Schwerefeldmessung mit portabler Atomuhr
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Physikalisch-Technische Bundesanstalt astronews.com
14. Februar 2018
Lange Zeit waren die genausten Uhren der Welt riesige
Apparaturen, die fest in einem Institut installiert waren. In Braunschweig hat
man nun eine transportable optische Atomuhr entwickelt und mit ihrer Hilfe
erfolgreich das Gravitationspotential der Erde gemessen. Die Wissenschaftler
fuhren die Uhr dazu in einen Tunnel unter den Alpen.
Blick ins Innere des Anhängers mit der
transportablen optischen Strontiumuhr der PTB.
Bild: PTB [Großansicht] |
In einer europäischen Forschungskooperation, an der Uhrenexperten des
englischen National Physical Laboratory (NPL), des italienischen
Istituto Nazionale di Ricerca Metrologica (INRIM) und der
Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) beteiligt waren, wurde die
transportable optische Strontiumuhr der PTB genutzt, um das
Gravitationspotential der Erde zu messen.
Optische Atomuhren sind hochkomplizierte Apparaturen und waren daher bis vor
Kurzem nur in den Laboren einiger großer Forschungsinstitute zu finden. Die
transportable optische Strontiumuhr der PTB eröffnet jetzt erstmals die
Möglichkeit, Messungen auch "im Feld" vorzunehmen. Für die internationale
Messkampagne wurde die Uhr in ihrem schwingungsgedämpften und
temperaturstabilisierten PKW-Anhänger ins französische Modane Underground
Laboratory (LSM) gefahren. Das interdisziplinäre Laboratorium wird
betrieben vom Centre National de la Recherche Scientifique und der
Universität Grenoble Alpes. Es liegt in der Mitte des Fréjus-Tunnels zwischen
Frankreich und Italien.
Dort maß das Team die Differenz der Gravitationspotentiale zwischen dem
exakten Standort der Uhr im Inneren des Berges und einer zweiten Uhr im INRIM im
90 Kilometer entfernten Turin – mit einer Höhendifferenz von rund 1000 Metern.
Der genaue Uhrenvergleich wurde möglich durch eine 150 Kilometer lange
Glasfaserverbindung des INRIM und einen Frequenzkamm des NPL, der Uhr und
Faserverbindung verknüpft. Wissenschaftler der Universität Hannover bestimmten
dieselbe Differenz im Gravitationspotential mit konventionellen geodätischen
Messmethoden. Die Ergebnisse beider Messungen waren konsistent.
Genauigkeitsverbesserungen bei der transportablen optischen Uhr
vorausgesetzt, hat diese Methode das Potential, Höhenunterschiede auf der
Erdoberfläche von nur wenigen Zentimetern bestimmen zu können. Eine optische Uhr
hat den Vorteil, an bestimmten Punkten auf der Erde zu messen, während bei
Satellitenmessungen wie GRACE oder GOCE das durchschnittliche
Gravitationspotential der Erde in Größenordnungen von etwa 100 Kilometern
gemittelt wird. Außerdem ist bei den Uhrenmessungen die Messunsicherheit nahezu
unabhängig vom Abstand zwischen den beiden Uhren; bei traditionellen
geodätischen Verfahren dagegen akkumulieren sich Messfehler mit zunehmender
Entfernung.
Die neue Methode könnte feinere Messungen des Gravitationspotentials der Erde
ermöglichen. Damit wären Wissenschaftler in der Lage, Veränderungen des
Meeresspiegels und der Ozeanströmungen mit bisher unerreichter Genauigkeit zu
überwachen. Und sie wird zu besser übereinstimmenden nationalen
Höhenreferenzsystemen führen.
Um die Erdoberfläche zu messen, werden in verschiedenen Ländern zwar
dieselben Methoden angewandt – jedoch mit Bezug auf unterschiedliche
Höhenreferenzen. Das hat bereits zu Problemen geführt, etwa beim Bau der
Hochrheinbrücke zwischen Deutschland und der Schweiz. Für ihre Konstruktion
nutzten die beiden Länder unterschiedliche Berechnungen des Meeresspiegels – und
am Ende waren die beiden Brückenteile um 54 Zentimeter unterschiedlich hoch,
weil die bekannte Differenz mit falschem Vorzeichen ausgeglichen wurde.
Wenn es gelingt, die verschiedenen Höhensysteme international zu
vereinheitlichen, können solche Probleme bei Ingenieurs- und
Konstruktionsprojekten besser vermieden werden. Verbesserte Messungen des
Gravitationspotentials können außerdem helfen, geodynamische Effekte aufgrund
von Massenveränderungen unter der Erdoberfläche besser zu verstehen.
Die neue Höhenmessmethode wird außerdem helfen, Veränderungen des
Meeresspiegels in Echtzeit zu überwachen. Damit wird man besser unterscheiden
können, ob Bewegungen von Eismassen und allgemeine Massenveränderungen des
Ozeanwassers auf saisonale Schwankungen oder auf langfristige Trends
zurückzuführen sind. Solche Daten können für die Modelle sehr wichtig sein, mit
deren Hilfe man versucht, den globalen Klimawandel besser zu verstehen und
Veränderungen vorherzusagen.
Über ihre Ergebnisse berichten die Forscher in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift Nature Physics erschienen ist.
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