Die genaueste Atomuhr der Welt
Redaktion
/ Pressemitteilung der PTB und des Exzellenzclusters QUEST astronews.com
29. Mai 2009
Der Exzellenzcluster QUEST, der seit rund einem Jahr
Forschung in den Bereichen Quanten Engineering und Raum-Zeit betreibt,
hat Zuwachs bekommen: An der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in
Braunschweig wurde jetzt das QUEST-Institut gegründet, in dem unter anderem die
vielleicht genaueste Atomuhr der Welt entwickelt werden soll. Die Forscher
erhoffen sich neue Erkenntnisse über die Konstanz von Fundamentalkonstanten
sowie das Gravitationspotential der Erde.
Meisterhafter Umgang mit Licht: Detail eines
experimentellen Aufbaus zur Erzeugung von
Laserlicht bei 280 nm. Ein spezieller Kristall
(Bildmitte) sitzt in einem optischen
Erhöhungsresonator und konvertiert Licht bei
einer Wellenlänge von 560 nm nach 280 nm (nicht
sichtbar). Bild:
PTB / Universität Innsbruck |
Der Umgang mit Licht ist die besondere Stärke der Wissenschaftler
am neu gegründeten QUEST-Institut in der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt
(PTB) in Braunschweig. Ihr Wissen wollen sie bei der Erforschung einiger der
spannendsten Fragen der aktuellen Physik einbringen. Dabei geht es um die
Entwicklung von äußerst präzisen Messmethoden für die Erdbeobachtung, die
Untersuchung, ob denn nun die Fundamentalkonstanten wirklich konstant sind oder
um die Entwicklung der besten Atomuhr der Welt aus einem einzigen
Aluminiumatom.
QUEST steht für "Quantum Engineering and Space-Time Research" und ist der
Name eines ganzen Exzellenzclusters, zu dem das neue Institut gehört. Neben der
PTB mit ihrem Spezialwissen auf dem Gebiet der präzisen Messtechnik sind sechs
Institute der Leibniz Universität Hannover, das Laser-Zentrum Hannover, der
Gravitationswellendetektor GEO600 in Ruthe, das Max-Planck-Institut für
Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut/AEI) sowie das Zentrum für
Angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) in Bremen beteiligt.
Jetzt nochmals verstärkt durch das neue QUEST-Institut in der PTB, soll die
gemeinsame Forschung nicht nur tiefe Grundfragen der Physik beantworten, sondern
auch zusammen mit der Industrie zu neuen High-Tech-Produkten führen.
"Quantum Engineering", der erste Teil des Namens, steht für eine relativ
junge Forschungsrichtung, in der es um die ingenieursmäßige Beherrschung der
Quantenphysik geht. "Space-Time Research", der zweite Teil, ist die Forschung
rund um Raum und Zeit, also beispielsweise die Entwicklung von immer genaueren
Atomuhren oder neuer Verfahren zur Erforschung des Raumes, zum Beispiel präziser
Messverfahren in der Geodäsie. Weil es aber sowohl in Atomuhren als auch in
neuartigen Quantensensoren um nichts anderes geht, als Quantenphänomene mit
Hilfe modernster Technologien zu nutzen, war die Gründung des Exzellenzclusters
QUEST im November 2007 nach Angaben der beteiligten Wissenschaftler von Anfang
an eine Erfolgsgeschichte.
QUEST ermöglichte es, die Kompetenzen der spezialisierten Wissenschaftler und
Institutionen ganz neu und viel intensiver zu bündeln. Jetzt kommt ein weiteres
Kapitel hinzu: In der PTB, in unmittelbarer Nähe zu den einzigartigen
Messeinrichtungen und einigen der weltweit besten Atomuhren, hat eine neue
Forschergruppe ihre Arbeit aufgenommen: Das QUEST-Institut in der PTB besteht
aus einer Professur für "Experimentielle Quantenmetrologie, der
Nachwuchsforschergruppe "Quantensensoren mit kalten Ionen" sowie dem
Forschungsprojekt "Sub-Hertz-Laser und neuartige optische Resonatoren" sowie
mehreren sogenannten "Task Groups".
Das Spezialgebiet von Prof. Dr. Piet O. Schmidt, dem Leiter des Institutes,
sind neue Methoden der Spektroskopie. "Wir nutzen zum Beispiel die exakt
gleichen Frequenzabstände der Spektrallinien in einem optischen Frequenzkamm, um
atomare oder molekulare Systeme zu untersuchen", erklärt Schmidt. "Sehr
interessant sind auch die Methoden der Quantenlogik. Sie wurden ursprünglich für
zukünftige Quantenrechner mit gespeicherten Ionen entwickelt, können aber auch
genutzt werden, um spezielle Klassen von Atomen oder Molekülen zu untersuchen,
die bisher spektroskopisch nicht oder nur schwer zugänglich waren."
Mit Quantenlogikspektroskopie will er auch, auf der Basis eines extrem
schmalen Überganges in einem einzelnen Aluminiumion, eine optische Atomuhr
entwickeln. "Wir haben Aussichten, dass es die weltweit beste Atomuhr werden
könnte", sagt Schmidt. Die Uhr, die Schmidt vorschwebt, soll eine relative
Unsicherheit von 10-18 erreichen (bisher liegt die Grenze in der PTB
bei 10-15, gehalten von den sogenannten Cäsium-Fontänenuhren).
Mit einer so genauen Uhr werden die Forscher noch besser der Frage nachgehen
können, ob die Feinstrukturkonstante, die Gravitationskonstante oder das
Massenverhältnis zwischen Elektron und Proton sich in Raum oder Zeit ändern, so
wie es einige moderne Theorien der Physik wie etwa die String-Theorie
vorhersagen. Aber auch ganz handfeste Messmöglichkeiten werden damit verbunden
sein. "Die Verfügbarkeit von derart empfindlichen Uhren wird zu anderen
hochempfindlichen Messgeräten führen, die zum Beispiel den Höhenunterschied im
Gravitationspotential der Erde mit einer Genauigkeit von einem Zentimeter
bestimmen können", erläutert Schmidt. "Derzeit ist das Geoid der Erde mit einer
Unsicherheit von 30 cm bis 50 cm bekannt."
Mit QUEST sollen interdisziplinäre Kooperationen zwischen Ingenieuren, die
sich mit der Entwicklung von Navigationssystemen beschäftigen, Geodäten sowie
Forschern auf dem Gebiet der lasergekühlten Atome stimuliert werden. Dies soll
zur Entwicklung neuartiger Sensoren für die Geowissenschaft und die Navigation
führen. Und genau hier liegt das wohl wichtigste Merkmal von QUEST: die
intensive Zusammenarbeit thematisch verwandter, aber bisher organisatorisch
getrennter Forschergruppen: nämlich zwischen der universitären Forschung, den
Forschungseinrichtungen verschiedener Bundesministerien sowie einem
internationalen Projekt der Grundlagenforschung.
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