vor mehr als einem
Jahrzehnt das Konzept für eine Thoriumuhr entwickelt. Thorium-229 besitzt als
einzig bekanntes Atom einen isomeren Kernzustand, den man mit Lasertechnik, wie
sie ähnlich auch bei heutigen Atomuhren genutzt wird, anregen kann. Aus dem
Konzept wurde die intensive Forschungsarbeit verschiedenster Gruppen weltweit.
Auch durch die enge Kooperation zahlreicher Institutionen ist die Thoriumuhr
Schritt für Schritt nähergerückt. "Wenn alles gut läuft, werden wir in sechs
Jahren schon zwei unterschiedliche Versionen von Kernuhren haben", hofft Peik.
Allerdings sei dazu noch viel Grundlagenarbeit zu leisten. Aber die kostet Geld,
und die 13,7 Millionen der EU schaffen die perfekten Bedingungen dafür. Damit
können – auch noch über das Ziel einer neuen Uhr hinaus – neue grundlegende
Einblicke in die Struktur des Thorium-229-Atomkerns gewonnen werden. "Potenziell
erhalten wir damit auch einen Zugang zu offenen Fragen aus der Physik – etwa,
wie sich die Quantengravitation oder die Dunkle Materie auf präzise Vergleiche
zwischen unterschiedlichen Atomuhren auswirken", sagt Atomuhrexperte Peik.
Im Rahmen des ERC Synergy Grant werden über sechs Jahre hinweg Peik und die
anderen sogenannten "Principal Investigators" des Projektes gefördert: Professor
Thorsten Schumm von der Technischen Universität Wien, der auch der Sprecher des
Projektes ist, Dr. Peter Thirolf von der Ludwig-Maximilians-Universität München
und Prof. Marianna Safranova von der University of Delaware in den USA.
Beteiligt sind zudem Forscherinnen und Forscher am Max-Planck-Institut für
Kernphysik Heidelberg und am Fraunhofer-Institut für Lasertechnik in Aachen.
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